IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/2003, Seite 60 ff.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Umsetzung der Hartz-Vorschläge
Dokument der Unfähigkeit?
Zu den Kernaufgaben der handwerklichen Arbeitgeberverbände zählt der Dialog mit den Regierenden, mit dem Ziel, eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Betriebe des SHK-Handwerks zu erreichen.
Die IKZ-HAUSTECHNIK wird in unregelmäßigen Abständen wichtige Themenbereiche in Pro und Kontra behandeln, da der Mittelstand eine Sofortoffensive für eine neue Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik braucht.
Wir beginnen mit dem Inkrafttreten von Gesetzen zum 1. Januar 2003 (Umsetzung Hartz-Konzept).
Die beiden zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sollen nach dem Willen der Bundesregierung sicherstellen, dass die durch die Hartz-Kommission vorgeschlagene Neuordnung des Arbeitsmarktes in wesentlichen Teilen schnellstmöglich ihre Wirkung entfalten kann.
Diese Gesetze stellen zwei Kernanliegen in den Mittelpunkt: Zum einen sollen sie bessere Rahmenbedingungen für eine rasche und nachhaltige Vermittlung in Arbeit herstellen, zum anderen für mehr Brücken in Beschäftigung und die Schaffung neuer Beschäftigungsfelder sorgen.
Als konkrete Schritte zur Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission enthalten die beiden Gesetze folgende Elemente:
- Erste Maßnahmen für eine flächendeckende Einführung von Job-Centern
- Erhöhung der Vermittlungsgeschwindigkeit
- Neuausrichtung des Weiterbildungsmarktes
- Förderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
- Einrichtung von Personal-Service-Agenturen (PSA)
- Brücken in die Selbstständigkeit bauen
- Beschäftigungspotenziale im Niedriglohnbereich und in privaten Haushalten erschließen
Einrichtung von PSA und Ausbau der Zeitarbeit
Kern des Hartz-Konzepts ist die Einrichtung flächendeckender Personal-Service-Agenturen (PSA) bei allen Arbeitsämtern. Die Einrichtung von PSA, mit denen die Arbeitsämter, künftig Job-Center, einen Vertrag als freie Vermittler abschließen sollen, wird ausgeschrieben. Dabei sollen vorrangig private Arbeitsvermittler berücksichtigt werden. Diese Agenturen sollen die bei ihnen beschäftigten Arbeitslosen befristet an Unternehmen vermitteln. Sie sollen auf der Grundlage der bereits bestehenden 33 (Stand: Ende November 2002) bzw. der noch bis Ende 2003 zu erarbeitenden Tarifverträge arbeiten.
Vermittlungsgeschwindigkeit erhöhen
Das Gesetz will die Vermittlung von Arbeitslosen beschleunigen. Gekündigte müssen sich sofort beim Arbeitsamt melden. Gleichzeitig wird den Arbeitgebern eine Freistellungspflicht auferlegt. D.h., wer seinen Job verliert, soll zwischen vier und zehn Tagen Zeit bekommen, sich nach einer neuen Arbeit umzuschauen.
Die Kritik der Unternehmen setzt da an, dass die Einstellung von Arbeitslosen in sog. Personal-Service-Agenturen die Verstaatlichung der Arbeitslosigkeit bedeute. Es ist ein Irrweg, wenn die Arbeitsverwaltung und damit faktisch der Staat Arbeitslose anstellt. Neue Arbeitsplätze entstehen nicht beim Staat, sondern müssen in den Unternehmen entstehen.
Völlig verfehlt ist, ältere Arbeitslose ab 55 Jahren aus der Arbeitsvermittlung grundsätzlich herauszunehmen, nur um die Statistik zu schönen. Man darf die Erfahrung einer ganzen Generation nicht in dieser Weise missachten.
Überdies gibt es keine glaubwürdige Finanzierung für das sog. Job-Floater-Programm. Die Hartz-Kommission und die Bundesregierung jonglieren ohne Finanzierung mit Milliardenbeträgen von 20 bis zu 150 Milliarden Euro.
