IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2003, Seite 3


EDITORIAL


Konzentration statt Isolation

"In einer strategischen Allianz will einer der beiden Partner oder aber wollen beide sicherstellen, dass der andere keine Affäre mit einem Außenstehenden eingeht. Wir vom Kartellamt sind mehr für die freie Liebe." Wolfgang Kartte, der dem Bundeskartellamt von 1976 bis 1992 vorsaß, sprach mit diesem Slogan bildhaft aus, was auch heute in weiten Teilen den Sanitärmarkt prägt: Da gibt es erhebliche Vorbehalte gegenüber starken Kooperationen; zum Teil schon – und das widerspricht sehr deutlich der eben zitierten "freien Liebe" – Berührungsängste. Man möchte sich nicht binden, sondern lieber die Unabhängigkeit von den anderen Marktpartnern behaupten. "Konzentration" ist in der Wahrnehmung deshalb eher Schreckgespenst als Chance.

Doch beinhaltet diese Sichtweise wirklich eine Lösung für die vielfältigen geschäftlichen Problemlagen in Handwerk, Handel und Industrie? Angesichts eines ISH-Umfeldes wie dem diesjährigen, das immer vielfältiger, aber weniger überschaubar wird, kommen Zweifel auf. In einem Wettbewerb, von dem wir gelernt haben, dass nicht länger der Große den Kleinen frisst, sondern der Schnelle den Langsamen, müssen wir diese Maxime folgerichtig überdenken.

Die Anschlussfrage lautet daher: Wie stellt sich die Geschwindigkeit dar, mit der wir uns im Markt bewegen müssen, durch welche Faktoren wird sie getrieben? Um zur Antwort zu gelangen, müssen wir verschiedene Zielgruppen betrachten: Diejenigen Kunden, die heute noch bereit sind, in sanitäre Einrichtungen zu investieren, erwarten umgehende Lösungen. Sie brauchen ihren Ansprechpartner in Planung und Handwerk sofort, wenn die Grundsatzentscheidung gefallen ist. Sie wollen eine zeitnahe und fristgerechte Lieferung und Montage der Produkte.

Ähnlich ergeht es dem Handwerker, der, frisch beauftragt, nun auch das Geschäft realisieren will. Denn der Wettbewerb um Kunden hat ihn schon lange erreicht; über die reine Installation hinaus werden Serviceaspekte immer wichtiger. Dazu gehört neben der Beratungskompetenz unbedingt die unmittelbare Bedienung.

Der Großhandel wiederum verfolgt den gleichen Anspruch zu Recht gegenüber der Industrie. Hier entsteht das Dilemma, einerseits die Lagerhaltung auf ein notwendiges Minimum zurückzufahren, andererseits die Verfügbarkeit von Produkten und – nicht zu vergessen! – von Ersatzteilen zu gewährleisten.

Erstaunlicherweise gibt es im Zeitalter von Internet, Stammdaten-Austausch und EDIFACT auf diesen Baustellen noch jede Menge Verzug. Das Ergebnis: Die Industrie kann ihre Produktion noch nicht optimal auf die Nachfrage einstellen, der Großhandel hat sich nicht adäquat bevorratet, der Handwerker steht mit leeren Händen da, und der Endkunde ist frustriert. Kein Wunder, dass die heiße, innige Liebe unter den vielfältigen Marktpartnern (siehe Aussage von Herrn Kartte) merklich abkühlt.

Ein Ausweg, um das Wohlbefinden wieder zu steigern, ist in der verbesserten Vernetzung starker Partner zu finden. Die Konzentration auf wenige Schnittstellen hat viele Vorteile. Der Handwerker, der zwar das Sortiment nur einiger Markenhersteller führt, dieses aber dafür umso intensiver kennt, hat im Wettbewerb die Nase vorn. Produktkenntnis, die über jahrelange Erfahrung, intensive Außendienstbetreuung und die Teilnahme an Schulungsseminaren erworben wird, zahlt sich in der Währung "Kompetenz" doppelt aus. Wer zudem in den Genuss von gezielten Verkaufsförderungsaktionen und Kundenbindungsmaßnahmen kommt, spricht auch seine Zielgruppen noch treffender an. Und nicht zu vergessen: Das "Commitment" zu starken Marken ermöglicht einen positiven Imagetransfer. Das heißt: Die Ausstrahlung des starken Partners aus Industrie und Großhandel überträgt sich auch auf ihn. Marken stehen für bestimmte Inhalte und schaffen Vertrauen. Schließlich muss jeder Partner seine Dynamik auch durch moderne Kommunikation – gerade in Bezug auf Warenmanagement – unter Beweis stellen.

Fazit: Wer sich selbst konzentriert, wird auch "konzentrierter wahrgenommen" – und das ist wichtig im Verdrängungswettbewerb. Derjenige Marktteilnehmer, der sich rechtzeitig auf diese Anforderungen einstellt, hat die Chance, sich einen Vorsprung zu erarbeiten. "Freie Liebe" hin oder her – im Kundenverhältnis hängt die Verbundenheit jedenfalls ganz entscheidend davon ab, ob wir uns mit unserem Beziehungsgeflecht auf der Höhe der Zeit befinden.

Dr. Michael Pankow
Vorstandsvorsitzender ARGE Neue Medien


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