IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2004, Seite 50 f.
REPORT
Stein des Anstoßes: Die in verschiedenen Fachzeitschriften geschaltete Beilage von Keramag zur neuen KeraTect-Glasur. Der Streicheltest soll die Oberflächen unterschiedlicher Keramiken nach 5, 10 und 30 Jahren "fühlbar" machen. |
Oberflächliche Streitereien
Ärger um schmutzabweisende Sanitärkeramik
Seit Jahren schon zählen pflegeleichte Keramiken mit schmutzabweisender Oberfläche zum Standardangebot renommierter Sanitärhersteller. Ein heißes Eisen ist das Thema also längst nicht mehr. Und dennoch gab es auf der diesjährigen SHK-Essen einige Reibereien um diese glänzende Produktidee.
Auslöser für die Streitereien unter den Keramikern ist unter anderem eine in der IKZ-HAUSTECHNIK (Heft 6/2004) geschaltete Werbebeilage der Keramag AG, die "fühlbar" einen Vergleich zwischen unterschiedlichen Keramikoberflächen nach 5, 10 und 30 Jahren herstellt. Das Resultat beim Streicheltest (siehe Bild) spricht für sich: Während sich herkömmliche Standardkeramiken und Beschichtungen nach 30 Jahren wie Schmirgelpapier anfühlen, bleibt die KeraTect-Glasur von Keramag glatt wie am ersten Tag.
Diese Behauptung wollte Mitbewerber Villeroy & Boch so nicht akzeptieren. Man erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen das Werbematerial. Zuvor beauftragte man bereits das Fraunhofer Institut, die Oberfläche eines KeraTect-veredelten WC-Beckens mit der eigenen Standardkeramik zu vergleichen. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Gutachter vom Fraunhofer Institut konnten keinen signifikanten Unterschied in der Ausspüleffektivität zwischen der Standardkeramik und der KeraTect-Keramik feststellen. Das Ergebnis präsentierten die Mettlacher brühwarm während der SHK Essen: Am Stand wurden je ein Waschtisch mit Standard-Glasur und CeramicPlus (V & B) sowie ein KeraTect-Waschtisch (Keramag) an die Wand geschraubt und mit Schlicker (ein Gemisch aus Wasser und verschiedenen Mineralien) benetzt. Die neugierigen Besucher konnten sich eindrucksvoll davon überzeugen, wie wunderbar perlend der Schlicker von den V & B-Waschtischen ablief. Außerdem wurden die Ergebnisse der Fraunhofer Studie öffentlich gemacht. Ist KeraTect also nicht einmal pflegeleichter als die V & B-Standardkeramik?
Schlicker-Test an unterschiedlichen Sanitärkeramiken auf dem V & B-Messestand in Essen. |
Trügerisches Ergebnis
Laut Keramag doch. Die Ratinger bewerten die Aussage als "nicht vom Gutachten des Fraunhofer Instituts abgedeckt und damit unhaltbar". Das Unternehmen erklärte in einer Stellungnahme: "V & B als Auftraggeber der Studie habe es im Zuge der verkürzten Darstellung unterlassen, auf eine zur wissenschaftlichen Bewertung unverzichtbare, relativierende Feststellung des Prüfinstituts hinzuweisen. Das Original-Gutachten weist nämlich ausdrücklich darauf hin, dass das weniger effektive Ausspülverhalten des KeraTect-Beckens nicht auf die Oberflächenstruktur, sondern auf die Strömungscharakteristik des Beckens zurückzuführen sei. Im Vergleichstest untersucht worden sind WCs der Serien Magnum (V & B) und Vivano (Keramag). Damit wurden zwei schon allein durch Bauart und Wasserführung höchst unterschiedliche Produkte miteinander verglichen. Keramag stelle dies mit Verwunderung fest, ohne manipulative Absicht unterstellen zu wollen ..."
