IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/2002, Seite 19 ff.
VERBÄNDE AKTUELL |
Nordrhein-Westfalen
Liberalisierung treibt welke Blätter
Stadtwerke und Handwerk: Fachverband im Dialog
Symptomatisch: Das Handwerk hätte Vorfahrt, aber die Ampeln scheinen in vielen Versorgerbereichen auf rot zu stehen. Der Fachverband setzte mit der Initiative auf "Partnerschaft in Augenhöhe". |
Die Sorge, dass die kommunalen Versorgungsunternehmen mit allen möglichen Dienstleistungen an den Markt gehen und der mittelständischen Wirtschaft, insbesondere dem SHK-Handwerk, mehr und mehr Konkurrenz machen, brachte der Hauptgeschäftsführer des FV SHK NRW Dr. Hans-Georg Geißdörfer auf einer Veranstaltung des Fachverbandes "Fachverband im Dialog" zum Thema "Quo vadis SHK-Handwerk / Stadtwerke?", zum Ausdruck.
Obwohl die Gemeindeordnung des Landes NRW der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen Grenzen aufzeige, treibe sie inzwischen die heftigsten Blüten. HGF Dr. Hans-Georg Geißdörfer machte beispielhaft darauf aufmerksam, dass sich die öffentliche Hand auf dem Immobilienmarkt tümmele, Gaststätten und Reisebüros, Kfz-Werkstätten und sogar Nagelstudios im weiten Land NRW eröffnen. Zur Zeit drängten aufgrund der Liberalisierung der Energiemärkte vor allem die kommunalen Energieversorger in neue Tätigkeitsfelder vor - und zwar in angestammte Arbeitsbereiche des SHK-Handwerks.
Für das SHK-Handwerk NRW werde es immer schwerer, sich gegen die öffentliche Konkurrenz zur Wehr zu setzen. Die öffentlichen Anbieter genössen vielerlei Vorteile im Wettbewerb - von Informationsvorsprüngen über Steuervorteile bis hin zu günstigen Finanzierungskonditionen.
Nach Meinung von Lause geht der Privatisierungsprozess weiter. "Das Handwerk wird dramatisch darunter leiden, wenn lokale Unternehmen verschwinden." |
Wo bleibt das SHK-Handwerk in diesem Spektrum?
Zu der Veranstaltung begrüßte HGF Dr. Geißdörfer den Vorstandsvorsitzenden der Stadtwerke Düsseldorf, Karl-Heinz Lause, Dr. Jan-Dirk Vervey, Hauptabteilungsleiter Projektentwicklung Gelsenwasser AG, den kaufmännischen Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum, Bernhard Wilmert, Prof. Dr. Bernhard Stüer, Fachanwalt für Steuerrecht Münster sowie als Vertreter des Verbandes Dieter Lackmann, Facility Care Management Münster.
Geißdörfer machte gleich zu Beginn der Veranstaltung deutlich, dass der Fachverband immer wieder betont habe, dass das SHK-Handwerk eindeutig an einer Fortsetzung der Marktpartnerschaft mit den Versorgungsunternehmen interessiert sei. Denn diese habe sich als Vorteil für alle beteiligten Partner erwiesen.
Diese Strategie für die Zukunft beizuhalten, auf gleicher Augenhöhe, werde für alle Marktbeteiligten eine der größten Anstrengungen sein. Die Kommunen seien, so Geißdörfer, wegen ihrer desolaten Ausgangslage auf einen finanzkräftigen Partner in ihren Versorgungsbetrieben angewiesen.
Das Bundeskartellamt sieht hier die Entwicklung zwischenzeitlich mit Sorge. Die mit hohem Tempo fortschreitende Beteiligung der großen Energieversorger an Regionalversorgern und Stadtwerken werde äußerst kritisch gesehen.
Den Konzernen werden deswegen in ihren Stromgebieten eine Höchstgrenze bei neuen Beteiligungen bei 20% vorgeschrieben, sagt zwischenzeitig das Bundeskartellamt.
Jochen Pfänder, SHK-Unternehmer aus Iserlohn, hält von den Entwicklungen, die sich abzeichnen nichts: "Diesen strukturbedingten Veränderungen muss die rote Karte gezeigt werden!" |
Nordrhein-Westfalen
Die wirtschaftlichen Leistungen, die von den öffentlichen Unternehmen erbracht werden, könnten auch privat angeboten werden. Deshalb setzen die Gemeindeordnungen der Bundesländer einer solchen öffentlichen Tätigkeit an sich Grenzen.
Der Wortlaut der bis 1999 geltenden Fassung des § 69 Abs. 1 GO NW - die Vorgängervorschrift zu § 107 Abs. 1 GO NW - ließ beispielsweise auf einen beabsichtigten Schutz privater Mitbewerber schließen. Nach der geänderten und seit 14. Juli 1999 geltenden Fassung des § 107 Abs. 1 GO NW ist nun davon auszugehen, dass nicht mehr der Schutz privater Mitbewerber bezweckt wird.
Der § 107 Abs. 1 GO NW hat die ursprüngliche Subsidiaritätsklausel gemildert. Nach der alten Fassung des § 107 GO NW war eine wirtschaftliche Tätigung zulässig, wenn "ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert". In der neuen Fassung heißt es hingegen, "... wenn ein öffentlicher Zweck die Betätigung rechtfertigt". Erschwerend kommt hinzu, dass damit Tätigkeitsbereiche von dieser Schutzklausel ausgenommen werden und zu dem das ansonsten übliche Örtlichkeitsprinzip, das die wirtschaftliche Betätigung ausdrücklich auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt, gemäß § 107 Abs. 3 und 4 GO NW durchbrochen wird.