Die Personal-Service-Agenturen führen zu staatlich organisierter Leiharbeit, obwohl es eine große Zahl etablierter, wirtschaftlich arbeitender privater Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland gibt.
Diese kommen durch die Personal-Service-Agenturen ganz eindeutig in einen Wettbewerbsnachteil und werden deshalb Arbeitsplätze abbauen. Wenn es gut geht, werden Teile davon durch staatlich subventionierte Arbeit ersetzt. Prof. Horst Siebert (Mitglied des Sachverständigenrates) trifft ins Schwarze, wenn er sagt, dass dadurch ein marktwirtschaftlicher Ansatz durch Interventionismus verdrängt wird.
Die Vorschläge weisen außerdem einen strukturellen Fehler auf: Sie setzen nämlich ausschließlich am Arbeitsangebot an und sollen dazu beitragen, dass offene Stellen möglichst schnell wieder besetzt werden.
Arbeitslose können aber nur dann wieder in dem benötigten Umfang in Beschäftigung gebracht werden, wenn entsprechend viele Arbeitsplätze vorhanden sind. Angesichts von nicht einmal 400.000 offenen Stellen im Oktober 2002 und rd. 4 Mio. Arbeitslosen im Dezember 2002 ist erkennbar, dass der Gesetzentwurf viel zu kurz greift. Das sagt auch der Sachverständigenrat.
Wir müssen durch Förderung des Wachstums und durch Entlastung der Wirtschaft, durch Existenzgründung und die Erschließung neuer Märkte neue Arbeitsplätze schaffen.
Eine Reglementierung setzt kein einziges Zeichen der Hoffnung für den Mittelstand, sondern verstärkt die Mutlosigkeit und Resignation.
Neue Regelungen im Niedriglohnbereich (Mini-Jobs)
Von den neuen Regelungen im Niedriglohnbereich (Mini-Jobs), die ab 1.4.2003 gelten, werden nach Meinung der Bundesregierung über 300.000 neue Arbeitsplätze erwartet, vor allem bei den personengebundenen Dienstleistungen im Handel und im Handwerk.
Die neue Ich-AG
Eine weitere Neuregelung ist die Einführung der sog. "Ich-AG", eines neuen Instruments zur Förderung von Existenzgründungen durch Arbeitslose.
Danach fördert der Staat die Existenzgründung von Arbeitslosen drei Jahre lang monatlich mit 240 bis 600 Euro. Dabei dürfen die einzelnen Unternehmer bis 25.000 Euro verdienen.
Heinz Schrumpf, Experte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, meint, dass dies zum Preisdruck für Handwerksleistungen führen könne, wenn sich die Leute selbst ausbeuten. Schließlich könnten die einzelnen Unternehmer unter Tarif anbieten. Ein großer arbeitsmarktpolitischer Effekt sei jedoch nicht zu erwarten. Überdies soll die Ausnahmeregelung erweitert werden, nach der Gesellen unter bestimmten Bedingungen auch ohne Meisterprüfung einen Handwerksbetrieb gründen dürfen. Dies ist zwar bereits jetzt schon möglich, das Bundeswirtschaftsministerium will aber die Genehmigung mit der Gründung einer staatlich geförderten "Ich-AG" verknüpfen.
Daneben denkt die Mittelstandsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums auch daran, die Handwerksordnung nach Berufen zu durchspähen, die künftig ohne Meisterprüfung möglich sein sollen. Dabei handelt es sich um niedrige Qualifikationen, wie etwa die Installation von Fernsehantennen.
Das Handwerk will nach eigenen Aussagen an der Modernisierung der Handwerksordnung mitarbeiten, wehrt sich aber gegen eine Aushöhlung der Handwerksordnung. So wollen die Handwerksverbände unbedingt am Qualitätsnachweis festhalten.
