IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 13/2003, Seite 56 ff.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Motivation eine ständige Herausforderung im Handwerksbetrieb
Teil 2: Führung von Mitarbeitern
Werner Neise
Das wertvollste Kapital eines Handwerksbetriebes sind seine Mitarbeiter. Sie beeinflussen maßgeblich den Erfolg des Unternehmens. Nur zufriedene und motivierte Mitarbeiter arbeiten gerne im Betrieb. Und wer gerne arbeitet ist leistungsfähig und kreativ. Dies haben zwar die meisten Handwerksbetriebe erkannt, dennoch tun sich viele schwer, diese Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.
Wie Sie in Ihrem Betrieb motivieren können, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die in jedem Betrieb anders sind. Zwar haben Menschen in Bezug auf das Motiviert sein vieles gemeinsam, aber was sie speziell in der Situation motiviert, hängt nicht nur von ihrer Persönlichkeit, sondern auch vom Umfeld ab.
Sich als Chef richtig verhalten
Motivation ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben und so hängt es im Wesentlichen vom Verhalten des Chefs oder der Chefin ab, wie sich die Motivation im Betrieb entwickelt und gestaltet. Natürlich können auch Chefs nicht alle Faktoren beeinflussen (z.B. Arbeitsmarktlage), aber es liegt eben doch an Ihnen, die Zusammenarbeit im Betrieb so zu gestalten, dass sich alle Beschäftigten bei der Arbeit wohlfühlen. Der Führungsstil eines Vorgesetzten kann das Motivationsklima des Betriebes nachhaltig gestalten. Führung heißt aber nicht nur, dass die Arbeit in möglichst kurzer Zeit so gut wie möglich erledigt wird. Es gehört auch zu den Führungsaufgaben, sich um die Mitarbeiter und ihre Probleme zu kümmern. Als Chef oder Vorgesetzter haben Sie zwei große Aufgabenbereiche zu erfüllen:
- Die arbeitsbezogenen Aufgaben, wie Arbeitseinteilung, Anweisungen, Hilfestellung, Arbeitsbesprechungen und Kontrolle.
- Die mitarbeiterbezogenen Aufgaben, wie Probleme der Mitarbeiter wahrnehmen, erkennen und ansprechen, ein gutes Betriebsklima schaffen, neue Mitarbeiter einarbeiten und integrieren, Mitarbeiter fördern und entwickeln, Gespräche führen und Konflikte lösen.
Beachten Sie folgende Grundsätze
- Leiten Sie die Arbeit so an, dass jeder das Gefühl hat, gute Arbeit geleistet zu haben.
- Kritisieren Sie nicht nur, sondern loben Sie auch.
- Stellen Sie klare und gut begründbare Anforderungen.
- Geben Sie klar verständliche Anweisungen, jeder muss genau wissen, was zu tun ist.
- Zeigen Sie menschliches Interesse an Ihren Mitarbeitern.
- Bemühen Sie sich um eine gute Balance zwischen Konsequenz und Flexibilität. Überlegen Sie sich genau, was Sie konsequent einhalten wollen oder müssen und wann Sie großzügig und flexibel reagieren können. Beides ist in der Führung wichtig.
Die Bedürfnisse der Mitarbeiter erkennen und beachten
Es ist deutlich geworden, dass die Motivation des Menschen von seinem Wohlbefinden und seiner Zufriedenheit abhängt. Wem es schlecht geht, wer unzufrieden ist, fühlt sich lustlos und antriebsschwach. Die Arbeits- und Leistungsmotivation eines Mitarbeiters im Betrieb ist deshalb stark von seiner Arbeitsplatzzufriedenheit abhängig. Diese Zufriedenheit mit der Arbeit und die positive Bewertung des Betriebes, in dem jemand arbeitet, hängt im Wesentlichen davon ab, ob und wie seine Bedürfnisse am Arbeitsplatz befriedigt werden.
Wenn Sie erreichen wollen, dass sich die Mitarbeiter in Ihrem Betrieb wohlfühlen und mit dem Arbeitsplatz bei Ihnen zufrieden sind, müssen Sie die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen und auf die Befriedigung von wesentlichen Bedürfnissen achten.
Welche Bedürfnisse haben Mitarbeiter am Arbeitsplatz?
