IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2004, Seite 26 ff.
VERBÄNDE AKTUELL |
Niedersachsen
SHK-Fachverband Niedersachsen initiierte modernes Seminarkonzept
Ausbildung mit Format
Wer Auszubildende nur als günstige Handlanger sieht, verschenkt wirtschaftliches Potenzial und damit bares Geld. Dass es auch anders geht, beweist das Modellkonzept "Ausbildung mit Format". "Im Mittelpunkt steht das Lernen am Kundenauftrag", erläuterte Aus- und Weiterbildungsreferent Horst-Dieter Bunk vom SHK-Fachverband Niedersachsen bei der Präsentation der bisherigen Aktivitäten.
Der niedersächsische Fachverband SHK ist Initiator und zugleich Träger des im Jahr 2000 gestarteten Modellversuchs, für den das FPB, die Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung der Universität Bremen, die wissenschaftliche Begleitung übernommen hat. Mit einem Team von 12 Personen, das aus Gesellen, Berufsschullehrern, Ausbildungsmeistern und Betriebsinhabern besteht, wurde ein modernes und - was besonders wichtig ist - praxisnahes Ausbildungskonzept erarbeitet.
Horst-Dieter Bunk, Aus- und Weiterbildungsreferent des SHK-Landesverbandes Niedersachsen: "Wir sind selbstständige Dienstleister. Dieser Gedanke muss schon in der Ausbildung verankert werden." |
Die Notwendigkeit für ein derartiges Ausbildungskonzept im SHK-Handwerk resultiert aus den veränderten Anforderungen, mit denen die Betriebe heutzutage konfrontiert sind.
Die Technik entwickelt sich rasant, Kunden haben höhere Ansprüche und sind deutlich besser informiert als früher. "Diese Situation fordert einen völlig neuen Typ Handwerker", erläuterte Horst-Dieter Bunk und plädierte für "mehr Kundenorientierung im Handwerk". Ein moderner Handwerker müsse erklären, aufklären, informieren, beraten, verkaufen, Zusammenhänge erkennen und wirtschaftlich arbeiten können. Und da auch im SHK-Handwerk die altbekannte Weisheit gilt "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", müsse dieser Dienstleistungsgedanke "schon mit der Muttermilch aufgesogen werden".
Lernen am Kundenauftrag
Nichts schult so gut wie die Praxis. Diesem Leitspruch folgend, entwickelte die Projektgruppe das Konzept "Lernen am Kundenauftrag". Im Gegensatz zur traditionellen "Halte-und-geh-mal-Ausbildung" müsse der Auszubildende frühzeitig in die verschiedenen Auftragsphasen eingebunden werden, betonte Michael Sander von der FPB. Denn: "Auszubildende, die frühzeitig Verantwortung tragen und verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen, erwirtschaften für Ihren Betrieb auch viel eher einen Gewinn. Und sind zudem mittel- und langfristig deutlich effektivere Mitarbeiter, weil sie selbstständig Zusammenhänge erkennen und damit flexibel auf Kundenwünsche reagieren können, was wiederum zu mehr Kundenzufriedenheit führt."
Nicht jeder Auftrag eignet sich gleichermaßen für diese Art Ausbildung. "Untypische und seltene Aufträge auszusuchen, ist sinnlos", machte Horst-Dieter Bunk deutlich, dass der Lehrling den Arbeitsumfang überblicken können muss, und dass die Arbeiten seinem Ausbildungsstand entsprechend in übersichtliche Teilaufgaben zu unterteilen sind. Ganz praktisch könnten für den Beruf Gas- und Wasserinstallateur folgende Arbeiten in Frage kommen:
- Störungsbehebung und Fehlerbeseitigung an Anlagen und Erzeugern,
- Austausch von Modulen wie Mischbatterie oder Regler,
- Komplettaustausch eines Heizsystems mit allen Komponenten,
- Kompletteinbau einer Duschecke im Rahmen der Badmodernisierung,
- Umstellung einer Heizungsanlage auf Brennwerttechnik,
- Einstellarbeiten an Thermen und Kesseln,
- Installation einer kleinen solarthermischen Anlage.
