IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 24/2002, Seite 40 ff.


KLEMPNERTECHNIK


Die Kirche St. Maria Magdalena kurz vor Abschluss der Sanierungsarbeiten.

Über den Dächern von Jerusalem

Baustelleneinsatz in Israel zwischen Ölberg und Felsendom

Drei Jahre waren die schwäbischen Bauklempner der Firma Lanz aus Neuravensburg mit der Sanierung der Kirche St. Maria Magdalena in Jerusalem beschäftigt. Unter teilweise abenteuerlichen Arbeitsbedingungen hat das Handwerksunternehmen die aus der Jahrhundertwende stammenden Dachkonstruktionen komplett erneuert. Hierfür wurde in vier Überseecontainern Blech, Baumaterial, Gerüste und Werkzeug per Schiff über den Atlantik und das Mittelmeer nach Haifa transportiert. Sieben vergoldete Zwiebelkuppeln glänzen in absoluter Gleichmäßigkeit in der israelischen Sonne. Die Klempner-Abteilung des 30 Mann starken SHK-Unternehmens hatte unter wechselnden Witterungen gearbeitet: Kalter Wind und teilweise Schneefall während der Wintermonate; im Sommer wehte der trocken heiße Sandsturm Chamsin aus der jordanischen Wüste bei Temperaturen bis zu 40°C.

Die russisch-orthodoxe Kirche St. Maria Magdalena, erbaut vor etwa 100 Jahren vom russischen Zar Alexander III., ist bereits der zweite Auftrag in Israel für den schwäbischen Unternehmer. Zuvor hatten Hans Lanz und seine Mitarbeiter bereits erfolgreich die Himmelfahrtskirche auf dem Jerusalemer Ölberg saniert. Deren Dach war in den 80er-Jahren von einer amerikanischen Firma mit einer Kunststoffhaut überzogen worden. "Das hat den Dachstuhl regelrecht erstickt" sagt der 56-jährige Firmenchef Lanz. Seine Spezialisten leisteten dabei auch ungewöhnliche Arbeiten: Einer der Mitarbeiter wurde am Kirchturm abgeseilt. Um das neue Blechdach vor Steinschlägen zu schützen, entfernte der Hobby-Bergsteiger in frei schwebender Lage lose Steine aus dem Turmgemäuer.

Einer der sechs kleinen Glockentürme in fertig saniertem Zustand.

Aufmaß im "Heiligen Land"

Während die Klempner noch mit dem 63° steilen Dach der evangelischen Himmelfahrtskirche beschäftigt waren, erreichte den Betrieb in Neuravensburg zwischen Allgäu und Bodensee eine Fax-Anfrage der Klosterschwestern von St. Maria Magdalena. Hans Lanz und Spenglermeister Berthold Detzel wandten sich vor Ort an Äbtissin Anna. "Wir haben uns das erst einmal angesehen. Bei einem weiteren Flug nach Jerusalem zur Abnahme des ersten Auftrags haben wir die Kirche zwei Tage lang ausgemessen", sagt Berthold Detzel. Die Bestandsaufnahme hat er mit Foto und Video dokumentiert. "Wichtig war erstmal das ‚Wie’, damit überhaupt ein Preis ermittelt werden konnte", berichtet Detzel. Auf Planunterlagen konnte dabei nicht zurückgegriffen werden. Bei den Klosterschwestern sind russische Originalpläne archiviert, die nur ungenaue Ansichten darstellen.

Tonnengaupen und Wandanschlüsse aus Zinkblech.

Deutsch-israelisches Vertrauensverhältnis

Auftraggeber waren die russisch-orthodoxen Schwestern der Kirche St. Maria Magdalena. Diese hatten sich in Jerusalem umgesehen, welche Firmen ihre etwa hundert Jahre alten Kirchendächer sanieren können. Die Kommunikation zwischen Lanz und den Schwestern führte ein deutscher Kontaktmann in Jerusalem. Dieser ist als Geschäftsführer bei einer kirchlichen Institution tätig und betreibt Bauleitung bei Kirchensanierungen als Hobby.

