IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/2003, Seite 48 ff.
RECHT-ECK
Entwicklung des Baurechts zu verschiedenen Einzelproblemen in den Jahren 2001/2002Teil 1RA Friedrich-W. Stohlmann |
Werden Stundenlohnarbeiten abgerechnet, ist der Streit häufig vorprogrammiert. Die mangelnde Transparenz der Arbeitszeit lässt viele Auftraggeber an der Redlichkeit der Abrechnung des Unternehmers zweifeln. Wenn dann nicht gezahlt wird und die Sache vor Gericht landet, muss der Unternehmer substantiiert zu seinen Leistungen vortragen. Dazu hat das Berliner Kammergericht aktuell entschieden, wann der Vortrag zu Stundenlohnzetteln prozessual ausreichend ist: Dieser muss Tatsachen enthalten, aus denen sich die jeweils geleisteten Arbeitsstunden, die eingesetzten Personen nebst ihrer Funktion, die Art des Einsatzes und die konkret ausgeführten Arbeiten ergeben; Zeiterfassungsbögen, aus denen sich lediglich entnehmen lässt, welcher Arbeiter an welchem Tag für wie viele Stunden auf der Baustelle gearbeitet hat, reichen nach Auffassung des Kammergerichts Berlin nicht aus. Wenn – wie in dem vom Kammergericht entschiedenen Streitfall – die VOB/B vereinbart worden ist, müssen gemäß § 15 VOB/B werktäglich oder wöchentlich Stundenlohnzettel eingereicht werden, die den oben beschriebenen Anforderungen einer genauen Arbeitsbezeichnung (wo, wann, von wem) genügen.
Praxishinweis:
Das Urteil zeigt wieder einmal den Unterschied zwischen Theorie und Praxis, da diese Anforderungen auf dem Bau fast nicht realisierbar sind. Im Prozess hat der Anwalt des Unternehmens darauf hinzuwirken, dass konkret zu den Arbeiten vorgetragen wird, was bei schludrigen Stundenlohnzetteln Monate oder Jahre später natürlich oft gar nicht mehr möglich ist. Falls zusätzlich ein Bautagebuch geführt wurde, kann ein Blick in diese Unterlagen helfen. Ist die VOB/B vereinbart, so hat der Auftraggeber nach § 15 Nr. 3 VOB/B die vorgelegten Stundenlohnzettel sofort zu prüfen und innerhalb von 6 Werktagen zurückzugeben, ansonsten gelten die Stundenlohnarbeiten als anerkannt. Andernfalls ist der Auftraggeber gezwungen nachzuweisen, dass die Angaben auf den Stundenlohnzetteln falsch sind und dass er die Fehlerhaftigkeit nicht gekannt hat.
Mit einem äußerst kuriosen Fall hatte sich das OLG Celle zu befassen:
Die Abnahme von Dachdeckerleistungen war im Jahre 1986 erfolgt. Danach wurde etwa 6 Jahre lang nachgebessert, bis es 1992 zu einer weiteren Abnahme kam. Erst 1996 stellte der Dachdecker die Schlussrechnung. Vereinbart war die VOB/B.
Der Bauträger berief sich auf Verjährung bzw. Verwirkung. Das sah das Gericht anders. Das OLG kam zu der Auffassung, dass die Verjährung frühestens am 31.12.1997 begonnen habe, weil die Schlussrechnung nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B erst 2 Monate nach Zugang fällig wurde. Die Verjährung setzt bekanntlich Fälligkeit des Anspruchs voraus, so dass sie vorher nicht beginnen kann. Diese Sonderheit der VOB wurde von dem OLG Celle noch einmal herausgestellt. Das OLG war außerdem der Meinung, dass keine Verwirkung vorliege. Der Bauträger habe trotz der jahrelangen Nachbesserungen nicht darauf vertrauen können, dass der Dachdecker seine Zahlungsforderung nicht mehr geltend machen würde. Der Dachdecker obsiegte mit einem großen Teil seiner Forderung in diesem kuriosen Fall, der sich aber nur bei Vereinbarung der VOB Teil B mit der Fälligkeitsvoraussetzung der Schlussrechnungslegung erklären lässt.
Dass das Baurecht in rechtlicher Hinsicht immer komplizierter wird, ist nichts Neues. Ebenfalls nicht neu ist die Prüfungs- und Hinweispflicht des Auftragnehmers für mangelhafte Arbeiten des Vorunternehmers. Dies ergibt sich bereits aus § 4 Nr. 3 VOB Teil B und ist dort genau konkretisiert worden.