Die kommunale Wirtschaft muss auch weiterhin die Rolle spielen, die ihr zukommt. Auch in Zukunft, erklärten übereinstimmend die Vertreter der Stadtwerke. Von allen Städten über 500.000 Einwohnern hat nur eine Stadt (München) ein kommunales Unternehmen, erklärte Karl-Heinz Lause, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf.
Johann Philipps, Innung Bochum: "Ich will klipp und klare Vereinbarungen haben!" |
Das Ausleseprinzip, der Wettbewerb, werde weitergehen, erklärte Lause, am Ende werde es nur Gewinner oder Verlierer geben.
Der Vorteil, den die Stadtwerke hätten, sei die Kundennähe; die Stadtwerke brauchten das Handwerk, Handwerke und GVU’s - das ist eine Schicksalsgemeinschaft, so Lause.
Lause appellierte an die Teilnehmer der Diskussionsrunde, zu einem neuen Rollenselbstverständnis zu kommen. Die Stadtwerke gingen dazu über, die Leistung stärker an den Markt zu geben; dazu brauchten sie neue Partnerschaften.
Nach Meinung von Bernhard Wilmert, Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum, gibt es für ihn eine natürliche Partnerschaft zwischen Handwerk und Stadtwerken. Heute gäbe es nur noch vier Verbundunternehmen, vor Jahren noch acht Unternehmen.
"Wir brauchen ein Stück mehr Freiheit", erklärte Bernhard Wilmert. Im Übrigen müssten Handwerker und Stadtwerke zusammenrücken; Dienstleistungen würden ausschließlich mit dem Handwerk abgewickelt.
Wilmert sprach sich für eine Änderung der Gemeindeordnung NRW zusammen mit dem Handwerk aus.
Prof. Dr. Bernhard Stüer, Fachanwalt für Steuerrecht, Münster, stellte die Frage: "Wo bleibt das Handwerk?". Stüer erläuterte die jüngsten Beschlüsse des Juristentages in Berlin mit dem Tenor, dass zwischen öffentlichen Unternehmen, beispielsweise Stadtwerken und dem mittelständischen Unternehmen in Zukunft mehr Chancengleichheit gelte. Außerdem solle das Subsidiaritätsprinzip, das bislang zu einer relativen Waffengleichheit zwischen Stadtwerken und mittelständischen Unternehmen geführt habe, in Zukunft aufgehoben werden. Die Tendenz sei eindeutig erkennbar: Der Rechtsschutz zugunsten der mittelständischen Unternehmen, also auch des SHK-Handwerks, ist eindeutig auf dem Rückzug.
Für die Stadtwerke Bochum sieht Wilmert die Notwendigkeit mehr Freiheit durch die Gemeindeordnung zu bekommen, aber nicht gegen das Handwerk, sondern für das Handwerk. |
Obermeister Dieter Lackmann, Facility Care Management, Münster, erläuterte beispielhaft für das Miteinander von Stadtwerken und Handwerk verschiedene Kooperationsmodelle, die in Münster mit den Stadtwerken gefahren werden. Er erwähnte die Wartungsinitiative sowie das neue Thermokonzept - ein neues Kooperationsmodell zwischen Stadtwerkern und Heizungsbauern.
In der anschließenden Diskussionsrunde warnten einige Diskussionsteilnehmer davor, dass sich die Handwerksbetriebe in die Abhängigkeit der Stadtwerke begeben und "später als Subunternehmer die Preise diktiert bekommen".
Gerade in Nordrhein-Westfalen sind die Kommunen sehr aktiv, meinte ein Teilnehmer und forderte eine Korrektur, da die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen unter der "Schutzglocke der Wettbewerbsverzerrungen" stattfinde.
So trügen kommunale Unternehmen kein Konkursrisiko, seien steuerlich begünstigt und hätten bei der Auftragsvergabe ein "institutionellbedingten Informationsvorsprung".
Geißdörfer erwähnte zum Schluss der Veranstaltung das vom Verband kommunaler Unternehmen NRW (VKU) initiierte Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit Handwerksbetrieben und Stadtwerken, das zur Zeit vom Institut für angewandte Innovationsforschung (Staubinstitut) an der Universität Bochum erarbeitet werde. Das Institut sei dabei, Entwicklungsperspektiven für die Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und dem Handwerk zu erarbeiten. Nach wie vor offen ist, wie eine partnerschaftliche Arbeitsteilung zwischen Handwerksbetrieben und Stadtwerken organisiert werden kann, um gemeinsam Kunden zu binden oder neue Märkte zu erschließen.
Etwa 50 Teilnehmer informierten sich aus "erster Hand" beim "Fachverband im Dialog". |
Die Thesen von Prof. Großekettler, Universität Münster, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats im Bundesfinanzministerium, fand Geißdörfer sympathisch.
Alle kommunalen Töchter werden angehalten, eine so genannte Begründungspflicht jährlich abzugeben.
Sie sollten privatisiert werden, wenn die Kostenvergleiche (Ziff. 1) am Ende des Jahres gezeigt haben, dass sie nicht wirtschaftlich arbeiteten.
Unternehmen und Verbandsorganisationen sollten in Zukunft ein Verbändeklagerecht erhalten.
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