IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/2004, Seite 43 ff.
ELEKTROTECHNIK
Unfallquelle Kabeltrommel
Gerüst stand unter Strom: Drei Personen schwer verletzt
Rüdiger H. F. Heuchel
Der SHK-Handwerker arbeitet auf Baustellen nicht selten auf Leitern oder Gerüsten. Als größte Gefahr für ihn kann dabei sicher der Sturz genannt werden, sei es aus Unachtsamkeit oder wegen mangelhafter Sicherheitsausrüstungen. In dem hier beschriebenen Fall hat sich ein schwerer Unfall mit drei Personen ereignet, mit dem man in den seltensten Fällen rechnet: Das Gerüst stand unter Strom.
Bild 1: Arbeitsbereich "Kleine Bau-/Montagestelle" auf einem Gerüst. |
Drei Mitarbeiter eines Unternehmens für Sanitär, Heizung und Klempnerei waren beauftragt, an einem dreigeschossigen Wohnhaus die alten schadhaften Zink-Regenrinnen gegen neue aus Kupfer auszutauschen. Um diese Arbeiten sicher ausführen zu können, war das Gebäude auf der Straßenseite im Bereich der Balkone eingerüstet. Auf dem Gerüst wurden mittels Bohrhammer Dübellöcher zur Regenrinnen- und Fallrohrbefestigung in das Mauerwerk gebohrt. Die Monteure arbeiteten somit auf einer kleinen Bau- und Montagestelle gemäß der Berufsgenossenschaftlichen Informationsschrift BGI 608 "Auswahl und Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel auf Baustellen" (Bild 1).
Bild 2: Schadhafte Anschlussleitung des ungeeigneten Leitungsrollers (Kabeltrommel). |
Unfallhergang
Die Stromversorgung der Elektrowerkzeuge erfolgte über einen Leitungsroller (Kabeltrommel), gespeist aus einer Schutzkontakt-Steckdose im Heizungsraum des Gebäudes. Die Leitungsführung verlief durch eine Keller-Außentür auf das darüber errichtete Metallgerüst. Einer der Beschäftigten erhielt beim gleichzeitigen Berühren des Gerüsts und eines Balkongeländers einen heftigen elektrischen Schlag und konnte nicht mehr loslassen. Bei dem anschließenden Rettungsversuch des Verletzten, der zwischen Fassade und Gerüst abzustürzen drohte, erhielten die beiden weiteren auf dem Gerüst bzw. Balkon befindlichen Personen ebenfalls einen elektrischen Schlag. Aufmerksame Passanten erkannten die Gefahrensituation und zogen geistesgegenwärtig den Stecker aus der Steckdose. Mit einem Mobiltelefon wurde sodann der Notarzt/Krankenwagen herbeigerufen.
Bild 3: Geeigneter Leitungsroller (Kabeltrommel) mit mittelschwerer Gummi-Schlauchleitung, Typ H 07 RN-F. |
Unfallanalyse
Die der Steckdose vorgeschaltete 16 A Stromkreissicherung hatte nicht ausgelöst. Eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) war nicht, wie vorgeschrieben, vorgeschaltet. Die Anschlussleitung des Leitungsrollers (Kabeltrommel) wies eine sehr starke mechanische Beschädigung durch eine Quetschung auf. Hier waren Außenisolierung sowie eine Aderleitung derart schadhaft, dass ein blanker Leiter sichtbar war (Bild 2).
Bild 4: Ortsveränderliche Schutzeinrichtung mit "PRCD-S" als Speisepunkt für elektrische Betriebsmittel auf kleinen Bau- und Montagestellen. |
Durch diese Quetschstelle fand eine Spannungsverschleppung auf das metallene Gerüst statt. Die Qualität der Anschlussleitung (leichte Gummi-Schlauchleitung, Typ H 05 RR-F) war für die zu erwartenden Umgebungsbedingungen auf der Baustelle unzureichend und unzulässig. In solch einem Fall ist mindestens die Qualität einer mittelschweren Gummi-Schlauchleitung (Typ H 07 RN-F) oder eine gleichwertige Leitungsart (z. B. H 07 BQ-F) erforderlich.
Checkliste zum sicheren Umgang mit elektrischer Energie.
Schutz gegen Gefahren des elektrischen Stroms |
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Weiterhin war die Schutzart (Schutz gegen Feuchtigkeit und Fremdkörper) wegen der fehlenden Steckvorrichtungsabdeckungen ungenügend, was aber den Unfall ursächlich nicht auslöste.
Bild 5: Auch eine Lösung: Leitungsroller (Kabeltrommel) der Anwendungskategorie mit hochempfindlicher Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (PRCD-S) in der Anschlussleitung. Dadurch ist ein zwangsläufiger Zusatzschutz gewährleistet. |
Fazit
- Der verwendete Leitungsroller (Kabeltrommel) entsprach nicht der Anwendungskategorie gemäß BGI 600 "Auswahl und Betrieb ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel nach Einsatzbereichen" (bisher ZH 1/249) für den Einsatzbereich Bau-/Montagestelle bzw. kleine Baustelle (Kennzeichnung: ) und war daher für die äußeren Einflüsse unter erschwerten Bedingungen ungeeignet (Bild 3).
- Darüber hinaus wurde kein besonderer Speisepunkt benutzt.
- Für diesen Einsatzort wäre ein Schutzverteiler mit hochempfindlichem Fehlerstrom-Schutzschalter (PRCD-S) oder eine vergleichbare Schutzeinrichtung als Speisepunkt für die Stromversorgung der elektrischen Geräte erforderlich gewesen (Bild 4).
- Eine Zusatz-Schutzeinrichtung beinhaltet einen F.-I.-Schutzschalter (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom ≤ 30 mA. Im Fehlerfall wird eine automatische und schnelle Abschaltung (≤ 0,2 Sek.) der Stromversorgung sichergestellt (Bilder 5 und 6).
Bild 6: Bei Arbeiten auf einem Gerüst ist ein besonderer Speisepunkt mit hochempfindlichem F.-I.-Schutz (PRCD-S) für die Stromversorgung der elektr. Geräte erforderlich. |
Konsequenzen
- Grundsätzlich muss vor dem Beginn der Arbeiten mit elektrischer Energie am Einsatzort "Bau-/Montagestelle" im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ein besonderer Speisepunkt für die Stromversorgung geschaffen werden, wie in BGI 608 "Auswahl und Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel auf Baustellen" festgelegt. Dabei ist der Schutz durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom ≤ 30 mA von herausragender Bedeutung. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auch auf Reparatur- und Nachbesserungseinsätze.
- Außerdem müssen die elektrischen Betriebsmittel für die rauen Umgebungsbedingungen und äußeren Einflüsse am Verwendungsort geeignet sein. Zum Einsatz kommende elektrische Betriebsmittel müssen der Anwendungskategorie entsprechen.
- Vor jeder Benutzung ist eine Sichtprüfung durch den Betreiber vorzunehmen. Außerdem muss die regelmäßige Prüfung von einer befähigten Prüfperson (z.B. Elektrofachkraft) durchgeführt werden.
- Verantwortliche Personen wie Unternehmer, Bau-/Montageleiter, Poliere, Kolonnenführer, Vorarbeiter usw. sind gehalten, den sicheren Betrieb in Bereichen kleiner Bau- und Montagestellen zu gewährleisten.
- Eine Vielzahl von Stromunfällen könnte unter Beachtung der einfachsten Schutzvorkehrungen und -maßnahmen wirksam verhindert werden.
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