IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2004, Seite 58 f.
SANITÄRTECHNIK
Zeit zum Handeln
Erfahrungen der SHK-Bundesinnung in Österreich mit der Trinkwasserverordnung
Die wenigen Monate Praxiserfahrungen mit der neuen Trinkwasserverordnung zeigen: Es besteht eine erhebliche Verunsicherung beim Umgang mit dieser neuen EU-Richtlinie - bei den Gesundheitsbehörden ebenso wie unter den Planern und beim Handwerk. Kein Wunder also, dass auch den Betreibern und Endverbrauchern vielfach der Durchblick fehlt. Was ist zu tun? Nur Aufklärung und Dokumentation schafft Sicherheit - unter diesem Motto hilft in Österreich die von Innung und Industrie gegründete Hygiene-Akademie dem Handwerk über die Hürden.
Jeder weiß es mittlerweile: Gemäß der neuen Trinkwasserverordnung ist für die Qualität des Wassers nicht nur der Wasserversorger verantwortlich, sondern auch der Planer, der Installateur und der Betreiber. Das ist durchaus keine abstrakte Forderung. Um die Sachlage einmal zugespitzt zu formulieren: Wer die mit der neuen Trinkwasserverordnung verbundenen Risiken ignoriert, läuft mit großer Wahrscheinlichkeit sozusagen offenen Auges gegen die Wand. Denn es ist abzusehen, dass Mängel oder Fehler im Bereich der Planung oder Ausführung und auch des Betriebs von Trinkwasserinstallationen über kurz oder lang zu Gerichtsverfahren führen werden. Und so gut wie sicher ist: Wenn ein dann in Regress genommener Betreiber seinen Gutachter erst einmal auf die Suche nach Planungs- oder Ausführungsmängeln schickt, wird dieser selbst bei neuen Gebäuden fündig werden. Und wir sollten auch davor nicht die Augen verschließen: Die USA machen es uns vor, wie kreativ Anwälte bei der Suche nach neuen Mandanten sind.
Interessierte Installateure bei einer Schulung der Hygiene-Akademie in Österreich. |
Aufklärung und Dokumentation als A und O
Richtig ist auch: Angst ist in der Regel ein schlechter Ratgeber. Deshalb sollte das Handwerk der neuen Trinkwasserverordnung offen gegenübertreten. Positiv gesehen gilt nämlich: In Zukunft wird die Wasserhygiene immer mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen - und daraus ergeben sich enorme Umsatzchancen. Der Handwerksbetrieb, der sich dem Thema Wasseraufbereitung seriös und vor allem kompetent widmet, wird ein gefragter Partner des Endverbrauchers sein.
Kompetenz bedeutet, dass der Installateur die technischen Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Wasseraufbereitungstechnologien kennt. Und er muss einschätzen können, welche Technologien/Geräte/Werkstoffe für eine konkrete Aufgabenstellung optimal sind. Vor allem muss er in der Lage sein, zuerst das Problem des Kunden zu analysieren und darauf aufbauend adäquate Lösungen anzubieten. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, das muss das Ziel einer verstärkten Zusammenarbeit der Hersteller mit den Fachinstallateuren sein.
Auch die Branchenverbände vermitteln dem Handwerk Fachinformationen und unterstützen den Installateur bei der Umsetzung der neuen Verordnung. Vorbildlich ist das bereits bei unseren Nachbarn in Österreich gelungen: Dort hat sich die Bundesinnung zusammen mit der Industrie zum Aufbau einer Hygiene-Akademie entschlossen (siehe Interview). Konkret geht es dabei um die Vermittlung von Faktenwissen rund um die technischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen bei der Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung. Denn die neu aufgekommenen Gewährleistungspflichten und die Beratungshaftung (Stichwort: Legionellen) sind für das Handwerk eine große Herausforderung - aber eben auch eine Riesen-Chance gegenüber dem Baumarkt.
"Der Installateur muss mit Kopf und Herz dahinter stehen"
Am Rande der Aquatherm 2004 in Wien nutzte die IKZ-HAUSTECHNIK-Redaktion die Gelegenheit, mit dem Bundesinnungsmeister Kommerzialrat Wilfried Kugler über die Situation in Österreich zu sprechen. Hintergrund: Die Innung bietet dem Berufsstand eine durchgehende Aus- und Weiterbildung und Meisterqualifikation an. Die Plattform "Hygiene-Akademie", die vor zwei Jahren zusammen mit dem Wasseraufbereitungsspezialisten BWT gegründet wurde, ist ein fixer Bestandteil der Weiterbildung für den österreichischen Installateur.
IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Kugler, welche Idee steckt hinter der Hygiene-Akademie, die seit rund zwei Jahren in Österreich existiert?