Als Grundlage für die Zusammenstellung dieser Bedürfnisse ist die Bedürfnistheorie des amerikanischen Psychologen Abraham H. Maslow hilfreich. Maslow ging davon aus, dass der Mensch seine Persönlichkeit nur gesund entwickeln kann, wenn er psychische Kraft und Motivation aus der Befriedigung zentraler Bedürfnisse ziehen kann. Die Erhaltung und damit die Motivation ist also ein wichtiger Baustein zur Erhaltung unserer Lebenskraft und Gesundheit. Den Arbeitsplätzen kommt dabei zentrale Bedeutung zu, weil der Mensch die meiste Zeit seines erwachsenen Lebens am Arbeitsplatz verbringt.
Maslow benennt in seiner Theorie fünf Bedürfnisbereiche, die für den Menschen wichtig sind. Es müssen jedoch nicht alle jedem Menschen gleichermaßen bewusst sein. Deshalb ordnet Maslow diese Bedürfnisse in einer Hierarchie an. Wenn nämlich besonders vordringliche Bedürfnisse nicht befriedigt sind, können die anderen wichtigen Bedürfnisse in den Hintergrund treten und unbewusst werden. Dennoch spürt dieser Mensch einen Mangel und lebt mit einem Defizit, das sich auch in seiner persönlichen Entwicklung bemerkbar macht. Dieser Gedanke wird bei der Darstellung der fünf Bedürfnisse (siehe Bild) deutlicher.
Die menschlichen Bedürfnisse
Die physiologischen Bedürfnisse
Als erstes hat der Mensch natürlich Bedürfnisse, die mit der Erhaltung seiner physischen Existenz zusammenhängen. Jede Person braucht Nahrung (Essen und Trinken) sowie Erholung (Ruhe, Pausen und Schlaf), um die physische Kraft des Lebens zu erhalten. Die Bedürfnisse nach Erholung und Essen kehren zudem im Tagesrhythmus regelmäßig wieder und fordern immer aufs Neue ihre Befriedigung. Wenn sie gestillt sind, treten sie in den Hintergrund und wir haben Kraft und Lust, etwas zu tun. Wenn wir hungrig und müde sind, werden wir lust- und kraftlos.
Die Sicherheitsbedürfnisse
Die Absicherung unserer Existenz ist ebenfalls ein wesentliches Bedürfnis. Wer ständig darüber nachdenken muss, ob er oder sie morgen noch einen Arbeitsplatz hat, verschwendet viel Kraft. Das Bedürfnis nach Sicherheit hat aber noch andere Aspekte, die auch am Arbeitsplatz wichtig werden. Menschen wollen auch Verhaltenssicherheit haben, sie wollen die Regeln kennen, die beispielsweise die Zusammenarbeit gestalten. Sie wollen wissen, was von ihnen erwartet wird, welche Anforderungen an sie gestellt werden und welches Verhalten im Betrieb erwartet wird. Gerade neue Mitarbeiter empfinden oft die Unsicherheit der ersten Tage als belastend. Ein gewisses Maß an Routine, regelmäßige Abläufe und Rituale sind deshalb für die meisten Menschen angenehm und befriedigend.
Die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und sozialem Kontakt
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Nicht nur für seine Existenzerhaltung, sondern auch für sein Wohlbefinden benötigt er andere Menschen und ein Zugehörigkeitsgefühl zu Gemeinschaften. Wenn wir uns mit anderen Menschen verbunden fühlen, entstehen Gefühle der Sicherheit und Geborgenheit. Diese Bedürfnisse werden zum einen durch die Familienzugehörigkeit befriedigt, aber der Mensch insbesondere in modernen Gesellschaften benötigt auch eine Integration in die öffentliche Gemeinschaft. Dies kann auch über die Zugehörigkeit zu Verbänden, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen erfolgen. Doch vor allem die Berufsarbeit integriert den Menschen in das Leben der Gemeinschaft und lässt ihn seinen Teil zu der Funktion der Gemeinschaft beitragen. Der Arbeitsplatz hat für den Mitarbeiter deshalb auch eine integrative Funktion. Über das Zugehörigkeitsgefühl fühlt der Mitarbeiter sich eingebunden, verpflichtet, verantwortlich, aber auch wichtig und akzeptiert. Für den Menschen drückt sich dieses Bedürfnis ganz konkret in dem Kontakt mit Kollegen, Gespräche am Arbeitsplatz, einem guten Betriebsklima und einem Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb aus.
