IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 4/2003, Seite 22 ff.


VERBÄNDE AKTUELL 


 Nordrhein-Westfalen


Reden allein reicht nicht mehr

Neujahrsempfang des Fachverbandes SHK NRW

Reformen anstatt Stillstand: NRW Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau findet, dass die Zeit reif ist für Veränderungen. Schartau setzte sich auf dem Neujahrsempfang des Fachverbandes SHK NRW vor 200 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Handel und Handwerk für die Neubelebung des Bündnisses für Arbeit ein. Kommen Gewerkschaften und Arbeitgeber angesichts der dramatischen Lage aus den Schützengräben?

Minister Schartau warb um das Vertrauen des Handwerks, erläuterte aber auch konkrete Vorschläge, um aus der Misere herauszukommen.

Nach Meinung von Schartau müssen exklusive Kaffeerunden und Profilierungen ein Ende haben. Die Spitzenleute müssen jetzt Vereinbarungen für die Praxis treffen. Dabei darf die Lage nicht schöngeredet werden. Von der Wirtschaft erwarte er auch konkrete Signale im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Es bewegt sich etwas, sagte er: Deshalb bin ich optimistisch.

Nach Meinung von Schartau ist die Stimmung schlecht, weil die Lage alles andere als gut ist. Die Leute verlangen Orientierung und Reformen, wo bisher Stillstand herrschte. "Wir verlängern den Ladenschluss am Samstag auf 20.00 Uhr, wir erhöhen im Kampf gegen die Schwarzarbeit die Obergrenze für Mini-Jobs im haushaltsnahen Bereich, erleichtern für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte die Möglichkeit für eine Nebenbeschäftigung und werden durchgreifende Reformen im Gesundheitswesen durchsetzen".

Das sind nach Meinung von Schartau richtige Schritte nach vorn.

Prominenz aus Wirtschaft, Handel, Handwerk und Politik versammelte sich zum Neujahrsempfang im Foyer des Fachverbandshauses in Düsseldorf.

Zuvor hatte Landesinnungsmeister Dipl.-Ing. Rudolf Peters auf die lange und intensive Zusammenarbeit zwischen Minister Schartau und dem Fachverband verwiesen: Wir sitzen zwar stets an unterschiedlichen Seiten des Tisches und haben dabei auch manchen Streit ausgefochten, aber wir haben es immer wieder geschafft, Auseinandersetzungen sachlich zu führen und in sachgerechten, allen Seiten dienlichen Entscheidungen münden zu lassen.

Peters verwies darauf, dass Unternehmer und Mitarbeiter angesichts der Politik der Bundesregierung und der wirtschaftlichen Lage verärgert und frustriert sind. Das Konsumverhalten der Kunden werde durch Steuererhöhungen und steigende Sozialversicherungsbeiträge gebremst, zugleich bleibe den Unternehmen trotz hoher Kosten kein Spielraum für Preiserhöhungen. Eigenkapital könne kaum aufgebaut werden, dringend nötige Investitionen blieben aus, immer mehr Betriebe finden keinen Nachfolger. Aus dieser Gemengelage entstehe eine gefährliche Abwärtsspirale: Da müssen wir gemeinsam, Minister Schartau, gegenhalten!

Mit einem Umsatzrückgang zwischen 6 und 11% und einem Beschäftigtenrückgang zwischen 2 und 4% werde das Jahr 2003 ein hartes Jahr für die SHK-Branche werden.

Trendwende angemahnt

Das SHK-Handwerk brauche wieder Luft zum Atmen, erklärte Peters. Das gelte für den gesamten Mittelstand.

Für die schlechte Konjunktur könne sicher nicht ausschließlich die Politik verantwortlich gemacht werden. Allerdings könne die Politik einen ganz erheblichen Teil dazu beitragen, dass sowohl die Lage als auch die Stimmung sich verbessere.

Nach den Worten Peters brauche Deutschland endlich politische Rahmenbedingungen, die auch das SHK-Handwerk nicht nur weiter einengen, sondern den Betrieben die Luft zum Atmen lassen.

