IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2003, Seite 38 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Doppelfunktion

Fußbodenheizung, die auch kühlen kann

Prof. Dr.-Ing. Andreas Henne*

Die Doppelfunktion eines thermisch aktiven Bodensystems (Heizen und Kühlen) ist eine durchaus sinnvolle Anwendung und wird in letzter Zeit auch häufig praktiziert. Im Weiteren sollen die zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen eingehend erläutert werden.

Allgemeines

In der technischen Gebäudeausrüstung führt man thermische Lasten (Wärme und Kälte) häufig über eine Kombination aus statischer Fläche und Luft ab. Man strebt somit raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) mit minimal erforderlichen Volumenströmen an, ausgelegt auf den hygienisch erforderlichen Außenluftbedarf. Im Kühlfall kommen aufgrund günstiger wärmeübertragender Eigenschaften häufig Kühldecken zum Einsatz. Alternativen sind über Kühlwände, Kühlsäulen oder aber Kühlböden gegeben. Da sämtliche Systeme sowohl mit freier (ohne Ventilation) als auch erzwungener Konvektion betrieben werden können, existiert mittlerweile eine Vielzahl von Produkten.

Bild 1: Veloursteppich in der Prüfkabine.

Bei der Anwendung von Kühldecken kommt es aus Behaglichkeitsgründen im Raum oft zur Installation von drei Systemen: Kühldecke, Raumlufttechnik und Heizkörper. Manche Betreiber heizen zwar auch mit der Kühldecke, dieses ist aber aus der Sicht des Fachplaners nicht zu befürworten. Die Wärme hängt zum einen im Deckenbereich, was vom energetischen Standpunkt uneffizient ist. Zum anderen, und das ist das eigentliche k.o.-Kriterium, erzeugen diese Decken schon bei geringer Temperaturdifferenz beim Nutzer ein thermisches Unbehagen. Sie werden daher auch nur als Strahlungsheizung großflächiger Hallen eingesetzt. Der Mensch behält in der Tat lieber einen "kühlen Kopf".

Drei Systeme (Heizkörper, Kühldecke, RLT) sind jedoch äußerst kostenintensiv. Was die Branche einerseits erfreut, ist jedoch für den Bauherrn selten bezahlbar. Dieser Aspekt ist insbesondere in der Wettbewerbsphase von Bedeutung. Derjenige, der nur zwei Systeme präsentiert, hat häufig die wirtschaftlichere Variante und bekommt nicht selten den Zuschlag. Der thermisch aktive Boden mit seiner Doppelfunktion heizen und kühlen kombiniert mit RLT ist eine solche kostengünstige Alternative und soll im weiteren Verlauf näher betrachtet werden.

Leistungen

Auf die Leistungen von Fußbodenheizsystemen soll hier, da weitläufig bekannt, nur am Rande eingegangen werden. Die Leistungsabgabe setzt sich, da die Luft physikalisch bedingt eine Auftriebsströmung vollzieht, zu gleichen Teilen aus Konvektion und Strahlung zusammen:

Der Wärmehaushalt des Menschen akzeptiert dieses System und deklariert es als behaglich. Die Leistung ist begrenzt über die maximalen Oberflächentemperaturen. Diese liegen gemäß DIN EN 1264 bei:

Tabelle 1: Konsistenz, Masse und Wärmewiderstände der untersuchten Bodenbeläge
 

Maße
[cm]

Materialart

Material-
stärke
[mm]

Wärmedurch-
lasswiderstand
1/l
[m2 · K/W]

Veloursteppich

430 x 500

Polyamidoberfläche, Polypropylenvlies mit Textilrücken

7,6

0,123

Fliese, weiß

15 x 15

Steinzeug-Keramik

8

0,662

Fliese, schwarz

15 x 15

Steinzeug-Keramik

6

0,662

Trittschalldämmung
(ohne Bodenbelag)

15 x 15

PE-Folie mit PE-
Schaumbeschichtung

1,2

In Kombination: 0,106

Laminat

128,7 x 19,5

HDF-Trägerplatte mit Melaminharzschicht

7

 

Letztlich münden diese Temperaturen in Abhängigkeit von Verlegeabstand und Bodenbelag für Aufenthaltsbereiche in einen maximal sinnvollen Wärmestrom von etwa 100 W/m2. Der Wärmebedarf in Alt- und Neubau (ca. 50 bis 100 W/m2) kann somit abgedeckt werden.

