IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 15/2003, Seite 66 ff.
INTERVIEW
Im Kampf gegen ProduktpiraterieHansgrohe vernichtet 1000 kopierte Handbrausen aus Fernost |
Ob Edelzwirn, Uhren, Mode-Accessoires oder Werkzeuge - renommierte Markenprodukte werden nicht selten als billige Imitate in den Handel gebracht. Die meist in Fernost gefertigten Fälschungen schaden nicht nur der Marke, sie gefährden auch Arbeitsplätze. Der Badausstatter Hansgrohe hat sich mit einzelnen Beschlagnahmeaktionen bereits mehrfach erfolgreich gegen die ausufernde Produktpiraterie zur Wehr gesetzt. In einer neuerlichen Aktion ließ das Schiltacher Unternehmen unlängst etwa 1000 nachgemachte Handbrausen der "Aktiva-Klasse" per "Dampfwalze" dem Erdboden gleich machen. Über die Hintergründe dieser Aufsehen erregenden Tat sprach die IKZ-HAUSTECHNIK-Redaktion mit Richard Grohe, Markenchef von Hansgrohe.
IKZ-HAUSTECHNIK: Mit einer 10-Tonnen-Walze 1000 Handbrausen platt zu walzen, das kommt nicht alle Tage vor. Was wollen Sie mit dieser Aktion erreichen?
Richard Grohe: Es geht zum einen darum, dass wir ein Stückweit die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisieren. Zum anderen erhoffen wir, hier, vor dem Europa-Parlament in Straßburg, ein Feedback zu bekommen. Kurzum: Wir wollten die Angelegenheit international zur Geltung bringen, denn es handelt sich nicht um ein deutsches Problem, sondern um ein europäisches.
IKZ-HAUSTECHNIK: Warum wurde gerade Straßburg als Veranstaltungsort gewählt?
Richard Grohe: Es gab verschiedene Gründe dafür. Erst einmal symbolisch; Straßburg wird zu Recht die Kreuzung Europas genannt, das Europaparlament sitzt hier. Darüber hinaus hat es sich ja im konkreten Fall um ein Straßburger Unternehmen gehandelt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie kamen Sie an die Produkte, so ganz freiwillig rückt kein Händler seine Ware raus?
Richard Grohe: Nun, nachdem die Handbrausen in Frankreich entdeckt worden waren, wurde der Vertreiber anhand der Verpackung ermittelt. Wir haben daraufhin Anzeige erstattet und eine Unterlassungsklage eingereicht. Außerdem haben wir Schadenersatz und die Herausgabe der Ware gefordert. Die verantwortliche Handelsfirma zeigte sich einsichtig und übergab uns schließlich die Fälschungen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie hoch beziffern Sie den jährlichen finanziellen Ausfall für Ihr Unternehmen durch Raubkopien?
Richard Grohe: Die Frage ist schwerlich zu beantworten, es gibt schließlich keine offiziellen Zahlen. Man kann Daumenwerte anlegen. Ich peile immer so etwa zehn bis fünfzehn Prozent vom Umsatz an. Die Angabe kommt eigentlich aus Italien. Dort wurde in der Vergangenheit sehr viel kopiert und auch schwarz produziert. Und da lag man halt immer in diesem Bereich. Experten schätzen übrigens den Schaden durch gefälschte Markenware für die gesamte Bundesrepublik auf 25 bis 30 Milliarden Euro!
Etwa 1000 nachgemachte Handbrausen der "Aktiva-Klasse" - beschlagnahmt bei einem Straßburger Händler - ließ der Schiltacher Badausstatter Hansgrohe unlängst per "Dampfwalze" zerstören. Richard Grohe, Markenchef von Hansgrohe, ließ es sich nicht nehmen, selbst auf den "Bock" zu steigen und die Raubkopien platt zu walzen. |
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche rechtlichen Möglichkeiten hat ein Unternehmen, um sich gegen diese illegalen Machenschaften zur Wehr zu setzen?
Richard Grohe: Eigentlich sind - zumindest in Europa - sämtliche rechtlichen Möglichkeiten vorhanden. Man kann Geschmacksmuster anmelden und diese notfalls auch einklagen. Das Problem liegt in der Häufung der Fälle. Außerdem muss man die Schutzrechte in jedem Land gesondert anmelden, was nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit viel personellem Einsatz verbunden ist. Es geht halt leider nach Länderrecht und nicht nach europäischem. So benötigt man etwa in Frankreich einen französischen Anwalt, in Portugal einen portugiesischen, in Deutschland einen deutschen usw. Die Kosten für die Geschmacksmusteranmeldungen sind enorm. Wir rechnen alleine in diesem Jahr mit 300.000 Euro.
IKZ-HAUSTECHNIK: In Europa scheint die Durchsetzung der Rechte ein lösbares Problem zu sein. Wie sieht es dagegen im asiatischen Raum aus? Gerade von dort kommen sehr viele dieser Plagiate?