Durch die drastischen Einbrüche bei den Neuinvestitionen haben allein von Januar bis September 2002 rund 165.000 Menschen ihre Arbeit im Baugewerbe verloren. Der anhaltende Rückgang dieser Bauinvestitionen drücke die Beschäftigung auch im Ausbaugewerbe.

Es dürfe aber nicht dazu kommen, dass der Motor für den privaten Wohnungsbau nun abgestellt werde. Die Zahlen sprächen für sich.

Peters übte Kritik auch an den Banken und deren Kreditpolitik. Die Banken nutzten die Lage der Branche, um laufende Kreditlinien zu kürzen oder neue Kreditzusagen zu verweigern. Dadurch werde die Finanzierung vieler Unternehmen erheblich gefährdet.

Die Investitionsquote des Landes Nordrhein-Westfalen werde bei mageren 9% des Landeshaushalts bleiben, was bedeute, dass es erneut an Aufträgen der öffentlichen Hand fehle und die Infrastruktur, ob Schulen oder Krankenhäuser, weiter verfalle.

Das Herumfummeln an der Allgemeingültigkeit der VOB und am gerade für unsere Branche so wichtigen § 107 der Gemeindeordnung ließe beim SHK-Handwerk die Warnsignale hell aufleuchten.

Einigeln, aufgeben, verbittern und verzweifeln dürften jedoch nicht Platz greifen. Wir alle sitzen in einem Boot, soll es optimal vorankommen, müssten die Ruder möglichst synchron in das Wasser eintauchen, da dürfe niemand bremsen oder sogar sein Ruder zurückziehen.

Sie versuchten Gemeinsamkeiten zu finden und mit neuen Inhalten zu füllen. Hans Rath, LIM Schornsteinfegerhandwerk, Dr. Hans-Georg Geißdörfer, Minister Schartau und LIM Rudolf ­Peters (v.l.).

Steuerliche Anreize gefordert

Um den nachhaltigen Umweltschutz in NRW zu stärken und den Klimaschutz anzunehmen, um zu deutlichen Energieeinsparungen zu kommen, müssen nach der EnEV bis zum Jahr 2004 in NRW fast 800.000 alte Heizanlagen durch moderne, umweltgerechte Heizungsanlagen ersetzt werden, sagte Peters. Peters erhob erneut die Forderung, diese Aktion des SHK-Handwerks durch steuerliche Anreize zu begleiten, um mehr Markt und Beschäftigung zu schaffen.

Auch wenn es zur Zeit nur sehr bedingt Spaß mache, Unternehmer zu sein, so sind wir vom Verband nicht angetreten, der Mutlosigkeit das Wort zu reden. Ganz im Gegenteil: Peters rief die Kollegen auf, etwas zu unternehmen, also aktiv zu sein, ihres Glückes Schmied zu sein und auf eine positive Zukunft zu setzen.

Wir SHK-Handwerker bewegen uns in einem chancenreichen Markt und unsere Betriebe versuchen, das Beste zu geben.

Erneut forderte er die Marktpartner aus Industrie und Handel auf, in Zukunft stärker zusammenzurücken: Wir alle sitzen in einem Boot.

Interessengemeinschaft Schwarzarbeit NRW

Spontan griff Minister Schartau den Vorschlag von Landesinnungsmeister Peters auf, die Schwarzarbeit energischer zu bekämpfen. Schartau bot Peters die Gründung einer Interessengemeinschaft "Schwarzarbeit" an.


Mittelstand macht mobil: "Jetzt reicht´s"

Gemeinsam gegen Stillstand

Handwerkerdemo in Düsseldorf

Am Freitag, 24. Januar dieses Jahres, fand in Düsseldorf eine gemeinsame Handwerkerdemonstration der NRW-Bauwirtschaft und des NRW-Handwerks unter dem Motto "Jetzt reicht´s - Gemeinsam gegen Stillstand!" statt. Weit über 7.000 Handwerker aus den Bereichen der Bauwirtschaft, des Einzelhandels und des Gastgewerbes demonstrierten gegen die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung.