"Insgesamt waren vier Anbieter beteiligt", sagt Hans Lanz. Unter anderem auch ein irisches Unternehmen, auf dessen Gutachten sich die Planungsarbeit zum Teil gestützt hatte. Schließlich kam der Kontaktmann aus Jerusalem zu einem Besuch nach Deutschland. Spenglermeister Hubert Merkle zeigte ihm bei einer Rundreise die Blecheindeckungen an Kuppeln von Kirchen und Villen. "Etwa ein Jahr später kam ein Fax von den Schwestern, dass wir in der engeren Auswahl stehen - verbunden mit der Frage, ob wir nach Jerusalem kommen möchten", so Berthold Detzel.

Vor Beginn der Sanierungsarbeiten wurden vier Tage lang alle Details aufgenommen.

Vier Tage vor Ort zur Detailplanung

Die Schwaben sind dieser Einladung gefolgt und gingen an die Vorbereitungen. Obwohl noch kein Auftrag erteilt war, stellten die beiden Spenglermeister einen Zeitplan für die komplette Außensanierung der Kirche auf. "Vier Tage lang sind wir vor Ort alles im Detail durchgegangen, bis wir genau gewusst haben, was an den Kuppeldächern zu erneuern ist", berichtet Detzel. Zu diesem Zeitpunkt seien Teile der Dachkonstruktionen bereits baufällig gewesen. Lanz hat daraufhin für den ersten Bauabschnitt sein Angebot unterbreitet und kurze Zeit später auch den Auftrag erhalten.

"Zu Beginn der Arbeiten wurden wir von der Bauherrschaft ständig kritisch beäugt", erzählt Spenglermeister Detzel. Detail- und Schnittpläne wurden vor Ort sauber gezeichnet, um die Vorschläge von den Schwestern absegnen zu lassen: "Es war nicht einfach, die Optik nach ihren Vorstellungen und dem technisch Machbaren unter einen Hut zu bekommen", sagt der Spengler. Angesichts der ungewöhnlichen Geschäftsbeziehung stellt sich die Frage nach der Vertragsgestaltung: "Wir haben eine vertragliche Zahlungsvereinbarung getroffen. Sobald bei uns in Neuravensburg das Material vom Hof ging, war bereits ein Großteil fällig", sagt Firmenchef Lanz.

Für die Blechverkleidung der Zwiebelkuppeln wurden 800 m Stehfalz von Hand gefertigt.

Schwäbische Küche bei den Schwestern

Seine Mitarbeiter wurden, gleichsam als bauseitige Leistung, mit Unterkunft und Verpflegung versorgt. Innerhalb der Klosteranlage hätten jedoch strenge Sitten geherrscht. Auf dem Baugerüst unter israelischer Sonne waren kurze Hosen oder freier Oberkörper nicht geduldet. "Mit der Zeit konnten wir aber das Vertrauen gewinnen. Was die Verpflegung betraf, wurden wir fast verhätschelt. Einer unserer Monteure hat den Klosterschwestern gezeigt, wie man schwäbische Kässpätzle kocht", erzählt Berthold Detzel. Erst ab dem dritten Bauabschnitt, den Kuppeldächern, hätten die Schwestern den schwäbischen Klempnern vollkommen freie Hand gelassen.

Jede Blechschar für die Zwiebelkuppeln wurde einzeln gemessen und zugerichtet.

Blattgold bei Wüstenwind aufgelegt

Über drei Jahre hinweg, von 1997 bis 1999, hat Firma Lanz für die Dächer der Hauptkirche und der sieben Zwiebeltürme neue Dachstühle aufgebaut und mit Zinkblech eingedeckt. Für die Dachstuhlarbeiten waren zeitweise Fachleute der Aulendorfer Zimmerei Rist mit vor Ort. Schließlich wurden die Zwiebelkuppeln von einem Münchner Vergolder-Spezialisten in filigraner Feinarbeit mit 42.000 Blattgold-Blättchen belegt. "Das Problem war dabei, dass es ständig zu windig war", sagt Berthold Detzel. In aufwendiger Arbeit mussten deshalb die Gerüste um die Kuppeln mit Planen verhängt werden.

Präzise Arbeit der schwäbischen Klempner: Die Blechscharen verlaufen in absoluter Gleichmäßigkeit.

