IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2004, Seite 88 ff.


FLÜSSIGGAS


Attraktive Kostenrechnung

Nahwärmeversorgung mit Flüssiggas

Wer Flüssiggas als "zu teuer" einstuft und in der Hausenergieversorgung zu den Akten legt, kennt unter Umständen nur die halbe Wahrheit. Denn die Nahwärmeversorgung kompletter Wohnsiedlungen oder Gewerbegebiete kann dort, wo keine Erdgasleitungen liegen, auch mit Flüssiggas realisiert werden. Und das zu einem - spätestens auf den zweiten Blick - attraktiven Kostenverhältnis.

Flüssiggas-Versorgungskonzepte lassen sich prinzipiell sofort und überall realisieren und eignen sich für kleine Versorgungseinheiten ebenso wie für große Anlagen. Sinnvoll können sie als kostengünstige Alternative oder als Ergänzung zu einer Erdgasversorgung sein. Zwar liegen die Energiekosten bei Flüssiggas in der Regel höher als bei Erdgas, die Investitionskosten im Vorfeld und damit auch die Hausanschlusskosten und monatlichen Grundpreise sind bei Flüssiggas-Versorgungsanlagen jedoch in aller Regel niedriger. Durch bessere Wärmedämmung und effizientere Heizanlagen, geringere Wohnflächen und schrumpfende Haushaltsgrößen wird der Verbrauchskostenanteil an den Gesamtkosten der Wärmeversorgung auch in Zukunft noch weiter zurückgehen. Damit müssen die Investitionen zum Aufbau der Versorgungsinfrastruktur kritischer betrachtet werden. Und spätestens dann rechnet sich die Flüssiggas-Lösung.

Oder um es im Umkehrschluss auszudrücken: Je geringer der Gasverbrauch pro Verbrauchsstelle ist, umso länger braucht die Erdgasindustrie, bis sich die Kosten der Verrohrung auszahlen. Als Faustformel rechnen Experten: Bis zu einem Verbrauch von ca. 15.000 kWh pro Jahr pro Verbrauchsstelle ist Flüssiggas günstiger als Erdgas obwohl der reine Gaspreis höher liegt.

Grundsätzlich ist die Siedlungsversorgung mit Flüssiggas ein seit gut 30 Jahren bewährtes und ausgereiftes Versorgungskonzept, das vor allem von privaten Investoren genutzt wird. Seit einigen Jahren gehen führende Flüssiggas-Versorger in Deutschland jedoch einen deutlichen Schritt weiter und bieten Kommunen kostengünstige Lösungen für die moderne Wärmeversorgung an. Zu diesen Anbietern zählen unter anderem Unternehmen wie Rheingas, Tyczka, Progas, Primagas oder die in Münster beheimatete Westfalen AG mit ihrem Konzept Infralogg.

Moderne Flüssiggas-Versorgungskonzepte eignen sich für ganze Gemeinden, Ortsteile und Neubauviertel, für die Erschließung von Gewerbegebieten sowie für Ferienhaussiedlungen und Campingplätze.

Nicht überall liegt Erdgas

Trotz weit verzweigter Verrohrung sind ländlich und abseits gelegene Kommunen, Ortsteile und Baugebiete oft nicht an das Erdgasnetz angeschlossen. Sie müssten über viele Kilometer hinweg mit dem Fernleitungsnetz verbunden werden - mit erheblichen Kosten. Ebenso ausgeschlossen werden Baugebiete und Kommunen, bei denen die Zahl der potenziellen Hausanschlüsse in keinem Verhältnis zum Erschließungsaufwand steht. Solche Situationen können sich aber auch in Gemeinden ergeben, wenn Neubaugebiete zum Beispiel durch Bahnlinien, Umgehungsstraßen oder Autobahnen vom Erdgasnetz getrennt sind. Mit Flüssiggas können diese Gebiete trotzdem für den Gaseinsatz erschlossen werden. Dabei werden die Versorgungsanlagen der Größe der zu versorgenden Gebiete angepasst und wachsen kontinuierlich mit der Anzahl der anzuschließenden Häuser. Deshalb eignen sich solche Konzepte gleichermaßen für 5, 50 oder 500 Häuser.

Unbegrenzt erweiterbar

Kern-Element einer Flüssiggas-Versorgungsanlage ist der Lagerbehälter. Er wird erdgedeckt an einer geeigneten Stelle eingelagert und versorgt alle angeschlossenen Teilnehmer. Seine Größe bestimmt sich variabel in Abhängigkeit zur Zahl der anzuschließenden Häuser. Die Versorgung der Haushalte geschieht über ein bedarfsgerecht ausgelegtes Netz von Verteiler- und Hausanschluss-Leitungen. So kann in eine Anlage für 200 Gasabnehmer an mehreren Stellen das Gas aus unterschiedlichen Behältern in das Rohrleitungsnetz eingespeist werden. Deshalb sind diese Anlagen auch zu späteren Zeitpunkten unbegrenzt erweiterbar - auch mit zusätzlichen Behältern. So versorgt beispielsweise eine der größeren Flüssiggas-Anlagen heute etwa 800 Haushalte aus vier Flüssiggas-Großbehältern.

