IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2004, Seite 62 ff.


SANITÄRTECHNIK


Umsetzung der novellierten Trinkwasserverordnung

Erhalt der Trinkwassergüte - die richtige Werkstoffwahl

Montage eines Edelstahlrohr-Systems in der Praxis.

Dipl.-Ing. W. Schulte*

Seit vielerorts die Einhaltung der in der Trinkwasserverordnung fixierten Grenzwerte von Amts wegen kontrolliert wird, herrscht zunehmend Unsicherheit über in Trinkwasserinstallationen risikolos einsetzbare Rohrmaterialien. Einen "Königsweg" gibt es dabei allerdings nicht, denn welches Material tatsächlich geeignet ist, hängt in erster Linie von der Wasserqualität vor Ort ab.

Am 1. Januar 2003 ist mit einem bemerkenswerten Effekt die novellierte Trinkwasserverordnung (TrinkwV) in Kraft getreten. Denn während im Vorfeld in nahezu allen involvierten Gremien und Verbänden lebhafte, teils kontroverse Diskussionen über chemische Parameter und ihre Grenzwerte, über Mess-Stellen, zuzuordnende Stagnationszeiten und vieles mehr geführt wurden, herrscht seitdem zumindest in der Branchen-Öffentlichkeit eine relative Ruhe. Vor allem bei den Praktikern - den Fachplanern, Fachhandwerkern und Betreibern von Trinkwasseranlagen - gewinnt das Thema jedoch zunehmend wieder an Brisanz: Nach einer notwendigen Phase des Aufbaus geeigneter Strukturen beginnen die Gesundheitsämter als zuständige Aufsichtsbehörden - trotz zum Teil großer Personalengpässe - in zunehmendem Maße, die Einhaltung der TrinkwV zunächst in überwiegend öffentlich-gewerblich genutzten Einrichtungen zu kontrollieren.

Aufgrund der Fülle entsprechender Einrichtungen und des damit verbundenen Arbeitsaufwands ist die Vorgehensweise dabei im Wesentlichen vergleichbar. Nach einer Risikopotenzial-Analyse unter anderem mit den Kriterien Alter der Installation, Art der Gebäudenutzung (Krankenhaus, Pflegeheim, Schule etc.) und Besucher-/Nutzerfrequenz wird eine Prioritätenliste erstellt, gemäß der die entsprechenden Objekte überprüft werden.

Lebensmittel Trinkwasser.

Auch wenn zu den Ergebnissen dieser Überprüfungen - unter anderem aufgrund nicht hinreichender Datenbasis - noch keine repräsentativen Angaben gemacht werden, so zeichnet sich doch bereits ein Effekt speziell für das Fachhandwerk ab, wie das Beispiel eines Seniorenheimes in Norddeutschland zeigt. Dort war bei der amtlichen Wasseranalyse zwar "nur" das mögliche Risiko einer Trinkwasserkontamination durch Legionellen aufgrund einer nicht mehr ausreichenden Desinfektionseinrichtung testiert worden. Nach einer anschließenden, umfassenden Detailanalyse des gesamten Trinkwassernetzes durch ein spezialisiertes Planungsbüro entschied sich der private Investor jedoch schnell, in mehreren Bauabschnitten die gesamte Installation in den einzelnen Gebäudekomplexen auszutauschen. Neben dem möglichen Einfluss der Werkstoffe auf die Trinkwasserqualität waren schließlich auch die hygienisch-mikrobiologischen Aspekte zu berücksichtigen, die für eine Totalsanierung sprachen. Totstränge, überdimensionierte Hauptverteilungsleitungen sowie ein kritischer Rohrmaterial-Mix aus den 1970er-Jahren hatten den Ausschlag gegeben. Entsprechend heutiger Erkenntnisse sind hierzu zeitgemäße Planungsregeln der DIN 1988 bzw. der VDI 6023 zu entnehmen.

Für das mit den Arbeiten beauftragte Fachhandwerksunternehmen war die Totalsanierung insofern ein Glücksfall, als ein wesentliches, mit der Umsetzung der TrinkwV häufig einhergehendes Problem damit nicht mehr bestand: das der korrekten Wahl des Rohrmaterials sowie der zugehörigen Komponenten wie Fittings oder Absperrventile. Denn gerade hierbei gibt es mittlerweile eine ganze Reihe unterschiedlicher Empfehlungen, die mit Verweis auf das Regelwerk je nach Standpunkt einen bestimmten Werkstoff oder Material-Kombinationen bevorzugen, obwohl die "Verordnung über die Qualität von Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch" dafür - trotz gegenteiliger Interpretationen - überhaupt keine Grundlage bietet.

Formstabile und flexible Werkstoffe für die Trinkwasserinstallation.

