IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/2004, Seite 3
EDITORIAL
Orientalischer Basar
Bei der Handwerksordnung ist die Schlacht geschlagen. Auch das SHK-Handwerk hat gekämpft, vieles erreicht, aber trotz Verteidigung der Positionen einige Ziele verfehlt, wenn man als Bewertungsmaßstab die Themen Altgesellenregelung und Kleinunternehmergesetz heranzieht, die den Erhalt des Großen Befähigungsnachweises langfristig schwächen werden.
Zwar zählen die Klempner sowie die Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik zu den meisterpflichtigen 41 Gewerken, in denen weiterhin der Große Befähigungsnachweis gilt. Trotzdem muss man feststellen: Die Liberalisierung hat voll eingesetzt, die Aussichten, die Rechtslage zu ändern, sind gleich Null.
Für 53 Handwerksberufe, dazu zählen die Apparate- und Behälterbauer, ist keinerlei Qualifikationsnachweis mehr erforderlich. Wie auf einem orientalischen Basar wurde der Große Befähigungsnachweis für die Apparate- und Behälterbauer in Nacht- und Nebelsitzungen für null und nichtig erklärt und in einem wahnsinnigen Polit-Wettbewerb geopfert. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Apparate- und Behälterbauer, der zu den Mitgliedern der Verbände zählt und vornehmlich als Zulieferer im hochsensiblen Sektor der chemischen Industrie, der Atomindustrie und der Raumfahrt tätig wird, nicht weiter als Vollhandwerk in Anlage A geführt wird, sondern künftig selbstständig auch ohne Vorlage eines Meisterbriefes betrieben werden kann.
Dies ist eine Entlarvung eines Verfahrens, eine Kungelei, die die zunächst gesetzten Sachkriterien auf die Ebene eines orientalischen Basars herabwürdigt. Es ist schier unglaublich, was die Politiker hier entschieden haben. Der Fachverband NRW wird sich mit diesem Ergebnis nicht abfinden und prüft derzeit intensiv mit namhaften Juristen die Einleitung einer Verfassungsklage.
Der arbeits- und wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Karl-Josef Laumann, brachte es in einem Brief an den Fachverband NRW auf den Punkt: "Da Rot-Grün sowohl die Anlage A als auch das Kleinunternehmergesetz ohne Änderungen letztlich auch ohne die Zustimmung des Bundesrates hätte festlegen können und dies auch explizit angedroht hatte, haben CDU und CSU dem Kompromiss in der nun vorliegenden Form "zähneknirschend" zugestimmt. Nur so war es möglich, eine noch schlechtere Ausgangslage für das deutsche Handwerk insgesamt zu verhindern. Eine unionsgeführte Bundesregierung hätte diese Reform nicht beschlossen."
Und wie sieht die Zukunft aus? Jetzt kommt es darauf an, der Qualifikation und dem Erwerb von Kompetenz im Markt höchste Priorität einzuräumen, wie er in der Abfolge Lehrling, Geselle, Meister seine bewährte Ausprägung findet. Angesichts des Paradigmenwechsels beim Handwerksrecht müssen wir - ob es gefällt oder nicht - künftig bei allen Qualifizierungsanstrengungen quer durch alle Handwerksberufe sehr weitgehend vom Prinzip der Freiwilligkeit bei den Qualifizierungsteilnehmern ausgehen. Dies erfordert eine große Motivationsleistung unserer gesamten Organisation, bietet aber auch die Chance, die wir jetzt verstärkt in den Blick nehmen müssen. Eine Pro-Meister-Kampagne der gesamten Handwerksorganisation ist jetzt dringender denn je. So müssen die Betriebe Qualifizierungsangebote in der gewerblich-technischen Weiterbildung, in der Unternehmensführung, der Gestaltung und dem Umweltschutz viel stärker wahrnehmen als das in der Vergangenheit der Fall war. Auch in Kooperation mit Industrie und Handel, um im Markt in Zukunft bestehen zu können.
Eine Qualifizierungsoffensive im SHK-Handwerk tut Not! Einige hoch angesehene Wissenschaftler prognostizieren, dass die wirtschaftliche Zukunft nicht bei den ineffizienten Hierarchien von Großunternehmen liegt, sondern bei den dezentralen Wirtschaftseinheiten. Das ist die Chance auch des SHK-Handwerks. Wir müssen hier geistige Führung zurückgewinnen und zu offensiver Schlagkraft überwechseln. Das ist die wichtigste Aufgabe der Handwerksorganisation in der überschaubaren Zukunft. Das SHK-Handwerk hat unverändert eine Trumpfkarte für eine solide wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft in der Hand.
Fahren wir den entschlossenen Kurs der Qualifizierung und Kompetenzentwicklung sowie der tatkräftigen Interessenvertretung im Dienste unserer Mitgliedsbetriebe. Verunsicherung gilt hier nicht.
Dr. Hans-Georg Geißdörfer
Hauptgeschäftsführer
Fachverband Sanitär Heizung Klima
Nordrhein-Westfalen
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