Richard Grohe: In der Tat sitzen die meisten Produktpiraten in China. China ist ja der WTO - der Welthandelsorganisation - beigetreten, von daher wird es jetzt sicher etwas besser. Aber: In China gegen die Leute vorzugehen ist schier ein Ding der Unmöglichkeit für einen Mittelständler. Lego hat es zwar mit Erfolg probiert; es gab ja vor einiger Zeit dieses Fallbeispiel. Aber da sind wir noch sehr weit entfernt. Es bleibt nur zu hoffen, dass durch die WTO-Beteiligung von China die Prozesse von der Politik so gestaltet werden, dass man etwas mehr Griff hat.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was sind das für Unternehmen, die sich auf den Markenraub spezialisiert haben? Es ist doch sicherlich nicht so einfach, die Markenprodukte herzustellen.
Richard Grohe: Leider ist es relativ einfach, dahingehend, dass man letztlich nur ein Originalprodukt braucht. Dieses digitalisiert man dann mittels 3D-Scann und dann kann man daraus ein Werkzeug fräsen. Oftmals handelt es sich bei den Raubkopierern um Unternehmensverbünde. Ähnlich wie in der Schweizer Uhrenindustrie, wo jeder an jeden liefert und jeder macht ein ganz kleines Teil einer Uhr. Irgendwo wird das Ganze dann zusammenmontiert und ergibt ein Produkt. Außerdem ist beispielsweise die Herstellung einer Handbrause kein so hochtechnisches Unterfangen. Kunststoffspritzen kann heute fast jeder, Galvanisieren ist auch kein Problem. Metallbearbeitung, also Drehen, Gießen, Polieren, das ist alles lowtech. Hightech kann man dazu nicht sagen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie gut ist die Qualität der Produkte?
Richard Grohe: Die Qualität ist noch nicht so gut - bislang. Die Frage ist, spürt der Konsument diesen Unterschied? Teilweise werden die Produkte zu einem Bruchteil des Originalpreises im Markt angeboten.
"Raubkopien gefährden nicht nur die Marke, sie gefährden auch Arbeitsplätze."Richard Grohe |
IKZ-HAUSTECHNIK: Wieso können die Raubkopierer so billig herstellen oder anders gefragt, weshalb ist das Original so teuer?
Richard Grohe: Es sind vor allem die Kosten für Forschung und Entwicklung, die sich im Produktpreis deutlich niederschlagen. Die Brause, die wir heute zerstört haben, hatte eine Entwicklungszeit von gut drei Jahren. Die Kosten dafür betrugen etwa 1,2 Millionen Euro. Da muss man schon einige verkaufen, um diese Kosten wieder herein zu spielen.
Das Zweite ist die Piraterie auf der Markenseite. Es kommt immer häufiger vor, dass die Leute die Kopien unter der Marke Hansgrohe in irgendwelche Baumärkte reinschieben und da ist der finanzielle Schaden natürlich noch größer. Wir haben ja ein konsequentes Marketingbudget, weil wir die Marke hochhalten und bekannt machen müssen. All diese Kosten hat der Produktpirat nicht.
Auf der vergangenen Mostra Convegno - einer italienischen SHK-Fachmesse - habe ich eine Raubkopie entdeckt und den Händler gefragt, was er dafür haben wollte. Unverhandelt hat er mir die dreistrahlige Handbrause Typ Aktiva für 2,50 Dollar angeboten. Das deckt nicht einmal unsere Produktionskosten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Für den Handwerker ist ja nicht immer so einfach, die Plagiate auf Anhieb zu erkennen?
Richard Grohe: Ja, das ist eines der Informationsprobleme. Bisher hat man ja immer gemeint, dass die chinesischen Kopien ein Problem des Luxusbereiches sind, sich also auf Handtaschen, Uhren, Parfums usw. erstrecken. Wir sehen nun, dass diese Verbreitung enorm zugenommen hat und zusehends auch die Sanitärindustrie berührt. Was hier passiert, ist eine große Schweinerei! Dabei kann man den Einkäufern aus dem Handel noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Die Anzahl der angebotenen Plagiate ist enorm groß. Wenn ein Einkäufer beispielsweise für einige hundert Produkte verantwortlich zeichnet, so kann er nicht alle Produkte recherchieren. Zudem hat er viele Produkte gar nicht selbst in der Hand gehabt. Es ist also bei weitem nicht so, dass böswillig Raubkopien - weil billig - gekauft werden.
Original (jeweils rechts) und Fälschung am Beispiel einer Handbrause der "Aktiva-Klasse". |
IKZ-HAUSTECHNIK: Abschließende Frage. Was soll der Handwerker tun, wenn er im Handel auf Plagiate trifft?
Richard Grohe: Am besten die Rechnung behalten, wo eingekauft, wann eingekauft - und uns informieren. Wir gehen der Sache dann nach und leiten die entsprechenden juristischen Schritte ein.
B i l d e r : IKZ-HAUSTECHNIK, Arnsberg
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