Die Umsetzung wird im Folgenden am Beispiel des Infralogg-Systems der Westfalen AG skizziert: Beim Bau des lokalen Versorgungsnetzes werden Gas- und Wasserrohrleitungen in einem einzigen Rohrgraben verlegt - das senkt die Kosten. Die Rohrleitungen bestehen aus Polyethylen und werden durch moderne "Bord-PC-gesteuerte" Schweißgeräte sicher miteinander verbunden. Das dabei verwendete Verfahren ist die Heizwendelschweißung: In die Muffen und Formstücke ist eine Heizwendel eingearbeitet, die vom Schweißcomputer erkannt und auf die notwendige Temperatur gebracht wird. Die bei Infralogg eingesetzten Polyethylen-Rohrleitungen zeichnen sich durch ihre besondere Flexibilität aus. So lässt sich - falls etwa durch Baggerarbeiten eine Hausanschlussleitung beschädigt wird - ein Rohr-Ende durch Umknicken von Hand an jeder Stelle gasdicht absperren. Das Rohr selbst nimmt dabei keinen weiteren Schaden und kann nach erfolgter Reparatur durch Aufschweißen einer Muffe problemlos weiter genutzt werden.

Kernelement einer Flüssiggas-Versorgungsanlage ist der Lagerbehälter. Seine Größe hängt von der Anzahl der anzuschließenden Häuser ab.

Kooperationspartner gesucht

Die Hausanschlussleitungen werden nicht direkt an die Verteilerleitungen angebunden, sondern grundsätzlich über Anbohrarmaturen. Die Armatur wird dabei um das Verteilerrohr gelegt und aufgeschweißt. Auf der Abgangsseite der Armatur wird mit einer Muffe die Hausanschlussleitung angeschweißt. Erst wenn das anzuschließende Haus tatsächlich Gas benötigt, wird mit dieser Armatur die unter Gasdruck stehende Verteilerleitung angebohrt und der Gasfluss zu dem neuen Kunden freigegeben. So weit die Armatur über Straßenkappen zugänglich ist, kann zu einem späteren Zeitpunkt eine provisorische Absperrung der Gaszuführung zu dem entsprechenden Haus über diese Einbindung erfolgen.

Heute führt die Westfalen AG den Rohrleitungsbau sowie die Erdarbeiten häufig in Eigenregie durch. Das soll sich ändern. Gesucht werden bundesweit qualifizierte Partner, die diese Arbeiten übernehmen.

Landschaftsbild erhalten

Bei der Planung der Anlagen wird darauf geachtet, das Gesamtbild der Ortschaften nicht zu beeinträchtigen. Deshalb werden Behälter grundsätzlich erdgedeckt eingelagert. Die Standard-Behälter fassen von 6400 bis 60.000 Liter und wiegen zwischen ca. 2,5 und 25 Tonnen. Sie bestehen aus Stahl und werden gegen Korrosion mit einer Epoxidharz-Beschichtung versehen. Das verhindert Beschädigungen durch chemische oder mechanische Eingriffe. Bei größeren Behältern werden zusätzlich kathodische Korrosionsschutzanlagen eingesetzt. Alle Behälterarmaturen, Druckregel- und Verteilereinrichtungen finden in einer unterirdischen Schachteinrichtung Platz. Oberirdische Übergabe- oder Reglerstationen sind nicht erforderlich.

Campingstellplatz mit individuellem Gasanschluss. Im Vordergrund der Versorgungsschrank für Flüssiggas, dahinter der für Wasser und Strom.

Datenfernübertragung

Größere Anlagen werden in der Regel mit einer Datenfernübertragung ausgestattet. Ein in den Behälter integriertes Kontrollsystem erfasst über eine kapazitive Sonde den Behälterinhalt und via Manometer die Betriebsdrücke von Behälter und Netz. Die notwendige Stromversorgung kann, wenn kein Stromanschluss zur Verfügung steht, über ein Solarpendel mit Batteriepuffer erfolgen. Die Daten werden per Telefonleitung oder GSM-Netz an die Einsatzzentrale übertragen. So steht die Anlage unter kontinuierlicher Kontrolle. Mitarbeiter der Gasversorgungsunternehmen oder deren autorisierte Service-Partner vor Ort stehen bereit, um im Bedarfsfall kurzfristig einzugreifen.

In jedem Haus wird ein Gaszähler installiert, der den Gasverbrauch erfasst, sodass dieser direkt mit dem jeweiligen Kunden abgerechnet werden kann. Im Rahmen der öffentlichen Gasversorgung bietet die Westfalen AG mehrere Tarife an, aus denen der Kunde je nach Verbrauch den passenden auswählen kann. So reicht die Palette von Infralogg-Mini für eine Abnahme bis zu 5000 Kilowattstunden, bis Infralogg-Maxi bei mehr als 10.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch, die in der Regel von Wohnhausbeheizungen erreicht werden. Darüber hinaus werden auch auf Gewerbekunden zugeschnittene Sonderverträge angeboten. Grundsätzlich gelte, dass der Kunde automatisch den für ihn günstigsten Tarif erhält.

Mit Erdgas kooperieren

Flüssiggas-Anlagen eignen sich auch, um die Haushalte zu einem späteren Zeitpunkt mit Erdgas zu versorgen. Beispielsweise in Alzey-Esselborn: Diese Anlage wurde von der Westfalen AG in enger Abstimmung mit dem örtlichen Erdgasversorger aufgebaut, der den Ortsteil jedoch noch nicht an seine Leitungen angeschlossen hat. Zunächst wird dieser Ort mit seinen etwa 60 Einheiten mindestens 15 Jahre mit Westfalengas versorgt, danach besteht die Option, die Anlage an das Erdgasnetz anzuschließen.

Internetinformationen:
www.westfalen-ag.de
www.tytogaz.de
www.progas.de
www.primagas.de


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