IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/2003, Seite 38 ff.
REPORT
3. AGSI-Sanitär-Hearing
Ausbildung: Sanitärbranche muss nachsitzen
Wie sieht eine systematische Talentförderung aus? Welche Trainingskonzepte braucht der dreistufige Vertriebsweg in der Praxis? Was tun andere Branchen auf diesem Gebiet? Diesen und anderen zentralen Fragen ging das 3. AGSI-Sanitär-Hearing während der "shk Hamburg" Ende November 2002 nach.
"Damit wenden wir uns einem Bereich zu, der angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung der Sanitärbranche und der damit einhergehenden Verschlechterung des Produktmixes an Aktualität gewonnen hat: die überzeugende Verkaufskompetenz am Point of Sale", begrüßte der AGSI-Vorsitzende Andreas Dornbracht die rund 100 Anwesenden aus Industrie, Fachgroßhandel, Fachhandwerk und Fachpresse. Die Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie im VDMA, der alle namhaften Unternehmen angeschlossen sind, sehe konkreten Handlungsbedarf. Wenn die Branche den Wettbewerb mit den attraktiven Angeboten anderer Branchen gewinnen wolle, dann benötige man gerade am Point of Sale eine besondere Beratungs- und Verkaufskompetenz. Zielsetzung müsse es daher sein, die Verkaufstalente in der Branche zu fördern oder diese über weiterentwickelte Berufsbilder zu gewinnen.
"Ständiges Lamentieren weckt keine Karriere- sondern bestenfalls Albträume. Da will kein Talent hin."Dipl.-Psychologin Ursula König, Vorstand und Partnerin der Heads! AG & Co. |
"Talentsuche ist zu wenig Chefsache"
Wer aber Talente finden will, der muss zunächst seine eigenen Defizite kennen und beheben. Die Diplom-Psychologin Ursula König hielt branchenunabhängig dem Handel sein ständiges Lamentieren vor. "Das weckt keine Karriere-, sondern bestenfalls Albträume. Da will kein Talent hin", kritisierte sie. Der Handel müsse klappern und systematisch Öffentlichkeitsarbeit machen und darüber hinaus sein altbackenes Image ablegen. Ein weiteres Defizit sah die Dozentin für Handelsmarketing an der Wirtschaftsuniversität Wien darin, dass die Suche nach begabten Mitarbeitern von vielen Chefs vernachlässigt wird. Besonders im Sanitär-Fachhandel müsse der Verkaufsberater viele Rollen beherrschen und sozusagen das Eier legende Wollmilchschwein sein. Aber Multitalente, weiß König aus Erfahrung, gibt es nicht. Sie schlug deshalb eine Talentbörse vor, die von den Organisationen aller Vertriebsstufen mitgetragen wird.
"Am Abend war der Küchenspezialist in trockenen Tüchern"
Über den Talentbörsen-Status ist die Küchenbranche, wie der Blick über den Zaun zeigte, längst hinaus. Industrie und Handel haben das Bildungsthema angesichts der überkapazitätsbedingten Auflösung einst klarer Vertriebsstrategien systematisch aufgegriffen und im Sinne der Branche erarbeitet und umgesetzt, erklärte Hans-Joachim Adler. Das Konzept basiere auf den drei Säulen Ausbildungsberuf "Küchenspezialist", AMK-Akademie mit Seminarangeboten sowie interaktives Lern- und Fortbildungsprogramm. Besonders stolz sei man auf die Initiierung des Ausbildungsberufes "Küchenspezialist". Allerdings habe man das nur mit Druck auf die Institutionen und mit Hilfe eines renommierten Fürsprechers geschafft. So versammelte kein geringerer als Rudolf Miele die Verbände um einen Tisch, und "am Abend war der Ausbildungsberuf in trockenen Tüchern", freute sich der Geschäftsführer der in Mannheim angesiedelten Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche noch Jahre danach und gab sich vor dem Plenum zuversichtlich: "Der Handel reißt uns die Angebote zwar noch nicht aus den Händen, aber wir haben einen langen Atem und fühlen uns selbst in Pisa-Zeiten für die Zukunft gut gewappnet."