Das Bedürfnis nach Anerkennung
Lange ist unterschätzt worden, dass der Mensch auch ausgeprägte ICH-Bedürfnisse hat, die vor allem in modernen Gesellschaften zum Tragen kommen, wenn andere Bedürfnisse weitgehend befriedigt sind. Dann werden sich die Menschen besonders bewusst, dass sie geachtet, anerkannt und für wichtig genommen werden wollen. In ihrem Selbstwertgefühl sind alle Menschen von den Reaktionen der Mitmenschen abhängig. Jede Person braucht Rückmeldung, Bestätigung, ein Lob für gute Arbeit und lieber eine Kritik als gar kein Wort. Deshalb fühlen sich Menschen demotiviert, wenn sie das Gefühl haben, dass der Wert ihrer Arbeit nicht anerkannt wird, oder dass gute Leistung als selbstverständlich hingenommen wird.
Bedürfnisse nach Selbsterfüllung
Letztlich haben Menschen auch ein Bedürfnis, sich selbst zu entfalten und zu entwickeln. Viele Menschen sind der Überzeugung, dass dieses Bedürfnis nur in der Freiheit befriedigt werden kann, indem sie ihren Hobbys nachgehen, Urlaub machen, Zeit für sich selbst, die Familie und Freunde haben. Selbsterfüllung heißt aber nicht nur, seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen, vielleicht sogar seinen Egoismen nachzugeben, sondern Selbsterfüllung ist auch im Rahmen von Rollen und beruflichen Tätigkeiten möglich. Wir können uns in der Gewerkschafterrolle, in der Elternrolle, in der Vereinsrolle, im Sport erfüllen, aber auch im Beruf. Gerade handwerkliche Berufe bieten mehr als Büroberufe die Möglichkeit, sich selbst in der Tätigkeit zu entdecken und zu entfalten. Vor allem wenn man seine Ideen, seine Fantasien und seine Fähigkeiten einsetzen muss, um an einem Produkt selbst zu arbeiten, kann man das Gefühl der Selbsterfüllung erleben.
Ein Praxisbeispiel
Sie haben einen jungen Mitarbeiter, der wenig Bereitschaft zeigt, selbstständig zu arbeiten und mitzudenken, sie müssen ständig genaue Vorgaben machen und auf alles selbst achten. Das stört und Sie fragen sich, was Sie tun können. Worin könnte das Verhalten des Mitarbeiters begründet sein? Sie sprechen den Mitarbeiter an, aber das Gespräch ist unergiebig, denn der Mitarbeiter weicht dem Problem aus.
Sie wissen, dass er aus einer wohlbetuchten Familie stammt, in der er sich wohl fühlt. Er bekommt von seinen Eltern viel Unterstützung für seine materiellen Wünsche. Er fährt ein großes Auto und kauft sich allerhand technische Gegenstände. Wenden Sie die Bedürfnispyramide an, stellen Sie fest, dass die materiellen Bedingungen gut erfüllt sind. Eigentlich wird es ihm finanziell von seinen Eltern zu leicht gemacht. Die Berufsarbeit ist kein Ansporn für ihn, er wählt den bequemeren Weg. Durch die Einbindung in der Familie müsste sich der junge Mann auch sicher fühlen, aber er hat wohl kaum das Gefühl, von seinem selbst verdienten Geld auf eigenen Füßen stehen zu können, wenn er seine Ansprüche nicht zurückschraubt. Er wohnt noch zu Hause und dürfte Angst haben, sich abzulösen.
Im Betrieb wird er von den älteren Kollegen eher gemieden und nicht ernst genommen; er hat zu viele "Flausen im Kopf", zu hohe Ansprüche und zu wenig Können, so die Kollegenmeinung.