Prof. Dr. Manfred Hoppe von der Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsausbildung der Universität Bremen (FPB) moderierte die Tagung, auf der die Ergebnisse zur Modellreihe "Ausbildung mit Format" vorgestellt wurden. Sein Fazit: "Es geht um Verhaltensänderungen und um das Leben neuer Strukturen." |
Schrittweise zum Erfolg
Wie Lehrlinge ganzheitlich am Prozess der Auftragsbearbeitung beteiligt werden können, beschrieb Bunk ganz praktisch: "Analyse, Planung, Durchführung und Auswertung sind die allgemeinen Schritte, die der Reihenfolge nach zur Auftragserfüllung zu bearbeiten sind. Der Lehrling wird in diesen Ablauf eingewiesen und muss für den ihm zugeteilten Auftrag sämtliche einzelne Schritte bearbeiten. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass er die Aufgaben jedes einzelnen Schrittes vollständig erledigt hat, bevor er mit dem nächsten beginnt." Erforderlich sei zudem, dass bei der Erfüllung einer Teilaufgabe stets der gesamte Auftrag im Vordergrund des Bewusstseins bleibt, da ansonsten eine Desorientierung eintrete und die Ausführung nicht mehr souverän ausgeführt werden könne. Bunk: "Überforderung und Demotivation wären die uns allen nur zu gut bekannten Folgen."
Michael Sander von der Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsausbildung der Universität Bremen (FPB) war maßgeblich an der Entwicklung des Format-Konzepts beteiligt. Seine Überzeugung: "Kundenorientierung muss man lernen." |
Alle an der Konzept-Entwicklung beteiligten Stellen und Personen waren sich einig, dass diese Art der Ausbildung zu mehr Selbstverantwortung, Selbstbewusstsein und in der Folge zu höherer Arbeitsleistung führen kann. Es sei jedoch unbedingt erforderlich, das Lernen am Kundenauftrag auch in den beiden anderen Ausbildungsstätten - die Berufsschule sowie die überbetriebliche Ausbildung (ÜA) - als "Lern- und Ausbildungsgegenstand zu übernehmen".
Bunk ist sich sicher, dass der Kundenauftrag zum Knotenpunkt für Kooperationen zwischen den drei Lernorten werden kann. Mit handfesten Vorteilen, von denen sowohl der Betrieb als auch die Berufsschule und die ÜA profitierten. Nämlich:
- mehr Praxisnähe durch Einbeziehung betrieblicher Realität,
- höhere Akzeptanz der Lehrer und Ausbilder durch praxisgerechte Beispiele,
- höhere Effektivität durch gegenseitige Abstimmung der Lerninhalte,
- gemeinsame Nutzung vorhandener Ressourcen an den Lernorten,
- Ergänzung bei der Vermittlung von Inhalten.
Auf Einladung des SHK-Landesverbandes Niedersachsen informierten sich Berufsbildungsexperten sowie SHK-Praktiker über das Seminarkonzept "Ausbildung mit Format". |
Der Geselle bildet aus
Das jetzt entwickelte Schulungskonzept richtet sich an Betriebsinhaber, in erster Linie jedoch an Gesellen, weil sie die Ausbildung vor Ort in der Regel tragen. Da es sich kaum ein Betrieb leisten kann, seine Gesellen zu zeitintensiven Schulungen zu schicken, wurde das Format-Konzept auf drei Schulungsnachmittage reduziert. "Diese Präsenzphasen dauern jeweils drei bis vier Stunden", erläuterte Sander. Dazwischen liegen je sechs Wochen Praxis, in denen das Erlernte umgesetzt wird. Laut Sander wurde stark darauf geachtet, das Konzept konkret auf die Bedürfnisse des Handwerks zuzuschneiden. So verknüpfe dieses Seminarkonzept Theorie und Praxis ebenso wie das Seminarlernen und das selbst organisierte Lernen.
An der theoretischen Konzeptentwicklung beteiligten sich Wissenschaftler und Praktiker. In Hannover stand auch der Erfahrungsaustausch mit bisherigen Seminarteilnehmern (Foto) auf dem Programm. |
Bislang konnten von der vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) geförderten Modellreihe lediglich Teilnehmer aus Niedersachsen profitieren. Es laufen jedoch Verhandlungen mit einem bundesweit tätigen Bildungsdienstleister, der die Seminare in allen Landesverbänden anbieten will.
Interessierte aus Niedersachsen erhalten weitere Informationen bei Horst-Dieter Bunk, Telefon 0511/8797320, E-Mail: h.d.bunk@fvshk-nas.de. Ansonsten sind die jeweiligen SHK-Landesverbände Ansprechpartner.
Darüber hinaus beantwortet Fragen zum Konzept:
Michael Sander
Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsausbildung - Universität Bremen
Telefon: 0421/218-4924
E-Mail: michael.sander@uni-bremen.de
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