Kugler: Die neue Trinkwasserverordnung ist ja ein recht komplexes Thema, und wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir das alles möglichst reibungslos in nationales Recht umsetzen können. Recht schnell war klar, dass wir dafür eine Ausbildungs- und Weiterbildungs-Offensive in Sachen Hygiene brauchen - und damit war im Grunde die Plattform "Hygiene-Akademie" geboren! Das ist allerdings erst der Anfang: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Fachausbildung des Installateurs weiter optimieren müssen. Helfen könnten regionale Fachkompetenz-Zentren: Zentren, die sich mit der Wasserhygiene beschäftigen oder auch mit der Korrosion oder dem Heizungswasser. Wir sind dabei, diese Idee derzeit in einem Pilotversuch praktisch umzusetzen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Nach knapp zwei Jahren kann man sicher über erste Ergebnisse berichten. Wie wird die Hygiene-Akademie vom Handwerk angenommen?
Kugler: Von den 2800 Arbeitgeberbetrieben in Österreich mit rund 31000 Beschäftigten haben wir knapp ein Drittel der Unternehmen erreicht. In allen Landesinnungen haben wir in entsprechenden Weiterbildungsveranstaltungen die neue Trinkwasserverordnung, die Legionellenproblematik und generell das Thema Hygiene angesprochen und immer auch auf die Weiterbildungs-Plattform Hygiene-Akademie hingewiesen. Bei allen diesen Aktivitäten weisen wir den Installateur auf die drei wichtigsten Punkte hin, die es beim Thema Trinkwasser-Hygiene und Umsetzung der Trinkwasserverordnung zu beachten gilt: Stagnation des Wassers vermeiden, Temperaturniveau beachten, Ablagerungen verhindern.
Bundesinnungsmeister Kommerzialrat Wilfried Kugler. |
IKZ-HAUSTECHNIK: Ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Innung und Industrie innerhalb der Hygiene-Akademie ist das so genannte Übergabeprotokoll. Was steht drin, wo liegt der Vorteil für das Handwerk?
Kugler: Mit dem Übergabeprotokoll "Trinkwasseranlage" erfüllt der Installateur seine gesetzliche Dokumentationspflicht. Das Protokoll beschreibt, was der Installateur gemacht hat: Dass ordnungsgemäß installiert wurde, die Installation den Normen entspricht - und vor allem: Dass die Anlage nunmehr dem Kunden übergeben und der Abschluss eines Wartungsvertrags empfohlen wurde. Das ist sehr wichtig, reicht der Installateur damit doch auch die Verantwortung an seinen Kunden weiter und schafft sich die Möglichkeit, ein Beratungsgespräch zum Thema Wartung zu führen. Der Minimalvorschlag dazu sollte lauten: Zumindest eine jährliche Speicherkontrolle, das ist das absolute Minimum!
IKZ-HAUSTECHNIK: Welchen Rat geben Sie Ihren deutschen Kollegen?
Kugler: In erster Linie muss der Installateur selbst vom Sinn der Trinkwasserverordnung und der Hygiene rund ums Wasser überzeugt sein. Erst dann kann er auch den Endverbraucher überzeugen, Geld in die Hand zu nehmen, um technische Vorsorgen zu treffen und auch Wartungsverträge abzuschließen. Eine Verordnung ist abstrakt. Und auch die Produktwerbung der Hersteller greift nicht, wenn der Installateur nicht mit Kopf und Herz dahinter steht!
Trinkwasserhygiene in Deutschland |
Unsere österreichischen Fachkollegen zeigen eindrucksvoll, wie man sich auf breiter Ebene einem komplexen Thema nähern kann. Doch auch hierzulande tut sich inzwischen viel in Sachen Trinkwasserhygiene. Einige Beispiele: Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima hat einen so genannten Trinkwasser-Check mit Checkliste, Endkunden-Flyer und Plakette für diejenigen Fachbetriebe zusammengestellt, die das Thema Hygiene und Schutz des Trinkwassers umfassender angehen wollen. Darüber hinaus werden die SHK-Landesverbände in Kürze zweitägige Schulungsmaßnahmen zum "Fachbetrieb für Hygiene und Schutz des Trinkwassers" anbieten (Infos unter Tel.: 02241/92990, www.wasserwaermeluft.de oder beim jeweiligen Landesverband). Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) veranstaltet am 18. März dieses Jahres eine Fachtagung mit begleitender Ausstellung zum Thema "Werkstoffe in der Sanitärtechnik" (Infos unter Tel.: 0211/6214650, www.vdi.de). Die KM Europa Metall AG bietet praxisorientierte Seminare zur hygienebewussten Planung von Trinkwasseranlagen an (Infos unter Tel.: 0541/3210, www.kme-tube-systems.com). Trinkwasserhygiene und Gebäudeautomation lautet der Arbeitstitel eines Seminars der AquaRotter GmbH (Infos unter Tel.: 03378/818383, www.aquarotter.de). Die BWT Wassertechnik GmbH offeriert regelmäßig Hygiene-Schulungen gemäß VDI 6022/6023. (Infos unter 06203/73-242, www.bwt.de). Nicht zuletzt hat sich auch die IKZ-HAUSTECHNIK diesem wichtigen Thema in zahlreichen Veröffentlichungen angenommen. In der Datenbank des Online-Auftritts der IKZ-HAUSTECHNIK (www.myshk.com) können registrierte Nutzer komfortabel und bequem auf Fachaufsätze, Interviews oder Reportagen rund um die Trinkwasserverordnung zugreifen. |
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