"Man muss es schon wirklich wollen, das neue Bad, sonst lässt man es lieber sein."Barbara Friedrich, "Architektur & Wohnen"-Chefredakteurin |
"Zwei Semester mit bis zu 36 Stunden Wochenunterricht"
Neue Wege beschritt auch die Fachschule des Möbelhandels (Köln), wie Dieter Müller berichtete. 1986 führten ihre Träger im Hinblick auf den zunehmenden Bedarf an höher qualifizierten Mitarbeitern am Point of Sale den zweisemestrigen Studiengang zum Einrichtungsfachberater ein, der zwei Jahre später um den Schwerpunkt Kücheneinrichtungen ergänzt wurde. Die Studierenden, so der Schulleiter und Diplom-Handelslehrer, kommen aus der Branche selbst, aus anderen kaufmännischen, aber auch artverwandten Berufen. Das Studium gliedere sich in zwei Semester mit bis zu 36 Wochenstunden Unterricht und schließe mit einer staatlichen Abschlussprüfung ab. Die Absolventen seien danach berechtigt, die Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfter Einrichtungsfachberater" zu führen.
"Hier und heute geht es nicht darum, die bisherigen Leistungen aller Vertriebsstufen im Bereich der Aus- und Weiterbildung zu schmälern, sondern Ansätze für eine zielgerichtete und an Effizienzgesichtspunkten ausgerichtete Vernetzung der Bildungsangebote zu finden."Andreas Dornbracht, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie |
"Die tun das als Studioproduktion ab"
Barbara Friedrich hat ihre Badrenovierung an den Rand der Verzweiflung gebracht. "Man muss es schon wirklich wollen, das neue Bad, sonst lässt man es lieber sein". Die Chefredakteurin der Zeitschrift "Architektur & Wohnen" machte damit keinen Hehl aus ihrer Sicht über die Beratungsqualität der Badbranche. Für sie heißt Beratungskompetenz in erster Linie "Wissen vermitteln und Rat geben". Dabei nehme letzteres einen größeren Stellenwert ein. Das zeigten ihr u.a. auch die kontinuierlich hohen Leserzuschriften auf die Rubrik "Wohnberatung". Immerhin rund 30 Prozent fielen dabei auf Themen rund ums Bad. Tausende Anfragen wären sogar auf einen 3D-Badplanungsservice gekommen. "Lust machen auf ein schönes Ambiente" gehört für die Hamburgerin ebenfalls zum großen Feld der Beratungskompetenz. Hier sei es ausgerechnet der Handel, der das, was man an neuen Gestaltungsideen inszeniere, häufig als nicht realisierbare Studioproduktion abtue. An dieser Stelle wünschte sich Friedrich wesentlich mehr Miteinander.
"Nach den Schilderungen von Frau Friedrich müssten wir von einer Krise sprechen. Aber unsere eigenen Untersuchungen sagen etwas anderes", konterte Wolfgang Burchard und leitete damit sein Statement sowie den zweiten Hearing-Block zur Situation der Sanitärbranche ein. Man sei "eigentlich ganz gut", aber es gebe, was das höherwertige Verkaufen angehe, Defizite.
"Wir brauchen eine neutrale Qualifizierungsplattform statt neuer Kundenbindungsinstrumente."Wolfgang Burchard, Geschäftsführer des Fachverbandes Armaturen im VDMA |
"Woanders spricht man von Semestern, bei uns von Tagesseminaren"
Betrachtet man allerdings die neue Ausbildungsverordnung für das Fachhandwerk, so der Geschäftsführer des Fachverbandes Armaturen im VDMA weiter, liegen sowohl in der Grund- als auch in der Fachbildung die Schwerpunkte eindeutig im Bereich Technik. Der Kaufmann im Groß- und Außenhandel beschäftige sich hauptsächlich mit Einkauf, Warenlagerung, Verkauf und betrieblichem Rechnungswesen. Der "Beratungsschulung" werde vergleichsweise wenig Zeit gewidmet. Das könnten auch die vorhandenen Weiterbildungsangebote der Vertriebspartner nur im Ansatz wieder wettmachen, und die Offerten der Industrie dienten aufgrund ihres engen Zeitrahmens eher der Kundenbindung. "Woanders spricht man von Semestern, bei uns von Tages-, Wochenend- oder Wochenseminaren. Die AGSI hält das für viel zu kurz", bezog der Hearing-Veranstalter Position. Darüber hinaus seien Inhalte häufig doppelt, ausgegebene Zertifikate nicht allgemeingültig und damit zumeist ohne positive Auswirkung auf die Karriere. Die Folgen: rückläufige Schulungszahlen u.a. bei Ausstellungsberatern und deren Verzicht auf Zusatzausbildung zu Themen wie Badbeleuchtung oder Fliesenplanung. Genau das aber mache eine höherwertige Beratung aus, denn die so genannte Lösungsberatung könnten andere Vertriebsschienen nicht leisten. Burchards Appell und zugleich die Aufforderung zum Dialog: "Wir müssen die vorhandenen Ressourcen für eine Branchenlösung nutzen. Wir brauchen eine neutrale Qualifizierungsplattform anstatt neuer Kundenbindungsinstrumente. Und wir brauchen anerkannte Zertifikate, die sich auch in der Endverbraucherwerbung nutzen lassen."