Arabischer Gerüstbau

Sämtliche Arbeiten an den Kirchendächern konnten selbstverständlich nur mit Hilfe von Gerüsten ausgeführt werden. Ein Gerüst sei vorhanden, hieß es. Dem wollte Lanz jedoch nicht so recht trauen und verfrachtete vorsorglich genügend eigenes Gerüstmaterial in einen Überseecontainer. An der Baustelle konnten sich Spenglermeister Detzel und seine Mannschaft von den arabischen Gerüstbau-Künsten überzeugen: "Bei uns hätte man die Baustelle sofort stillgelegt", angesichts der - wie erwartet - dürftigen Sicherheitsvorkehrungen.

Die Mitarbeiter der Firma Lanz und ihr Meisterwerk.

Klempner-Kunst: gleichmäßige Kuppel-Scharen

Die eigene Sicherheit auf den Kirchendächern wie auch die Detailarbeiten in Blech verlangten den Klempnern einige Kreativität ab. Beim ersten Bauabschnitt, dem umlaufenden Schrägdach, mussten die Wandanschlüsse rundum an die Säulenstruktur der Fassade angepasst werden. Hier blieb keine andere Wahl, als mit dem Winkelschleifer Fugen herzustellen und die so eingelassenen Wandanschlussbleche mit Silikon abzudichten. "Ansonsten wurde generell eingehängt und gefalzt. Wir haben keine fünf Stangen Lötzinn gebraucht", sagt Detzel.

Die schwäbischen Klempner haben den Zwiebelkuppeln der majestätisch aufragenden Glockentürme nicht nur einfach ein neues Blechkleid verpasst. Wenn die Sonne über Jerusalem in flimmernder Hitze vom tiefblauen Himmel auf die vergoldeten Kuppeln brennt, zeigt sich die wahre Klempner-Kunst. Jede Ungleichmäßigkeit im Blech würde das Sonnenlicht als Spiegelung erscheinen lassen. "Die Kunst ist, die Blechschar so zu bearbeiten, dass sie keine Spannungen hat. Das heißt, den Falz so zu treiben und zu stauchen, dass er in die Form der Kuppel geht", beschreibt der 40-jährige Spenglermeister die präzise Handarbeit.

Firmenchef Hans Lanz über den Dächern von Jerusalem.

Auslandseinsatz im Krisengebiet

Das Straßenbild in Jerusalem entspricht in etwa den Bildern, die uns beinahe täglich von den Medien geliefert werden, wie Detzel von den Gerüsten seiner Kirchenbaustelle beobachten konnte: "Polizei und Gehupe, überall sind Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag, und das Militär ist ständig präsent."

In Kürze wird sich entscheiden, ob die Spenglerei einen weiteren Auftrag für die Sanierung von Turm und Blechdach eines Karmeliterklosters erhalten wird. "Falls Gefahren drohen, würde unser Kontaktmann sicherheitshalber absagen", sagt Detzel. Doch auch während er und seine Kollegen vor Ort waren, seien im Stadtgebiet vereinzelt Sprengstoffanschläge verübt worden. "Leider gehört das einfach zu Jerusalem", meint der Schwabe, "so hatten sich 1998 drei Selbstmordattentäter in der Fußgängerzone in die Luft gesprengt. Dabei sind in einem Café Menschen ums Leben gekommen, in dem wir eine Woche zuvor selbst gesessen hatten."

Spezialaufträge sind notwendig

Gegenüber der "Schwäbischen Zeitung" sagte Hans Lanz: "Wir brauchen solche Spezialaufträge im Ausland. Hier in Deutschland werden die verfügbaren Mittel immer weniger."

Für diese Leistungen deutscher Handwerksunternehmen interessierten sich auch internationale Medien. Hans Lanz zeigt während des Interviews die Titelseite der "Jerusalem Post", die über die Kirchensanierung berichtete. "Es wurden auch Fernsehberichte in CNN und ARD gesendet", sagt Lanz. Zur Einweihungsfeier waren neben hochrangigen Persönlichkeiten der Kirche auch der deutsche und der amerikanische Botschafter anwesend.