Parameter entscheiden, nicht Material

Zum besseren Verständnis muss auf den Wortlaut der TrinkwV zurückgegriffen werden. In Paragraph 6 "Chemische Anforderungen" heißt es unter Punkt 2 "Im Wasser für den menschlichen Gebrauch dürfen die in Anlage 2 festgesetzten Grenzwerte für chemische Parameter (Anm.: z.B. Chrom und Cyanid 0,05 g/ml, Benzol und Quecksilber 0,001 g/ml) nicht überschritten werden..." Weiter ist in demselben Paragraphen unter Punkt 3 festgeschrieben, dass "Konzentrationen von chemischen Stoffen, die das Wasser für den menschlichen Gebrauch verunreinigen oder seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussen können, so niedrig gehalten werden sollen, wie es nach den anerkannten Regeln der Technik mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls möglich ist."

Aus diesen, in der Trinkwasserverordnung ganz nach vorne gestellten Festlegungen sowie den folgenden Ausführungen ergibt sich damit:

Gerade der letzte Punkt - dessen Interpretation in Schadensfällen zweifellos noch die Justiz beschäftigen wird - verdeutlicht aber zugleich, dass die Verantwortlichkeit von Fachplanern und Fachhandwerk mit der TrinkwV massiv zugenommen hat.

Nichts ohne Wasseranalyse

In erster Linie bezieht sich die Verantwortlichkeit dabei auf eine hinreichende Berücksichtigung der gegebenen Wasserzusammensetzung. Ausgehend von einer möglichst aktuellen Wasseranalyse, die bei vielen Versorgern bereits regelmäßig aktualisiert auf deren Homepage im Internet zu finden ist, erfolgt die Wahl des für die jeweilige Installationsumgebung geeigneten Rohrmaterials. Wie wichtig diese Analysen für das Tagwerk von Fachplaner und Fachhandwerk sind, zeigt ein Blick auf die stark differierenden Wasserqualitäten in Deutschland (Stand: Januar 2004): Während in Leipzig und München der pH-Wert bei rund 7,5 °dH liegt, weist Köln linksrheinisch eine Härte zwischen 7,13 und 7,32, in Randgebieten hingegen zwischen 7,58 und 7,86 °dH aus. Der Sulfat-Gehalt wiederum liegt - bei einem Grenzwert der TrinkwV von 240 mg/l - in Leipzig bei 221 mg/l, in München bei 24,5 mg/l und in Köln zwischen 78,9 und 156,6 mg/l. Ähnliche Differenzen finden sich in der Wasseranalyse auch bei der Säurekapazität KS 4.3. In Leipzig wurden 1,66 mmol/l festgestellt, in München 5,05 mmol/l und in Köln zwischen 3,20 und 3,31 mmol/l.

Daraus folgt, dass in bestimmten Regionen auch zukünftig problemlos eine sortenreine Kupferrohr-Installation realisiert werden kann. Als Kriterien gelten hier insbesondere der pH-Wert sowie der TOC-Wert. Kupfer darf bedenkenlos eingesetzt werden, wenn der pH-Wert > 7,4 liegt oder wenn er zwischen 7,0 und 7,4 liegt und dabei der TOC-Wert (Gehalt an organischem Kohlenstoff) von 1,5 mg/L nicht überschritten wird. In allen anderen Fällen wären zum Beispiel Rohre aus Edelstahl, verzinntem Kupfer oder Kunststoffrohre bzw. Kombinationen aus metallischen Systemen für Kellerverteil- und Steigleitungen mit flexiblen PE-X-Rohren für die Etagenverteilungen zu bevorzugen.

Systemkombination Edelstahl (formstabil) mit PE-X (flexibel) für die Etagenverteilung.

Wichtig ist für den Verarbeiter, dass die Werkstoffe und Systeme den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, was zum Beispiel durch eine DVGW-Registrierung belegt wird. Rohre und Fittings aus feuerverzinkten Eisenwerkstoffen verlieren aufgrund ihrer Einsatzbeschränkungen gemäß DIN 50930-6 zunehmend an Marktbedeutung, Bleirohre dürfen grundsätzlich nicht mehr eingesetzt werden. Bis spätestens 2013 sind hier die verschärften Grenzwerte einzuhalten, was in der Regel den Austausch des Rohrnetzes bedeuten wird.

Unabhängig von der Systemwahl empfiehlt es sich vor diesem Hintergrund, im Zweifelsfall die der Planung zugrunde liegende Wasseranalyse und eine daraus resultierende Abstimmung über die Materialwahl mit dem Bauherrn schriftlich zu fixieren, um späteren Regressforderungen vorzubeugen. Dies gilt umso mehr in Grenzfällen oder im Hinblick auf das mit der europäischen Liberalisierung der Durchleitungsverordnung verbundene Risiko wechselnder Wasserqualitäten.