Als irreführend bezeichnete Keramag die Versuchsanordnung auf dem SHK-Messestand: "Dort habe man sich bemüht, mit einer nicht näher definierten Testflüssigkeit das Abflussverhalten bei unterschiedlichen Waschtischen zu simulieren. Dabei habe man mit dem optischen Abperleffekt eine angeblich funktionale Überlegenheit der CeramicPlus-Beschichtung nachweisen wollen. Diese Simulation sei jedoch völlig realitätsfremd, weil man offenbar bewusst die in der Praxis ständig erfolgende Beimischung von z. B. Seife oder fettlösenden Reinigungsmitteln vermieden habe, die den hydrophoben* Abperleffekt der Beschichtung kurzfristig aufgehoben hätten. Außerdem sei das Abflussverhalten einer Testflüssigkeit mit Wasser allein nicht gleichzusetzen mit der Pflegeleichtigkeit ..." Soweit Auszüge des Statements.
Leser-Service: Statements aller Beteiligten |
Den kompletten Wortlaut der Stellungnahmen von Duravit, Ideal Standard, Keramag und Villeroy & Boch können Sie im Internet herunterladen unter |
Weitere Kommentare
Unterdessen haben auch andere Anbieter von pflegeleichter Sanitärkeramik eifrig getestet, verglichen und ihre Ergebnisse der Fachpresse bekannt gegeben. So erklärt beispielsweise Ideal Standard: "Im eigenen Prüflabor aktuell durchgeführte Versuche ergeben eindeutige Produktvorteile von keramischen Oberflächenveredelungen gegenüber Spezialglasuren wie z. B. KeraTect. Oberflächenveredelungen wie Ideal Plus stellen hiernach den neuesten Stand der Technik zum Thema Schmutzabweisung dar ... Die herausragenden Eigenschaften und die Widerstandsfähigkeit von Ideal Plus sind so überzeugend, dass der TÜV Rheinland, Berlin/Brandenburg dies mit der Vergabe seines Qualitätssiegels dokumentiert ... Kalkrückstände haften kaum an diesen Oberflächen bzw. lassen sich mühelos abwischen."
Duravit mischt ebenfalls mit und erklärt in einer offiziellen Mitteilung, dass eine Oberflächenveredelung wie z. B. WonderGliss von Duravit nicht mit der Glasur KeraTect verglichen werden kann. Das sei ein "Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen". Bezugnehmend auf den Stein des Anstoßes - die in verschiedenen Fachzeitschriften geschaltete Beilage - träfen die dargestellten Oberflächeneigenschaften in keiner Weise auf die Qualität der Duravit-Glasur zu: "Bei einem Test zum Verhalten der Oberflächen bei Verschmutzungen, z. B. mit viskoser Masse, die besonders gut Verschmutzungen durch Fäkalien simuliert, zeigt sich WonderGliss gegenüber KeraTect eindeutig überlegen." Die Hornberger Sanitärspezialisten kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass die KeraTect-Oberfläche des Keramag-Waschtisches weniger hart sei als die ganz normale Duravit-Glasur. Keramag seinerseits merkt dazu an, "dass diese Behauptung durch verschiedene neutrale Untersuchungen, ganz aktuell durch eine Rückprall-Härtemessung des Instituts für Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung der FH Gelsenkirchen, widerlegt worden sei ... Im Übrigen sei es grundsätzlich äußerst fragwürdig, inwieweit der Härtegrad für die Qualität von Badkeramik aussagefähig sei."
Und nun?
Ist Keramag mit seiner Werbebeilage nun übers Ziel hinausgeschossen oder haben die anderen Hersteller nur übertrieben reagiert? Und welche Oberflächenveredelung ist nun die beste? Objektiv beantworten lässt sich diese Frage derzeit wohl kaum. Allerdings: Verunsichern lassen sollte sich das Handwerk durch solche Grabenkämpfe nicht. Selbst die eher kritische Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen befürwortet Medienberichten zufolge pflegeleichte Oberflächen, und zwar nicht nur, weil sie einfacher zu reinigen seien. Auch, weil durch den Verzicht auf scharfe Haushaltsreiniger Abwasser und Kläranlagen weniger belastet werden. Dass der Verbraucher bequem zwischen mehreren Herstellern auswählen kann, ist eigentlich nur von Vorteil. Und mal ehrlich, wer von den Herstellern will im Ernst, dass eine Keramik nach 30 Jahren noch genauso glänzt wie am ersten Tag?
Internetinformationen: |
* hydrophob = Wasser bzw. Feuchtigkeit abstoßend, nicht in Wasser löslich.
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