"Die Beratungsqualität des Sanitär-Fachgroßhandels ist gut, lässt sich aber noch verbessern."Dr. Alexander Haas, Lehrstuhl für Marketing an der Universität Erlangen-Nürnberg |
"Die schaffen es, den eigenen Umsatz noch nach unten zu ziehen"
Der Status der Beratungskompetenz im Sanitär-Fachgroßhandel war das Thema einer von Dr. Alexander Haas betreuten Projektstudie. Wie zuvor schon Hans-Joachim Adler sprach auch er von Beobachtungen, dass als "bestes Argument" für den Verkauf nicht selten der Preis ins Feld geführt wird. Rund 30% der Berater, so die Ermittlungen des Lehrstuhls für Marketing an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, schaffen es dabei tatsächlich, den Kunden die Lust auf ein schönes Produkt zu nehmen und den eigenen Umsatz noch nach unten zu ziehen. Die Mehrheit aber begeistere ihre Kunden für Lösungen, die insgesamt einen höheren Gegenwert als den ursprünglich geplanten aufwiesen. Allerdings verweile die Quote noch unter 50 Prozent. Das habe eine Befragung bei Verkäufern (überregional) und Endkunden (Großraum Nürnberg) ergeben.
Ferner falle auf, dass die Verkäufer Beratungen hauptsächlich an den Produkten festmachten und dass der Rückgriff auf geeignete innovative Systeme zur Lösung von Kundenproblemen noch kein integraler Bestandteil der Beratung im Sanitär-Fachgroßhandel sei. Dabei legten die Kunden genau hier die Messlatte für die Qualität einer Beratung an. "Insofern steht und fällt der Beratungserfolg mit der Kundenorientierung des Beraters", analysierte Dr. Haas.
Handel und Industrie für ein gemeinsames Ausbildungskonzept? - Beim AGSI-Sanitär-Hearing saßen ihre Vertreter zumindest schon an einem Tisch. |
"Der Verbraucher ist derzeit auf Schnäppchen-Jagd"
Auf verlorenem Posten fühlte sich Ingrid Kreuz. "Wir leiden schwer, weil wir den Stellenwert des Bades nicht erhöhen und den Verbraucher nicht knacken können, denn der ist derzeit auf Schnäppchen-Jagd und honoriert die Beratung nicht", startete die Geschäftsführerin des Handwerksbetriebes Kreuz bad & heizung GmbH ihren kritischen Praxisbericht. Zudem sehe sie sich als Einzelkämpferin, indem sie gegen Vorurteile und eine Branche angehe, die keine gemeinsamen Schulungsmaßnahmen schaffe und keine guten Abschlüsse biete.
"Wir brauchen Ausbildung und Weiterbildung, die jeweils den Namen auch verdienen. Wir brauchen Leute, die Spaß am Verkaufen haben, egal, welche Ausbildung sie vorher hatten", meldete sich die diplomierte Rechtspflegerin weiter kräftig zu Wort.
Letztlich sei der Point of Sale doch nicht nur in den Ausstellungen des Fachgroßhandels, sondern auch in den Showrooms des Einzelhandel betreibenden Fachhandwerks. Das dort ebenfalls Verkaufspolitik praktiziert wird, gab die Firmenchefin aus Schnaittach unverhohlen an die Adresse der Industrie weiter: "Sie werden nie erleben, dass ein Elefant Sie beißt, aber ein Moskito kann Sie heftig stechen." Und: "Nicht das Sponsoring von irgendwelchen Reisen bringt mehr Umsatz. Investieren Sie lieber in ein gutes Bildungskonzept." Vielleicht, so Kreuz sinngemäß am Ende ihrer engagierten Rede, löst das Sanitär-Hearing ja den Startschuss dazu aus.
B i l d e r : Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie (AGSI)
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