Neu ist aber die immer präzisere Definition der Rechtsprechung für bestimmte Gewerke oder Situationen in diesem Bereich. Das OLG Bremen hat zu dieser Problematik eine ausführliche Entscheidung getroffen, die man fast schon als Schulfall bezeichnen kann. Der Bauherr wollte sozusagen nicht auf Sand bauen und ließ den Erstunternehmer große Mengen des Bodens unter dem neu zu errichtenden Haus austauschen. Der zweite Unternehmer führte dann die Maurer- und Betonarbeiten sowie die Verblendschalung aus. An diesen Gewerken kam es nachfolgend zu umfangreichen Schäden (Rissbildung etc.). Beide Unternehmer wurden als Gesamtschuldner auf Schadensersatz nach § 635 BGB a. F. in Anspruch genommen. Das Gericht hatte keine Bedenken, auch den Zweitunternehmer zu verurteilen. Trotz des BGB-Vertrages habe eine umfangreiche Prüfungs- und Hinweispflicht bestanden. Der in § 4 Nr. 3 VOB Teil B niedergelegte Grundsatz sei lediglich eine Konkretisierung der auch im BGB-Werkvertrag geltenden Prüfungspflicht, die sich letztlich aus dem Grundsatz von "Treu und Glauben" ergebe. Jeder Werkunternehmer, der seine Arbeit im engen Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen Unternehmers auszuführen habe, müsse deshalb prüfen und ggf. auch Erkundigungen dafür einziehen, ob die Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile, eine geeignete Grundlage für sein Werk darstellen und keine erfolgskritischen Eigenschaften besitzen. Die Grenze dieser Pflicht ergebe sich aus dem Grundsatz des Zumutbaren. Maßgeblich sei deshalb der Einzelfall mit dem vom Unternehmen zu erwartenden Fachwissen, seiner Kenntnis vom Informationsstand des Vorunternehmers und überhaupt allen Umständen, die als bedeutsam erkennbar seien.
Im Streitfall hatte der Sachverständige festgestellt, dass die Bodenaustauscharbeiten mangelhaft waren. Das Gericht schloss daraus, dass der Zweitunternehmer sich nicht auf eine einfache Prüfung des neuen Bodens oder eine Belastungsprobe verlassen durfte, sondern die Verdichtung gründlich hätte prüfen müssen oder – wenn er das nicht konnte – einen Sachverständigen hätte beauftragen müssen. Abgeleitet wird diese doch sehr weitgehende Pflicht daraus, dass die Gründung eines Gebäudes zu den wichtigsten Maßnahmen überhaupt gehört, da alles andere im wahrsten Sinne des Wortes darauf aufbaut.
In diesem Zusammenhang hat das OLG Hamm eine interessante Entscheidung zu den Pflichten eines Parkettlegers gefällt. Der Bauherr ließ im Neubau teures Parkett über eine Fußbodenheizung verlegen. Das Parkett wies nach einem Jahr Fugen von 0,5 bis 1,6 mm Breite auf. Mit der Vorschussklage hatte der Bauherr nur zu 50% Erfolg. Das Gericht stellte zunächst fest, dass für Parkettverlegungen in einem Neubau die 5-Jahres-Frist des § 638 BGB a. F. gilt, da es sich um Arbeiten am Bauwerk handelt. Die beschriebenen Fugen seien ein Fehler, der u.a. – deshalb die Teilabweisung der Vorschussklage – mit unterbliebenen Hinweisen des Parkettlegers zusammenhänge.
Dieser habe die ihm nach § 242 BGB obliegenden Prüfungs-, Anzeige- und Hinweispflichten verletzt, weil er die Aufheizprotokolle des Heizestrichs nicht geprüft und den Bauherrn nicht vor überhöhten Oberflächentemperaturen beim Betrieb der Fußbodenheizung gewarnt habe.
Auf der gleichen Linie liegt der BGH mit einem Urteil, das einen Fliesenleger betrifft. Auch der Fliesenleger hat die Vorleistungen anderer Unternehmer zu prüfen; diese Pflicht werde nicht durch DIN 18352 Abschnitt 3.1.3 (Fassung 1985) abschließend umschrieben, da dort nur Beispiele aufgezählt würden, bei deren Vorliegen der Handwerker Bedenken (unbedingt) anmelden müsse. Es ging im vorliegenden Fall ebenfalls um Estricharbeiten und eine eingebaute Fußbodenheizung. Die Vorlage eines Aufheizprotokolls ist in DIN 18356 Abschnitt 3.11 geregelt. Auch hier hatte der Fliesenleger seine Nebenpflichten in diesem Sinne verletzt, weil er die Aufheizprotokolle außer Acht gelassen hat.
