IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2004, Seite 52 f.


REPORT


Zukunftswerkstatt Sanitär

14. Raesfelder Schlossgespräche

Die Sanitärindustrie, der Sanitärgroßhandel und das Sanitärhandwerk stehen heute vor großen Herausforderungen. Mit den 14. Raesfelder Schlossgesprächen setzte daher der FSI (Förderverein der Sanitärindustrie, des Sanitärgroßhandels und des Sanitärhandwerks) Mitte Februar dieses Jahres seine Diskussionsreihe fort. Führende Wissenschaftler, Politiker, Persönlichkeiten der Wirtschaft, des Handels und des Handwerks kamen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Chancen und Bedrohung, Krise und Erfolg der Sanitärbranche - das war der weit gespannte Bogen.

"Es ist in der Tat an der Zeit", so der Vorsitzende des FSI, Obermeister Werner Hirschler, "gemeinsam mit Industrie, Handel und Handwerk konstruktive Lösungen zu finden". Auch das Handwerk, so Hirschler weiter, müsse sich beeilen, sonst sei es ja bald in einigen Bereichen außen vor. Denn: "Zwischen Behaglichkeit und Behäbigkeit liegen nur wenige Buchstaben", erklärte Hirschler.

Die Sanitärbranche hofft 2004 auf eine Trendwende. Dabei steht die Badmodernisierung nach wie vor im Fokus. Prognostiziert wird ein Umsatzplus von rd. 1,5%. Das Erreichen der Prognose werde hingegen wesentlich davon abhängen, ob und inwieweit die private Nachfrage anziehe, meinte Hirschler. Sie mache bereits in der Branche 70 bis 80% der Aufträge aus. An Bedarf fehle es indes nicht. Nochmals Hirschler dazu: "So gilt es nicht zuletzt emotional für den Lebensraum Bad und das Qualitätsangebot der Branche zu begeistern." Gleiches gelte für das Aufgreifen genereller Verbrauchertrends wie Komfort im Alltag, Wellness und Fitness.

Hilfreich könnten sich zinsverbilligte Darlehen erweisen, die in diesem Jahr im Gesamtvolumen von rd. 8 Mrd. Euro zur Verfügung stehen, Sanitärinstallationen und Wasserversorgung sind ausdrücklich erwähnt. Insofern hofft die Branche dadurch auch auf eine wirksame Anschubfinanzierung für das Badgeschäft. Nach einer GfK-Umfrage sind über 7 Mio. Haushalte mit ihrem Bad akut unzufrieden. Hirschler in aller Deutlichkeit zu den Handwerksbetrieben: "Einigeln, aufgeben, verbittern und verzweifeln dürften nicht Platz greifen. Wir alle sitzen in einem Boot."

Heinz-Jürgen Müller, Ministerialrat im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, schilderte die politischen Bemühungen der Landesregierung, im Rahmen der "Zukunftswerkstatt Handwerk NRW" gemeinsam mit Politik und Handwerk zu einem permanenten Diskussionsprozess zu kommen. "Die einzelnen Betriebe", so Müller, "müssen auch erreicht werden. Kaffeesatzpolitik ist hier unangebracht". Statt dessen könne nur ein zielorientierter Dialog helfen, in den Betrieben die notwendigen Modernisierungsprozesse nachhaltig einzuleiten.

Dr. Karl Spachmann, Geschäftsführer der Firma Geberit, stellt in seiner Analyse klare Forderungen an das SHK-Handwerk auf:

Heinz Schmidt, Geschäftsführer der Firma Heinrich Schmidt aus Mönchengladbach, attestierte als Fachgroßhändler dem Handwerk gute Entwicklungschancen. "Die hohe Kultur im dreistufigen Vertriebsweg gilt es auch langfristig aufrechtzuerhalten. Sie ist einzigartig in Europa." Eine solche Vertriebsstruktur gebe es weder in Holland, in Frankreich noch in Spanien. Doch müsse sich das Handwerk die Frage stellen: Wo stehen wir? Wie sieht das Miteinander in der Zukunft aus?

Hochkarätige Diskussionsteilnehmer (v.l.): Ministerialrat Heinz-Jürgen Müller, ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Michael von Bock und Polach, Dr. Hans-Georg Geißdörfer (Hauptgeschäftsführer des SHK-Fachverbands NRW), FSI-Vorstand Werner Hirschler, Geberit-Geschäftsführer Karl Spachmann und Großhandelsgeschäftsführer Heinz Schmidt.