Der Protestzug erstreckte sich von der Rheinkniebrücke bis auf den Burgplatz.

In einer Sternfahrt wälzte sich ein Autokorso von ca. 700 Bau- und Kundendienstfahrzeugen durch die Innenstadt Düsseldorfs. Gegen 10.00 Uhr ruhte in weiten Bereichen der Altstadt der Verkehr - nichts ging mehr. Nachdem die Fahrzeuge entlang der Rheinpromenade in Höhe der Rheinkniebrücke auf mehrere Kilometer Länge eingeparkt waren, begann gegen 11.00 Uhr auf dem Burgplatz die Hauptkundgebung. Hansheinz Hauser, Vorsitzender des NWHT (Nordrhein-Westfälischer Handwerkstag), eröffnet die Protestkundgebung. "Es ist die blanke Not, die uns treibt", so fasste Hauser die Motivation der Teilnehmer an der Demonstration gegen eine mittelstandsfeindliche Politik zusammen. Hauser sprach von einem Chaos, in das die "richtungslose Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung" die Betriebe des NRW-Handwerks, der Bauwirtschaft, des Einzelhandels, des Gastgewerbes getrieben habe. Als übergroße Symbolfigur für die derzeitige Misere war ein gefesselter "Gulliver" neben der Haupttribüne platziert. So waren Hausers Worte wohl gewählt: "Deutschland ist ein gefesselter Riese". Hauser schickte zum Abschluss seiner Rede 1.000 Luftballons in Richtung Berlin. Sie trugen nur eine Botschaft: "Gemeinsam gegen Stillstand"!

Schartau zeigte Standfestigkeit und musste zahlreiche Pfiffe, Buh- und Zwischenrufe wegstecken.

Seite an Seite gingen Mitarbeiter und Handwerksunternehmer auf die "Barrikaden". Ein Meer von Protestplakaten füllte den Burgplatz. Josef Zantis, Präsident Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie, erläuterte die Problemstellung für das Handwerk. Als Problemlöser nannte er u.a.: Steuer- und Abgabenentlastung, Förderung des Wirtschaftswachstums, Investitionen erleichtern und flexibles Arbeitsrecht. Die Dramatik in der Bauwirtschaft verdeutlichte Zantis anhand des Verlustes von Arbeitsplätzen in der Baubranche. "In den zurückliegenden acht Rezessionsjahren mussten wir in der Branche über eine halbe Millionen Arbeitsplätze bundesweit aufgeben."

Jürgen Rüttgers, Mitglied des Landtages für CDU sowie NRW-Minister Harald Schartau (SPD), bezogen aus politischer Sicht ihre Standpunkte. Rüttgers stellte fest, dass die Dynamik am Arbeitsmarkt entfesselt werden müsste, denn ein neuer Arbeitsplatz in der Bauwirtschaft ziehe vier Arbeitsplätze anderer Branchen nach sich. Er forderte Eckpunkte für eine Wende: Investitionsquote in allen öffentlichen Haushalten erhöhen, mehr Nettoeinkommen, Sozialabgaben senken und Bürokratieabbau.

Nichts ging mehr, als der Autokorso Richtung Rheinufer unterwegs war.

Dr. Geißdörfer (Mitte mit Käppi) aktivierte die SHK’ler für die Demonstration.

 

Es konnte nichts schief gehen, hatten die Innungsmitglieder um Obermeister Gungel (3.v.r.) doch Rechtsbeistand durch RA Stohlmann (2.v.l.).

Schartau sah sich, so seine Worte, "nicht in der Löwengrube", denn es seien nicht nur Unternehmer, sondern auch Mitarbeiter der Handwerksbetriebe anwesend. Er stellte konkrete Gesetzesentwürfe in Aussicht, die in NRW die Lage des Mittelstandes verbessern könnten.

Deutliche Stellung bezogen auch die SHK-Handwerker, die einen großen Anteil des Autokorsos stellten und somit ihre Unzufriedenheit und ohnmächtige Wut über die aktuelle Politik in Deutschland zum Ausdruck brachten.