Nach Ansicht des OLG Dresden ist eine AGB-Klausel, nach der ein Nachunternehmer (NU) an den Generalunternehmer (GU) "eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,3% der Bruttowertabrechnungssumme pro Kalendertag, insgesamt maximal 10% dieser Summe zu zahlen" hat, wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam. Begründet wird dies vor allem damit, dass 0,3% pro Kalendertag vereinbart wurden, was umgerechnet auf Arbeitstage einem Tagessatz von 0,42% pro Tag bedeute. Der BGH hat in einer frühen Entscheidung als Höchstsatz bei Arbeitsverzug 0,3% je Arbeitstag zugelassen. 0,5% pro Arbeitstag wurden vom Bundesgerichtshof schon als unangemessen und überhöht angesehen. Im Urteil des OLG Dresden wird auch angedeutet, dass das Gericht Bedenken bei der Berechnung aufgrund der Bruttoauftragssumme hat. Man wird hier daran denken müssen, dass bei Teilkündigungen oder nachträglich verminderten Leistungen die ursprüngliche Bruttoauftragssumme nicht mehr dem Stand der Dinge entspricht, wenn eine Vertragsstrafe zu berechnen ist. Richtiger und sicherer ist es also, wenn der Verwender von AGB sich auf die Abrechnungssumme bezieht.
Bei der Wertung, ob eine Vertragsstrafenregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam oder unwirksam ist, ist auch immer zu prüfen, ob nicht eine individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien vorliegt, die dann Wirksamkeit entfaltet. Soweit also eine zwischen den Parteien ausgehandelte Vereinbarung bezüglich der Vertragsstrafe vorliegt, steht dem Unternehmer im Falle des Verzuges mit seinen Arbeiten nicht die Möglichkeit zur Seite, sich auf Unwirksamkeit nach dem AGB-Gesetz, jetzt geregelt in §§ 305 ff BGB n. F., zu berufen. Aber auch eine individuell vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 15 % der Vertragssumme kann nach § 138 BGB als sittenwidrig und damit als unwirksam eingestuft werden.
Daher: Individuelle Absprachen bezüglich einer Vertragsstrafenregelung sind kein Freibrief. Die allgemeinen Regeln (Sittenwidrigkeit, Treu und Glauben etc.) gelten auch für solche individuell vereinbarten Vertragsbestandteile. Bei Gestaltung bzw. Prüfung solcher Vereinbarungen sollte man sich deshalb immer an den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu den AGB-Vertragsstrafen orientieren und ggf. bei eigener Formulierung solcher Vertragsstrafen nur maßvoll über diese Regelung hinausgehen.
Auch beim Pauschalvertrag und einer entsprechenden Schlussrechnung kann es zum Streit darüber kommen, ob eine vereinbarte Vertragsstrafe wirksam ist. In einem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatten die Parteien für die Durchführung von Rohbauarbeiten einen Pauschalfestpreis von 200.000,– DM und eine Vertragsstrafe von 0,2% der Bruttoschlussrechnungssumme je Kalendertag, höchstens aber 10% der nach der Schlussrechnung maßgeblichen Bruttovergütungssumme vereinbart. Im Vertrag war also geschludert worden, da die offensichtlich vorgedruckte Vertragsstrafenklausel nicht an die Pauschalvereinbarung angeglichen worden war. Als der Auftraggeber wegen Fristüberschreitung die Strafe geltend machte, wehrte sich der Auftragnehmer mit dem Einwand, es liege keine Schlussrechnung vor. Dem widersprach das OLG Düsseldorf. Der Anspruch auf die Vertragsstrafe scheitere nicht an der fehlenden Schlussrechnung, da deren Erteilung hier nicht Anspruchsvoraussetzung sei. Durch den vereinbarten Pauschalfestpreis habe die Bruttoschlussrechnungssumme von vornherein festgestanden. Im Übrigen stellte das Gericht fest, dass die Höhe der Strafe (0,2% pro Kalendertag und 10% als Höchstsatz insgesamt) keinen Bedenken unterliege, die Klausel also wirksam sei.