Für den Kühlfall gestaltet sich die Sachlage anders. Die Luft im Bodenbereich ist kälter als die sonstige Raumluft und somit "physikalisch unmotiviert" eine Auftriebsströmung zu vollziehen. Das heißt, dass die Leistungsabgabe im Kühlfall quasi ausschließlich auf Strahlung basiert (konvektiver Anteil < 10%):

Vergleichbar dem Quellluftsystem stellt sich eine Auftriebsströmung erst an Wärmequellen, z.B. dem Menschen, ein. Die Leistung ist auch in diesem Fall über die maximale Oberflächentemperatur begrenzt. Sie liegt aus Behaglichkeitsgründen bei ca. 20°C, da gemäß DIN 1946 T 2 in 0,1 m Höhe eine Lufttemperatur von 21°C nicht unterschritten werden darf. Des Weiteren muss sie über dem Taupunkt des Raumzustandes liegen. Am TGA-Institut der Fachhochschule Köln existiert ein Kühlflächenprüfstand entsprechend DIN 4715. Innerhalb einer Diplomarbeit wurde dort das Leistungsspektrum von Kühlböden in Abhängigkeit unterschiedlicher Bodenbeläge aufgenommen. Die logarithmische Untertemperatur definiert sich hierbei aus der raumseitigen Bezugstemperatur t, der Fluideintrittstemperatur t 1 sowie der Fluidaustrittstemperatur t2 des Kühlmediums:

Bei der Verwendung von statischen Kühlflächen hat es sich eingebürgert, die Leistung für ein Dt von 10 K als so genannte "normierte Untertemperatur" zu bezeichnen. Während Tabelle 1 die Eigenschaften der untersuchten Bodenbeläge wiedergibt, zeigt Bild 1 exemplarisch einen in der Prüfkabine untersuchten Kühlboden mit Veloursteppich. Bild 2 belegt, dass mit keramischen Bodenbelägen eine Leistung von maximal 30 W/m2 abgeführt werden kann. Da Kühllasten von 100 W/m2 keine Seltenheit sind, ist der Kühlboden nur additiv einsetzbar. Die restliche Leistung muss über RLT abgeführt werden.

Bild 2: Kühlleistungen einiger Oberflächenbeläge bei einem Massenstrom von 180 kg/h.

Weitere Randbedingungen

Bei der Verwendung des Kühlbodens sind einige Rahmenbedingungen zu beachten:

a) Das Vorlauf-/Rücklauftemperaturniveau ist aufgrund des zusätzlichen Wärmewiderstandes (Fußbodenaufbau) im Vergleich zur Kühldecke um ca. 2 K abgesenkt. Das führt zu einer minimal sinnvollen Vorlauftemperatur von ca. 13°C bei 15°C im Rücklauf.

b) Die Betriebsweise von Kühlböden ist ohne RLT-Anlage zur Vermeidung von Kondensation erheblich eingeschränkt (insbesondere bei schwüler Witterung, Wärmegewittern etc.). Zur Entfeuchtung des Raumes ist deshalb eine RLT-Anlage sinnvoll. In jedem Fall ist ein Taupunktwächter erforderlich.

c) Eine klare Differenzierung zwischen Heiz-/Kühlfall ist über die Regelung vorzunehmen, wie Bild 4 anhand eines Prinzipschemas darstellt.

d) Zwecks größtmöglicher Leistung im Kühlfall sollte der Verlegeabstand relativ klein gewählt werden.

Bild 3: Abgeführte Kühllast bei unterschiedlichen Bodenbelägen.

Fazit

In unseren Breitengraden sollte man Wärme- und Kälteversorgungskonzepte am "Worst Case" (Extremfall) orientieren, und dieser orientiert sich in Deutschland (EnEV hin oder her) immer noch am Heizfall. Ein Fußbodenheizsystem zählt dabei für einen Großteil des Jahres zu den thermisch akzeptabelsten Systemen. Infolge möglichst geringer Investitionskosten bei weitestgehend thermischer Behaglichkeit macht es dabei durchaus Sinn, die Anlage im Sommer zu Kühlzwecken mit Kaltwasser zu speisen. Die Leistungsabgabe von maximal 30 W/m2 erfolgt dann fast ausschließlich über Strahlung. Anlagen dieser Art sollten aus Entfeuchtungszwecken und zur Abfuhr der restlichen Kühllast in Kombination mit einer raumlufttechnischen Anlage betrieben werden. Behaglichkeitsprobleme infolge Fußkälte stellen sich eigentlich nicht ein, da die Anlagen ähnlich dem beliebten Quellluftsystem betrieben werden. Dieses bedeutet, dass in 0,1 m Höhe eine Lufttemperatur von 21°C nicht unterschritten werden darf. Als Bodenbelag sollte eine Fliese verwendet werden.

Bild 4: Hydraulik- und Regelschema einer kombinierten Flächenheizung und -kühlung.


L i t e r a t u r :
[1] DIN EN 1264 Teile 1 - 3: Fußbodenheizung – Systeme und Komponenten.
[2] DIN 1946-2. Raumlufttechnik – Gesundheitstechnische Anforderungen.
[3] DIN 4715-1: Raumkühlflächen.
[4] Barth, C.: Leistungsvermögen eines Kühlbodens in Abhängigkeit des Oberflächenwiderstandes. Diplomarbeit am Institut für TGA der FH-Köln.
[5] Prospektunterlagen: WIRSBO-VELTA GmbH & CO KG, Norderstedt.
[6] DIN ISO 7739: Ermittlung des PMV und des PMD und Beschreibung der Bedingungen für thermische Behaglichkeit.


*  Prof. Dr.-Ing. Andreas Henne, Fachhochschule Köln, Fakultät Anlagen-, Energie- u. Maschinensysteme, Institut TGA-Klimatechnik


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