Kurzbericht

SHK-Betrieb:
Hans Lanz
Heizung-Sanitär-Flaschnerei-Elektro
Wangen-Neuravensburg

Umfang der Sanierungsarbeiten: kein alltäglicher Auftrag

Die vergoldete Gesamtfläche der Zwiebelkuppeln umfasst 200 m2. Erneuerung der Dachstühle und Verkleidung von sieben Zwiebelkuppeln mit Zinkblech der Firma Rheinzink.

Kirche St. Maria Magdalena: Drei Bauabschnitte in drei Jahren

1. Bauabschnitt: Das umlaufende Blechdach des Kirchenschiffs mit 23° Dachneigung wurde komplett abgebrochen. Zusammen mit einer oberschwäbischen Zimmerei wurde der Dachstuhl neu aufgerichtet und mit Zinkblech eingedeckt.

2. Bauabschnitt: Tonnengaupen und Gesimse, Detail-Ornamente. Der kleine Glockenturm wurde als "Musterzwiebel" saniert, die als Vorbild für die sechs weiteren Kuppeldächer diente.

3. Bauabschnitt: Komplettsanierung der Hauptkuppel und der übrigen fünf Glockentürme.

Arbeitstechnik: reine Handarbeit.

Blechdächer der Hauptkirche in Doppelstehfalztechnik. Für die Scharen der Zwiebelkuppeln wurden Papierschablonen zugeschnitten. Die Klempner haben hierfür 800 m Stehfalz von Hand aufgerichtet und etwa 1600 m Blech von Hand zugeschnitten.

Werkzeuge vor Ort: Das Blech notfalls am Ölbaum gebogen.

Eine 2 m-Abkantbank.

Bleche wurden nur mit Hilfe von Gerüststangen gebogen und gefalzt.

Kalkulation: Zusätzliche Flüge mit einrechnen.

Die Kalkulation müsse nach Angabe des Firmenchefs aufs erste Mal passen: "Mit Nachforderungen zu kommen, ist sehr schwierig. Es darf keine Rolle spielen, wenn ein zusätzlicher Flug notwendig ist."

Erste Erfahrungen konnte Firma Lanz bei der Sanierung der Himmelfahrtskirche sammeln. Einen Vertrag im juristischen Sinne habe es nicht gegeben: "Der Auftrag über die Pauschalsumme wurde per Handschlag erteilt. Die wichtigste Voraussetzung war, dass wir bereits Erfahrung mit der Sanierung von Kirchendächern in Israel hatten", sagt Hans Lanz.

Transport: Blech und Klempnerwerkzeug über den Atlantik.

Logistikpartner für die Transportabwicklung war eine Bremer Spedition. "Viel Werkzeug haben wir aber noch im Handgepäck mitgenommen", sagt Spenglermeister Detzel. Insgesamt wurden vier Container mit Blech, Material, Gerüsten und Werkzeug per Schiff von Bremerhaven über den Atlantik und das Mittelmeer nach Haifa geschickt.

Einfuhr und Einreise: Geduldsprobe.

Die Mitarbeiter der Firma Lanz mussten Zeit raubende Prozeduren für Einreise, Aufenthalt und Materiallieferungen über sich ergehen lassen. "Verzögerungen durch bürokratische Hindernisse mussten wir einfach einkalkulieren. Die Uhren gehen dort eben anders", sagt Detzel.

Materialtransport zur Baustelle: mühselig.

Lanz vereinbarte mit seinem Auftraggeber einen Ort für die Zwischenlagerung von Material und Werkzeug. Von dort war der Auftraggeber per Vertragsbestimmung für den Transport zur Kirche verantwortlich. Mit kleinen Transportern wurden Blechrollen und Holz für den Dachstuhl über eine sehr schmale und steile Straße zur Kirche geschafft.

Baustelleneinsatz in Israel: Sonntags zur Erholung ans Rote Meer.

Über fünf Wochen war die Mannschaft jeweils vor Ort, um dann nach sechs Tagen pro Woche und täglich zwölf Stunden wieder für eine Woche zu Hause sein zu können. "Es waren auch mal Ausflüge drin, zum Beispiel Jordanien, das Rote Meer oder der See Genezareth".

Internetinformationen:
www.hans-lanz.de


B i l d e r :   Fa. Lanz, Text: W. Heinl, Wangen i. A.


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