Anhand der Fülle von Vertragsstrafenurteilen stellt der Baujurist fest, dass Vertragsstrafen nach wie vor "in" sind. Trotzdem oder gerade deshalb müssen Auftraggeber bei Klauselexperimenten manche Kröte schlucken. So hat das OLG Düsseldorf folgende Klausel wegen AGB-Widrigkeit gekippt:
"Der Auftraggeber kann Vertragsstrafenansprüche nach Maßgabe dieser Bestimmung auch dann geltend machen, wenn ein entsprechender Vorbehalt bei der Abnahme nicht erfolgt."
Diese Formulierung widerspricht nach Auffassung des OLG Düsseldorf deutlich der gesetzlich vorgeschriebenen Notwendigkeit des Vorbehalts bei der Abnahme. Wenn eine Bestimmung in den AGB des Auftraggebers dahingehend ausgelegt werden könne, dass die Vertragsstrafe auf Schadensersatz nicht anzurechnen sei, gehe diese Unklarheit eindeutig zu Lasten des Verwenders, also zu Lasten des Auftraggebers. Daher habe der Auftraggeber keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
Darüber hinaus haben sich die Gerichte häufig mit Fragen zu befassen, die bei optischen Mängeln zu klären sind. Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, sagt der Volksmund. Die Folge ist dann häufig eine weitere Binsenwahrheit: Über Geschmack lässt sich (nicht) streiten. So auch in einem vom OLG Köln entschiedenen Fall, bei dem ein Architekt vom Bauherrn wegen optischer Mängel einer Bürohausfassade in Anspruch genommen wurde. Bei dem Objekt mit einer Bausumme von ca. 40 Mio. DM wurden die Fenster im 1. Obergeschoss niedriger als in den anderen Etagen angeordnet, d.h., sie befanden sich näher zum Boden und hatten höhere Stürze als die übrigen Fenster. Dies führte laut Bauherr zu unnatürlichen Lichtverhältnissen und natürlich einer uneinheitlichen Außenoptik.
Der Bauherr verlangte, da bauliche Änderungen nicht mehr möglich waren, die Kosten für Spezialbeleuchtung und ferner 5% Wertminderung auf die anteiligen Baukosten des betroffenen Bereichs vom Architekten. Zu Recht, was auch der BGH durch einen Nichtannahmebeschluss, bezogen auf die eingelegte Revision, bestätigte. Das Architektenwerk sei fehlerhaft, weil es wegen der optischen Mängel nicht den hier relevanten architektonisch-gestalterischen Anforderungen genügte. Optische bzw. ästhetische Beeinträchtigungen seien ein Baumangel, wenn der Schönheits- und Gestaltungsfehler die Nutzbarkeit und/oder den Wert des Objekts beeinträchtigt. Wenn es sich um ein Gebäude mit repräsentativem Charakter handelt, ist bei störenden baulichen Elementen das künstlerische und gestalterische Ermessen des Architekten überschritten mit der Folge eines Planungsfehlers.
Achtung:Die Entscheidung des OLG Köln ist nicht architektenspezifisch und gilt für andere Werkunternehmer entsprechend. Streitereien wegen optischer Mängel sind ein Dauerbrenner. Klassiker sind Unebenheiten im Putz und optische Mängel an hochwertigen Bodenbelägen. Die Minderung bei derartigen Mängeln richtet sich nicht nach den Behebungskosten, sondern ist durch eine Nutzwertanalyse und die darauf aufbauende Zielbaummethode zu ermitteln. Im Ergebnis läuft dies auf eine Minderung des marktrelevanten Verkaufswertes hinaus.
Die Raumhöhe einer Eigentumswohnung wird 5 cm niedriger als geplant ausgeführt. Die Mindesthöhe nach der Landesbauordnung hält man aber ein. Die Käufer verlangen vom Bauträger eine Minderung in Höhe von 5% des Kaufpreises. Ohne Erfolg, wie das Landgericht Mainz festgestellt hat. Eine ausdrückliche Zusicherung der Raumhöhe sei nicht erfolgt, die Bauzeichnung selbst sei nicht als Zusicherung im Sinne von § 633 Abs. 1 BGB a. F. zu sehen. Zudem enthalte der Bauträgervertrag eine Klausel, nach der geringfügige Abweichungen keine Ansprüche begründen. Aus dem eingeholten Sachverständigen-Gutachten ergebe sich zudem, dass die geringe Höhenabweichung die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtige. Dafür spiele die subjektive Sicht der Käufer keine Rolle. (Fortsetzung folgt)
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