IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2004, Seite 94 f.
REPORT
Die innenliegenden Stützkonstruktionen (Pylonen) für die Hallendächer entfielen durch die Umbaumaßnahmen. |
"Pumpeninduzierter Saugheber"
Fachhochschule Münster entwickelt innovatives Entwässerungskonzept für das Dortmunder Westfalenstadion
In Zusammenarbeit mit der Hochtief Construction AG und der Klaus Klein GmbH hat der Laborbereich 4.07 des Fachbereichs Energie - Gebäude - Umwelt an der Fachhochschule Münster den Umbau des Dortmunder Westfalenstadions hinsichtlich der komplizierten Dachentwässerung entscheidend mitgestaltet.
Im Unterschied zu den meisten anderen Arena-Dächern fällt das Hallendach zum Spielfeld hin ab. Dadurch ergaben sich für die Entwässerung des nach dem Umbau geschlossenen Hallendaches besondere Schwierigkeiten. Ursprünglich erfolgte die Entwässerung der vier eigenständigen Stadiondächer über Rinnen und Rohrleitungssysteme, die das Regenwasser zu den jeweiligen Giebelseiten führten. Entlang der Stützkonstruktionen für das Dach, den so genannten Pylonen, wurde bisher das Regenwasser über Fallleitungen abgeführt. Durch den Ausbau und die Überdachung der Stadionecken wurden die innen liegenden Pylonen durch eine neue - außen liegende - Stahlkonstruktion ersetzt. Der Umbau der Trägerkonstruktionen für die Tribünendächer war Voraussetzung für eine uneingeschränkte Sicht von allen Sitzplätzen auf das Spielfeld. Durch den Wegfall der innen liegenden Pylonen entfiel die Möglichkeit, entstehende Niederschläge im vorderen Bereich des Daches in die Erde bzw. die Grundleitungen abzuleiten.
Die Dachentwässerung über Fallleitungen im Stützenbereich ist nicht mehr möglich. |
Da das anfallende Regenwasser am Tiefpunkt der Dachkonstruktion nun nicht mehr sofort in die Senkrechte abgeleitet werden kann, muss es unterhalb der Dachkonstruktion über entsprechende Leitungssysteme - und unter Überwindung einer Höhendifferenz von ungefähr sechs Metern - wieder nach oben geführt werden. Nur außerhalb des Sichtbereiches, an den Außenwänden der Tribünen, kann das Regenwasser über Fallleitungen in die Grundleitungen geführt werden. Ursprünglich war geplant, das gesamte Regenwasser über große Pumpstationen im Dachbereich direkt in das Entwässerungssystem zu pumpen. Diese Lösung wäre nicht nur mit einem erheblichen Kostenaufwand für den Bau der Entwässerungsanlage verbunden gewesen, sondern hätte auch hohe Betriebskosten verursacht. Auf Anfrage von Hochtief zeigte Professor Bernd Rickmann von der Fachhochschule Münster in einer ersten Überlegung plausibel auf, dass durch Nutzung eines so genannten "pumpeninduzierten Saughebers" die ursprünglich veranschlagte Pumpenleistung um ca. 80% - bei gleicher Leistungsfähigkeit - reduziert werden kann. Bei der Entwicklung des neuen Entwässerungskonzeptes wurde im Labor auf planerische und rechnerische Erfahrungen der Dachentwässerung für Großprojekte, wie dem International Airport in Athen, dem Flughafen in Peking, der AOL- und der Colorline-Arena in Hamburg, zurückgegriffen. Bei diesen Projekten hatte Rickmann bereits beratend mitgewirkt.
Pilotpumpe und Saugheberleitung in der Stadionecke Nord-West. |
Funktionsprinzip Saugheber
Das vorgeschlagene Entwässerungsprinzip beruht darauf, dass eine "Pilotpumpe" gerade soviel Regenwasser zur Fallleitung fördert, dass diese vollgefüllt betrieben werden kann. Ist die Leitung gefüllt, können große Volumenströme bei starkem Regen durch die Nutzung der "kostenlosen" Schwerkraft transportiert werden. Der große Volumenstrom muss über einen Bypass an der relativ kleinen Pilotpumpe vorbei geführt werden.
Stark vereinfachtes Schema der pumpeninduzierten Saugheberanlage im Dortmunder Westfalenstadion. |
Das dem Entwässerungskonzept für das Westfalenstadion zugrunde liegende Prinzip des "Saughebers" ist seit Langem bekannt und wird alltäglich genutzt, um zum Beispiel Aquarien oder andere kleinere Flüssigkeitsreservoire zu entleeren. Bei der herkömmlichen Anwendung wird der Saugheberschlauch zumeist durch Ansaugen mit dem Mund gefüllt. Diese Aufgabe übernimmt im Dortmunder Westfalenstadion eine Pilotpumpe. Dieser hochleistungsfähige "pumpeninduzierte Saugheber" zur Überwindung einer erheblichen Höhendifferenz für die Entwässerung großer Hallendächer wurde hier weltweit zum ersten Mal realisiert. Da sich der rechnerische Nachweis für dieses Prinzip im Grenzbereich der physikalischen Möglichkeiten bewegt - schließlich müssen 6 Meter Höhendifferenz überwunden werden - waren experimentelle Untersuchungen sowohl im Labor als auch im Stadion erforderlich. Diese Arbeiten wurden von zwei Studierenden im Rahmen ihrer Diplomarbeit durchgeführt. Nach umfangreichen Testläufen im Labor und der Praxisbewährung einer im Stadion installierten Pilotanlage wurde die konzipierte Entwässerungstechnik mittlerweile im gesamten Stadion installiert.
Internetinformationen: |
B i l d e r : Fachhochschule Münster, Fachbereich Energie - Gebäude - Umwelt
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