Der Nachweis soll nach den Überlegungen des Wirtschaftsministeriums auch in Ausnahmefällen gelten wie bisher als Vergleichsprüfung. Dies wird bestätigt aus einem Fachgespräch mit Sachverständigen. In NRW finden diese bei den Fachverbänden statt.
Die Bezirksregierung erteilt dann die Ausnahmegenehmigung, flankiert von Gutachten der Kammern. "Wir sind viel flexibler als es immer dargestellt wird", sagte Wolfgang Schulhoff, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf. Denn Ausnahmen vom Zwang, einen Betrieb nur mit Meisterbrief führen zu dürfen, erlaubt bereits die Handwerksordnung,
- wenn ein langjähriger Geselle aus einer Führungsposition heraus den Betrieb des Altmeisters übernehmen will; bei einer überraschenden "Betriebsübernahme" muss der Geselle die Meisterprüfung nachholen und in der Regel 47 Jahre alt sein,
- wenn eine höhere Qualifikation, wie etwa ein Studium vorliegt,
- wenn sich arbeitslose Gesellen unter bestimmten Bedingungen mit einem Handwerk selbstständig machen wollen.
Ein Ausnahmegrund liegt grundsätzlich vor,
- wenn "fortgeschrittenes Alter des Gesellen" (ebenfalls 47 Jahre) das Ablegen der Meisterprüfung als unzumutbar erscheinen lässt.
Im Jahre 2001 wurden in NRW knapp 1900 Ausnahmegenehmigungen erteilt, abgelehnt wurden 274.
Steuerentlastung von Existenzgründern
Laut Bundeswirtschaftsministerium ist geplant, bis zu einer Umsatzgröße von 17.500 Euro umgehend eine Betriebsausgabenpauschale von 50% für Existenzgründer einzuführen.
Damit sind die Unternehmen nicht nur von der Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht befreit, sondern sofern sie keine sonstigen Einnahmen haben auch von der Einkommensteuer. Ab 1.1.2004 soll diese Befreiung vorbehaltlich einer dazu notwendigen Zustimmung von Seiten der Europäischen Union bis zu einer Umsatzhöhe von 35.000 Euro gelten.
Ein Umsatz von 17.500 Euro jährlich bedeutet aber nichts anderes, als dass die betroffenen Existenzgründer nach Abzug der Kosten, für die man im Durchschnitt der Branche getrost 50% veranschlagen dürfte ein Überschuss von gut 700 Euro (!!) monatlich erzielen, von dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Hinzu kommt: Umsätze bis zu 16.620 Euro pro Jahr sind ohnehin nicht umsatzsteuerpflichtig und weit entfernt von einer Gewerbesteuerpflicht, die bei 24.500 Euro Jahresertrag beginnt.
Gesamtbeurteilung
Die Opposition sagt, dass die Vorschläge der Hartz-Kommission ein Dokument der Unfähigkeit und Untätigkeit auf dem Arbeitsmarkt sind. Vier Jahre lang wurden die notwendigen Arbeitsmarktreformen verschleppt und nicht angepackt. Es reicht auch nicht aus, Arbeitslose besser zu verwalten. Entscheidend ist in Deutschland die Schaffung neuer Arbeitsplätze und mehr Anreize für wirtschaftliches Wachstum. Dafür müssen vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert werden. Die Hartz-Kommission gibt darauf keine Antwort. Es gibt in Deutschland in der Tat keinen Mangel an Vorschlägen und Kommissionsideen, sondern einen Mangel an Taten. Und es ist erstaunlich, mit wie wenig Begeisterung man großen Herausforderungen begegnet, wie schwach die gesellschaftlichen Krisenreaktionskräfte sind.