Aber da gibt es noch ein Problem. Als Sie genauer über seine Situation im Betrieb nachdenken, fällt Ihnen auf, dass sein Start im Betrieb nicht günstig war. Als er neu in den Betrieb kam, hatten Sie sehr viel zu tun und haben sich wenig um ihn gekümmert. Es ist zu vermuten, dass die Kollegen ihm die Arbeit nicht richtig gezeigt haben. Ihnen ist ein paar Mal aufgefallen, dass sie ihn bewusst haben Fehler machen lasen und ihn dann verspottet haben. Sie haben in diesem Fall nicht selbst darauf geachtet und damit das Problem mitverursacht. Vermutlich fühlt er sich auch deshalb immer noch unsicher in der Arbeit und hat seine eigene Leistungsfähigkeit nie erfahren. Zudem ist er mit Abstand der Jüngste im Betrieb und hat keinen Ansprechpartner für seine Interessen. Weder seine sozialen Bedürfnisse noch seine Anerkennungsbedürfnisse können auf diese Weise im Betrieb erfüllt werden.
Die Lösung: Sie beschließen, erneut mit ihm ein Gespräch zu führen und zu vereinbaren, dass sich in der Zusammenarbeit etwas ändern soll. Sie besprechen mit ihm, einen abgesteckten kleinen Arbeitsbereich, für den er alleine zuständig sein soll. Sie bieten ihm an, ihn in der ersten Zeit zu unterstützen und ihn dann zunehmend allein arbeiten zu lassen. So wird er langsam das Übernehmen von Verantwortung und Eigeninitiative lernen und seine Position im Betrieb mit der Zeit positiv verändern.
Integration von Bedürfnissen in den Betrieb
Um herauszufinden, wie sich die einzelnen konkreten Bedürfnisse in Ihrem Unternehmen auf die Motivation Ihrer Mitarbeiter auswirken, sollten Sie sich folgende Fragen beantworten:
Physiologische Bedürfnisse
- Wie ist der Verdienst in ihrer Branche und in ihrem Betrieb?
- Sind die Mitarbeiter mit der Anzahl der Urlaubstage zufrieden?
- Ist die Arbeitszeitregelung für die Mitarbeiter gut geregelt?
- Wie ist die Pausenregelung? Wird sie den Bedürfnissen der Mitarbeiter ebenso gerecht wie den betrieblichen Erfordernissen?
Sicherheitsbedürfnisse
- Haben Mitarbeiter Angst um den Arbeitsplatz?
- Wie sind die Sozialleistungen des Betriebes?
- Achten Sie konsequent auf die Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen?
- Sind die Kompetenzen gut geregelt und abgegrenzt?
- Wissen die Mitarbeiter, dass Sie sie nicht vor Kunden und Kollegen bloßstellen?
Soziale Bedürfnisse
- Haben die Mitarbeiter ein Zugehörigkeitsgefühl zu Ihrem Betrieb?
- Identifizieren sie sich mit dem Betrieb?
- Haben die Mitarbeiter ein vertrauensvolles Verhältnis zu Ihnen?
- Gibt es in Ihrem Betrieb regelmäßige Besprechungen?
- Gibt es Rituale der Gemeinsamkeit (Betriebsfeste, Weihnachtsfeiern etc.)?
- Zeigen Sie auch Verständnis für private Dinge der Mitarbeiter und nehmen gelegentlich darauf Rücksicht?
Bedürfnisse nach Anerkennung
- Wissen Ihre Mitarbeiter, ob und wann Sie mit Ihnen und Ihrer Arbeit zufrieden sind?
- Loben Sie angemessen?
- Ist Ihre Kritik fair und an der Sache orientiert?
- Akzeptieren Sie die Persönlichkeit der Mitarbeiter?
- Fördern Sie alle Mitarbeiter durch geeignete Weiterbildungsmaßnahmen?
Bedürfnisse nach Selbsterfüllung
- Identifizieren sich die Mitarbeiter mit dem Gewerk und dem Beruf?
- Macht ihnen die fachliche und handwerkliche Tätigkeit Spaß?
- Kennen Sie die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter?
- Haben Ihre Mitarbeiter ein gewisses Maß an Selbstbestimmung in der Arbeit?
- Können Ihre Mitarbeiter in einem gewissen Umfang das Betriebsgeschehen mitgestalten?
Fazit
Wenn Sie als Chef die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter berücksichtigen, haben Sie Mitarbeiter, die mehr psychische und physische Kraft besitzen, die weniger krank sind, die motiviert an die Arbeit gehen, die dementsprechend mehr leisten und zufriedener sind.
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