IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2004, Seite 3


EDITORIAL


Schildbürgerstreich Ausbildungsplatzabgabe

Zugegeben, mit 167.000 fehlenden Lehrstellen Ende März dieses Jahres in Deutschland stellt sich ein Problem, das der Lösung bedarf. Vor allem deshalb, weil sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage gegenüber dem letzten Jahr - ein halbes Jahr vor Ausbildungsbeginn - um 20 % vergrößert hat. Berücksichtigt man allerdings, dass die Lücke im Jahresverlauf von 2003 bis auf 20.000 abgeschmolzen ist, relativiert sich das Problem - vor allem vor dem Hintergrund einer konjunkturellen Wende, die uns, wenn auch nicht in dem erwarteten Umfang, so doch auf Sparflamme, ins Haus steht.

Das Handwerk könnte sich ohnehin gelassen zurücklehnen, da seine Ausbildungsquote mit mehr als 10 % weit über den Ausbildungsanstrengungen der übrigen Wirtschaft liegt. Die Gebäude- und Energietechnik-Handwerke im ZVSHK toppen diese Zahlen nochmals mit einer Quote, die bei mehr als 13 % liegt. Einige Optimisten gehen sogar so weit, aus dieser überproportionalen Ausbildungsleistung, die im Ausbildungsplatzabgabegesetz angedachte Bilanzierung und Förderung besonders ausbildungswilliger Betriebe als Bonus zu reklamieren.

Das Problem wird damit allerdings nicht gelöst. Hantiert wird einmal mehr an den Symptomen, nicht an der Wurzel der Krankheit, die Deutschland plagt, und zu Recht im internationalen Wettbewerb als Standort für Investitionen auf einen der letzten Plätze verweist. Obwohl die Krankheitsherde bekannt sind, betätigen sich die verantwortlichen Politiker als Kurpfuscher und verweigern dem Patienten die dringend notwendige Operation, ohne die eine echte Gesundung ausgeschlossen ist. Die Diagnose ist hart, aber eindeutig: Eine verfehlte Bildungs- und Gesellschaftspolitik präsentiert uns im Ergebnis Schulabgänger, die in weiten Teilen nicht ausbildungsfähig sind. Der Pisa-Schock hat zwar laute Debatten ausgelöst, gehandelt wurde nicht, bis auf populistische Ideenskizzen zu Elite-Universitäten mit einem Nullbeitrag zur Verbesserung des Ausbildungsniveaus von Haupt- und Realschülern. Gleichzeitig wachsen die qualitativen Anforderungen an den Kenntnisstand von Lehrlingen und Meisterschülern in den neuen Ausbildungs- und Meisterprüfungsverordnungen der Gebäude- und Energietechnikhandwerke analog der technologischen Entwicklung der Gebäudetechnik kontinuierlich an.

Allein dieses ständig wachsende Delta führt im Ergebnis dazu, dass der Ausbildungsbetrieb zusätzliche Anstrengungen aufbringen muss, um den Ausbildungserfolg einigermaßen sicherstellen zu können. Diese Mehraufwendungen allerdings stehen im krassen Widerspruch zu den nach allgemeiner Anschauung überzogenen Ausbildungsvergütungen, die für viele Betriebe nicht mehr hinnehmbar sind. Unverkennbar ist daher der Megatrend, dass das Handwerk sich zunehmend in den Ausbildungsleistungen nur noch auf den reduzierten eigenen Bedarf konzentriert, und damit die Bereitstellung qualifiziert ausgebildeter Handwerker für Industrie, Handel und Verwaltung dramatisch abnimmt.

Vor diesem Hintergrund ist die geplante Ausbildungsplatzabgabe völlig verfehlt, wenn sie die Nachfrage von ausbildungsfähigen Schulabgängern im angedachten Bilanzierungsverfahren unberücksichtigt lässt. Damit reduziert sich die Regierungsvorlage auf rein quantitative Betrachtungen und lässt die für den Standort Deutschland entscheidende Frage der Qualität einmal mehr außer Betracht. Deshalb muss ein Handwerker, der qualitativ hochwertige Ausbildungsplätze anbietet, diese aber mangels Eignung und fehlender Interessenten auf der Nachfrageseite nicht besetzen kann, eine Abgabe, die er auf diesen Umstand zu leisten hätte, zu Recht als eine Strafsteuer empfinden. Eine Strafsteuer, die nach der fortwährenden öffentlichen Degradierung des Handwerks im Zuge der jüngsten Handwerksrechtsnovelle wohl auch dem Letzten die Freude an zusätzlichen Anstrengungen verleidet. Eine Kuh, die man zuvor kräftig gemolken hat, liefert eben keine Milch mehr, wenn sie geschlachtet wird.

Der gesamte Vorgang macht einmal mehr deutlich, warum Deutschland als Investitionsstandort in Misskredit geraten ist: Eine Deregulierung am falschen Platz, die durch Überregulierung andererseits zu Planungsunsicherheit, Zukunftsangst und Wegfall der notwendigen Risikobereitschaft führt, die für die Entfaltung freien Unternehmertums in Handwerk und Mittelstand zugunsten unserer Binnenwirtschaft unabdingbar ist. Bei allen Betrachtungen wird zudem der demografische Faktor völlig außer Acht gelassen, sodass sich schon morgen das Geschrei um eine Ausbildungsplatzabgabe aufgrund der strukturellen Veränderungen unserer Bevölkerung als Sturm im Wasserglas erweisen kann.

Michael von Bock und Polach
Hauptgeschäftsführer Zentralverband Sanitär Heizung Klima


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