Schmidt wies darauf hin, "dass der Vorteil für das Handwerk vor allem in einer noch engeren Partnerschaft zur vorgelagerten Vertriebsstufe liegt". Gerade die Tatsache, dass der Großhandel mit den Fachausstellungen eine wesentliche Funktion gegenüber den Endkunden einnehme, mache dies im Konkurrenzkampf zu anderen Vertriebswegen notwendig. "Die Abstimmungen über ein gemeinsames Vorgehen im Markt könnten vertieft, der Schulterschluss verbessert werden", meinte Schmidt. Diese Vorteile kämen vor allem Innungsmitgliedern zugute. Die mittelständische Struktur der vorgelagerten Vertriebsstufe, so Schmidt weiter, könnte darüber hinaus durch die Einbindung in die starke Solidargemeinschaft des Fachverbandes NRW gefestigt werden.

Die Stimmungslage wird allmählich besser, auch in den neuen Bundesländern, erklärte Hauptgeschäftsführer Michael von Bock und Polach, ZVSHK. Hilfreich sind hier auch die 865.000 Anlagen denen zum 1. 11. 2004 die "rote Karte" drohe. "Heizung zieht Sanitär nach sich", griff von Bock und Polach seine Aussage weiter auf. Für die Haustechnik wäre es wichtig, dass alle mehr als 25 Jahre alten Heizkessel erneuert würden: Rund 500.000 Gas- und rd. 1 Mio. Ölkessel kämen dann zum alten Eisen. Dennoch habe das SHK-Handwerk in den letzten 4 Jahren über 120.000 Beschäftigte verloren, die Ausbildungsverhältnisse seien um 30 % nach unten gegangen und eine Ausbildungsabgabe, wie sie derzeit von den Regierenden geplant werde, kontraproduktiv.

Der Energiepass für neue und bestehende Gebäude wird nach heutigem Stand ab 1. 1. 2006 gemäß EU-Verordnung eingeführt. Für das SHK-Handwerk kann dieses Instrument zu einer marktbelebenden Dienstleistung werden. Denn er wird unmittelbar Einfluss nehmen auf die Sanierung im Gebäudebestand. "Insgesamt stehen in Deutschland", so von Bock und Polach, "rechnerisch 50% der insgesamt 33 Mio. Wohnungen zur Sanierung an. Das sind jährlich knapp 1 bis 1,5 Mio. Energiepässe."

Genauso interessiert wie das Podium war auch das Plenum: Die Wortbeiträge brachten Pfeffer in die Diskussionen.

Von Bock und Polach verteidigte nachdrücklich die Einführung der Handwerkermarken und die Dreistufigkeit im Vertriebsweg. Dr. Hans-Georg Geißdörfer, Geschäftsführer des FSI, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Gemeinschaftswerbung im Sanitärbereich derzeit auf Sparflamme koche. "Um das zarte Pflänzchen Konjunktur zum Erwachen zu bringen, täte ein kräftiger Schuss Dünger in Form von bedarfsweckender und -lenkender Werbung gut", brachte es Geißdörfer auf den Punkt.

Das Thema Konkurrenz von Direktanbietern war ein weiteres brisantes Thema auf Schloss Raesfeld. Vor allem die einzelhandelsaktiven Handwerker standen hier im Kreuzfeuer der Kritik von Handel und Industrie. Geißdörfer äußerte Verständnis für die Besorgnis vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Umsatzeinbußen. "Nicht verstehen kann ich aber das weit verbreitete Verhalten, den schwarzen Peter allein dem Handwerk zuzuschieben". Handwerker wechselten doch nicht den Lieferanten aus chronischer Untreue heraus. Erhebliche Margenunterschiede, Vergleichbarkeit mit dem Baumarkt oder Unzufriedenheit mit der Betreuung seien häufige Gründe, die dem Verband genannt würden. Geißdörfer sprach sich dafür aus, alte Zöpfe abzuschneiden bzw. auf lieb gewonnene Pfründe zu verzichten. So könne er sich einvernehmliche Lösungen vorstellen, z. B. dass es bestimmte Produktkategorien geben kann, die direkt zwischen Hersteller und Handwerker abgewickelt werden, beispielsweise Maßanfertigungen oder rollbare Badmöbel, bei denen der Großhändler sozusagen nur theoretische Durchlaufstation ist. Er gebe die Bestellung ohne Bearbeitung 1 zu 1 weiter und auch die Auslieferung erfolge direkt vom Hersteller zum Handwerker oder Endkunden.

Die Creme de la Creme der Sanitärbranche war angereist, um im Dialog mit dem SHK-Handwerk scharfsinnig Antworten auf dringende Themenbereiche der Sanitärbranche zu geben. So zeigte sich wieder einmal: Die Raesfelder Schlossgespräche sind nach wie vor der Top-Treff der Branche von Industrie, Handel und Handwerk.


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