Während der Demonstration äußerten sich der Landesinnungsmeister des Fachverbandes SHK NRW und der Hauptgeschäftsführer zur Situation.

Dipl.-Ing. Rudolf Peters: "Regiert wird rot, gearbeitet wird schwarz und wir alle ärgern uns grün." Peters Vorschlag an NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau stieß nicht gerade auf offene Ohren. "Ich glaube, dass Steuerabschreibungsmöglichkeiten bei Altbausanierungen viele neue Aufträge auch für das SHK-Handwerk bringen würden. Als ich das sagte, hat mich gleich ein Ministerialdirigent angeblafft."

"Gulliver" symbolisierte die Situation des gefesselten Riesen Deutschland.

Peters weiter: "Wir müssen der Politik jetzt kräftig auf die Füße steigen, damit sich endlich was bewegt", sprach er und zog mit dem Demonstrationszug ab - die Rheinpromenade entlang Richtung Landtag.

Dr. Hans-Georg Geißdörfer, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes SHK NRW, der zusammen mit dem Fachverband elektrotechnische Handwerke die Kampagne "Kundendienstfahrzeuge auf die Demo" vorbereitet hat: "Wer es noch nicht gemerkt haben sollte, das war keine normale Demonstration. Den Betrieben steht das Wasser bis zum Hals". Schröder & Co., so Geißdörfer, machen das Handwerk K.O. "Eine Stimmung der Resignation liegt über dem Land NRW: Lustlosigkeit bis hin zur Apathie. In der Wirtschaft herrscht Antriebslosigkeit - die neuste Konjunkturumfrage des Fachverbandes SHK NRW bestätigt das. In der Politik herrscht Orientierungslosigkeit". Aber, so führte Geißdörfer fort, es ist erstaunlich, mit wie wenig Begeisterung man großen Herausforderungen begegnet, wie schwach die gesellschaftlichen Krisenreaktionskräfte sind. Die Demo in Düsseldorf war die größte Demo, die Düsseldorf je erlebt hat, vielleicht finden die Politiker jetzt den Mut, die Dinge und andere Wahrheiten ganz offen auszusprechen - wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für den gesamten Mittelstand!

Geißdörfers Gesamteindruck: teurer Loden neben Blaumann, lustige Aktionen am Rande. Und nach der Kundgebung ein langer Zug zum Landtag mit tausenden von Demonstranten - wie ein Spaziergang. Weniger, um sich die Kälte aus den Knochen zu schütteln, als vielmehr den Vertretern der vier Fraktionen für die Berliner Kollegen eine Resolution mit auf den Weg zu geben: gegen steigende Steuern, gegen die Benachteiligung des Mittelstandes, gegen Bürokratie und Regulierung. Gegen die Vernichtung von hunderttausenden von Arbeitsplätzen.

Kraftvoll blies das Handwerk den Politikern der Bundesregierung den "Marsch"!

Hansheinz Hauser setzte alle Hebel in Bewegung: Vor dem Landtag in Düsseldorf wurde eine Resolution an die Vertreter der Landtagsparteien übergeben.

Resolutionsübergabe an die Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien.

Abschluss auf dem Burgplatz war die Entfesselung der Symbolfigur "Gulliver". Beendet wurde die Demonstration mit einem Fußmarsch von etlichen tausend Handwerkern zum Landtag. Vertreter der Parteien von CDU, SPD, FDP und Grünen nahmen dort die Resolution des Handwerks entgegen.

Zeitgleich fanden in Hannover und in Frankfurt ebenfalls vielbeachtete Handwerkerdemonstrationen statt. Allein in Hannover fuhren 1.200 Fahrzeuge zum Schützenplatz, wo die Schlusskundgebung mit 7.000 Handwerkerinnen und Handwerkern stattfand.

Eine weitere Demonstration des Handwerks soll in Berlin am 10. Februar 2003 stattfinden. Dort soll mit einem Autokorso, Demonstrationszug und einer Kundgebung auf die Misere des deutschen Handwerks hingewiesen und gegen die mittelstandsfeindliche Politik der Bundesregierung protestiert werden.


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