Mehr Netto vom Brutto |
Was sich für kleine Einkommen bis 800 Euro künftig ändert: |
Was ist neu?Ab 1. April 2003 steigt die abgabenfreie Lohngrenze von 325 Euro auf 400 Euro. Bis zu dieser Summe können Arbeitnehmer brutto für netto arbeiten. Wer darf minijobben?Jeder vom Schüler bis zum Angestellten. Neu: Minijobs sind wieder als Nebenverdienst möglich. Sind Minijobs sozialversichert?Nicht über ihren 400-Euro-Job. Meist sind sie, wie bisherige 325-Euro-Jobber, über Ehepartner oder über ihre Hauptbeschäftigung krankenversichert. Der Arbeitgeber muss pauschal 12% an die Rentenkasse (und 11% als Krankenkassenbeitrag) abführen. Volle Rentenansprüche erwerben die Minijobber dadurch nicht, es sei denn, sie zahlen freiwillig hinzu und füllen die Lücke zwischen 12 und den regulären 19,5% für die Rente auf. Was ändert sich für bisherige Minijobs?Für Arbeitnehmer nichts. Doch die Arbeitgeberabgabe steigt um 2 % Pauschalsteuer und 1 % Krankenkassenbeitrag auf 25 %. Das gilt für Jobs bis 400 Euro. Für einen 400-Euro-Job zahlt der Arbeitgeber also 500 Euro. Dafür muss er künftig nicht mehr an viele verschiedene Kassen Beiträge abführen, sondern an eine zentrale neue Stelle. Was passiert mit Einkommen zwischen 400 und 800 Euro (Midijobs)?Wer mehr als 400 Euro verdient, muss Steuern und ermäßigte Sozialbeiträge zahlen. Sie steigen langsam von rund 4% (16 Euro) auf den Regelsatz von 21% an. Der Arbeitgeber zahlt schon ab 401 Euro den Regelsatz. Midijobber sind krankenversichert und erwerben wenn auch geringe Rentenansprüche. Lohnen Haushaltsjobs jetzt besonders?Für die Arbeitnehmer nicht mehr als in anderen Branchen, wohl aber für die Arbeitgeber in Privathaushalten. Für eine 400-Euro-Putzhilfe zahlen sie nur 12% Abgaben. Zudem können sie rund 10%, maximal 510 Euro, von der Steuerschuld abziehen. Bei Jobs zwischen 400 und 800 Euro kann der private Arbeitgeber maximal 2400 Euro von seiner Steuerschuld am Jahresende abziehen. Zubrot für Fleißige?Wie viele neue Minijobs entstehen ist unklar. Für das Gros der Arbeitslosen sind Minijobs aber nicht attraktiv. Wissenschaftler erwarten einen starken Anstieg bei der Zahl der Nebenerwerbstätigen. Will heißen: Mehr Leute nehmen zur Hauptbeschäftigung für ihre Extraausgaben noch eine Ministelle an. Die Nebenjobber werden mit den bisher geringfügig Beschäftigten Schüler, Hausfrauen konkurrieren und sie verdrängen. Ob die Zahl der Beschäftigten hier insgesamt steigt, ist unklar. Das Institut der Deutschen Wirtschaft betont, dass die Neuregelungen nur die Fleißigen unter denen belohnt, die bereits eine Beschäftigung haben und nicht die Arbeitslosen, die gerne fleißig wären. Nach Meinung des Instituts der Deutschen Wirtschaft werden nicht Niedriglöhne gefördert, sondern Hinzuverdienste von Arbeitnehmern mit gesichertem Lebensunterhalt. Während sich die Mitte der Gesellschaft Dienstleistungen und Zusatzjobs zu subventionierten Preisen verschafft, blieben gering Qualifizierte auf Stütze angewiesen. Die "neue Möglichkeit des Hineingleitens in normale Beschäftigung" (Zitat Bundeswirtschaftsminister Clement) wird bestritten. Danach kommt für Arbeitslose ein Minijob nicht in Frage: Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld ist fast in jedem Fall höher, Zuverdienst wird fast vollständig davon abgezogen. Solange das Sozialhilfeniveau nicht sinkt, werde sich im Niedriglohnbereich nichts tun, betonen Arbeitsmarktexperten |
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