Auf Details achten

Zweifellos stellen die Rohrmaterialien in Hauptverteilungen, Steigleitungen und Etagenverteilungen zumindest auf den ersten Blick aufgrund ihres relativen Anteils an wasserberührter Fläche die dominierende Einflussgröße auf eine mögliche Veränderung der Trinkwasserqualität dar. Nicht zu vernachlässigen sind allerdings auch die übrigen Installationskomponenten - Fittings, Anschlussstücke oder Absperrventile: In einem Krankenhaus mittlerer Größe beispielsweise beläuft sich ihre Zahl schnell auf etliche Tausend - mit möglicherweise entsprechenden Auswirkungen auf die Trinkwassergüte. Dieser Einfluss wird durch den so genannten B-Wert in der DIN 50930-6 berücksichtigt, der auf dem Anteil der Wasser führenden Oberflächen basiert.

Ringleitungssystem mit PE-X-Rohren: Vermeidung von Stagnation in Zuleitungen zu Entnahmestellen mit seltener Nutzung.

Diese Auswirkungen können sich in kürzester Zeit vor allem dann zu einer Gefährdung entwickeln, wenn speziell minderwertige Absperrarmaturen die Anstrengungen bei der qualitativ einwandfreien Rohrnetzinstallation wieder zunichte machen. Exemplarisch seien hier die bekannten Importprodukte aus Fernost genannt. Sie verfügen zwar nicht selten über ein DVGW-Prüfzeichen, weisen jedoch häufig neben Verarbeitungsmängeln in der Materialzusammensetzung erschreckende Grenzwertüberschreitungen selbst bei den gesundheitsgefährdenden Arsen- und Bleianteilen auf, deren Spuren sich in kürzester Zeit auch bei einer Wasseranalyse nachweisen lassen.

Sicherheit durch Systemkompetenz

Da die Ressource Trinkwasser auf der einen Seite immer knapper, der Verbraucher auf der anderen zugleich immer qualitäts- und gesundheitsbewusster wird, kann davon ausgegangen werden, dass künftig die Qualitätsmaßstäbe an Trinkwasserinstallationen deutlich höher gesetzt werden als bisher. Für Fachplaner und Fachhandwerk eröffnet sich damit die Chance, die Trinkwasserinstallation als "Verpackung für das Lebensmittel Wasser" auf ein Niveau zu heben, bei dem zunächst auf die Wertigkeit der Umsetzung und erst im zweiten Schritt auf die Kosten geachtet wird.

Hygienisch einwandfrei: Doppelwandscheiben für Reihen- oder Ringleitungssysteme mit PE-Xc-Rohren.

Unterstützung erfahren sie dabei insbesondere durch jene Hersteller, die über einen Systemverbund die Trinkwasserinstallation als Gesamtheit begriffen und über entsprechend aufeinander abgestimmte Produkte oder Produktgruppen in ihrem Programm abgebildet haben: Hing noch vor wenigen Jahren der Erhalt der Trinkwassergüte allein von der Erfahrung und dem Geschick des installierenden Fachhandwerkers ab, spannt sich spätestens mit der TrinkwV der Bogen heute von der Rohrweitenermittlung (Fließgeschwindigkeit, Stagnation, Austauschhäufigkeit des Rohrnetzinhalts) über die dargestellte Materialwahl bis hin zur zugehörigen Verarbeitung (z.B. Pressen statt Löten). In den Verarbeitungsrichtlinien des zu verwendenden Rohrsystems sollte der Planer und Verarbeiter praktische Tipps finden wie zum Beispiel zur fachgerechten Dämmung des Kaltwasser-Rohrnetzes (< 25 °C) oder zum hydraulischen Abgleich des Zirkulationssystems (Solltemperatur: 60 °C). Darüber hinaus sollten sie sachdienliche Hinweise zur hygienebewussten Lagerung und Montage der Rohrleitungskomponenten sowie zur entsprechenden Druckprobe und Inbetriebnahme der Anlage enthalten. Das aber wiederum setzt einen ganzheitlichen Ansatz voraus, der weder die Aufgabe von Fachplaner und Fachhandwerk allein ist, sondern nur in Kooperation mit dem Betreiber der Anlage und letztlich mit dem Hersteller bzw. Systemanbieter geleistet werden kann und geleistet werden muss. Hierzu zählen beispielsweise Angebote über praxisgerechte Softwarelösungen für die hygienebewusste Rohrweitenermittlung, aber auch entsprechende Schulungs- und Fortbildungsangebote hinsichtlich fachgerechter Planung und Ausführung von haustechnischen Anlagen, zu der eben auch die Maßnahmen zum Erhalt der Trinkwassergüte gehören. Mit der konsequenten Umsetzung der Trinkwasserverordnung erfährt dann übrigens auch die bewährte mehrstufige Wertschöpfungskette aus Markenhersteller, Fachhandel, Fachplaner und Fachhandwerk eine Aufwertung, von der letztlich jeder profitiert - nicht zuletzt der Verbraucher.

Internetinformationen:
www.viega.de


*Dipl.-Ing. W. Schulte, stv. Leiter Technisches Marketing bei Viega, Attendorn


B i l d e r :   Viega, Attendorn


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