IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/2002, Seite 19 ff.
SANITÄRTECHNIK
Vorbeugender Brandschutz in der Haustechnik
Bodenabläufe mit Brandschutz-Set
Dipl.-Ing. Thomas Meyer, Bernd Prümer*
Sind Bodenabläufe die bisher unbeachtete Feuerbrücke zwischen den Geschossen und damit eine tödliche Gefahr bei Bränden innerhalb von Gebäuden? Großbrände wie am Düsseldorfer Flughafen zeigen in erschreckendem Maße, welche Auswirkungen mangelhafte Schutzvorkehrungen, besonders die Verwendung nicht brandschutztauglicher Produkte, nach sich ziehen.
Bisher wurde das Thema Bodenabläufe in Bezug auf den vorbeugenden Brandschutz eher beiläufig behandelt. Bodenabläufe sind aber notwendige Entwässerungsgegenstände, um Abwasser vom Boden aufzunehmen und sicher über die Entwässerungsrohre abzuleiten. Sie werden größtenteils im Boden von Nassräumen eingebaut. Speziell bei Einbau in Gebäuden der besonderen Art und Nutzung wie Krankenhäuser, Altenheime, Hotels oder Schulen ist die entsprechende Feuerwiderstandsklasse - z.B. F 30 bis F 120 von Decken - zu beachten. Bei der Auswahl der richtigen Bodenabläufe ist für den Planer die Kenntnis der gültigen Normen und Vorschriften von besonderer Bedeutung.
Dabei stellen sich drei Fragen:
- Lässt sich von der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) ableiten, wie Bodenabläufe brandschutztechnisch richtig in Decken mit Brandschutzanforderungen einzubauen sind?
- Genügt die Montage von nicht brennbaren Bodenabläufen in Verbindung mit nicht brennbaren Rohrleitungen?
- Reichen die Anforderungen der DIN 4102-11 - Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen, Rohrummantelungen, Rohrabschottungen, Installationsschächte und -kanäle sowie Abschlüsse ihrer Revisionsöffnungen - für die Prüfung von Bodenabläufen aus?
Kritische Fragen, die man zu diesem Thema stellen muss, bedenkt man, dass bei Bränden Menschenleben in Gefahr sein können.
Normen und Vorschriften
Die Ziele des vorbeugenden Brandschutzes sind in den einzelnen Landesbauordnungen per Gesetz geregelt. Wobei Teile oder sogar der komplette Inhalt der MLAR als Technische Baubestimmung eingeführt sind. Ebenso ist die DIN 4102-11 in den meisten Bundesländern als Technische Baubestimmung eingeführt. DIN 4102 regelt:
- die Klassifizierung des Brandverhaltens von Baustoffen und Bauteilen,
- die entsprechenden Prüfungen.
In der MLAR wird das Thema Bodenabläufe jedoch mit keinem Wort erwähnt. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ein Bodenablauf im Gegensatz zu einer geschlossenen Rohrleitung der offene Anfangspunkt einer Rohrleitung ist. Wenn sich also aus irgendeinem Grund im Brandfall die Rohrleitung vom Bodenablauf löst, ist eine offene Verbindung zwischen zwei Geschossen vorhanden. Nur die relativ kleine Wasservorlage im Geruchverschluss trennt dann noch die beiden Geschosse voneinander. Daraus resultiert die Überlegung, ob "Bodenabläufe in der Decke" mit "Rohrdurchführungen durch die Decke" gleichzusetzen sind?
Zurzeit zieht man die DIN 4102-11 heran, in der Bodenabläufe zumindest erwähnt sind. Wer in der Prüfanordnung der DIN 4102-11, Absatz 6, Pos. 2, genau nachschaut, stößt auf einen gravierenden Unterschied: Beim Brandtest von Rohrleitungen wird der Rohrstrang offen bis über die angenommene Dachdecke geführt (Be- und Entlüftung der Abwasserfallleitungen). Der Rohrstrang selbst ist so gesichert, dass er von einem Geschoss zum anderen keine Temperatur weiterleitet, nicht ausgast, sich nicht entzündet und auch keinen Rauch und kein Feuer zwischen Decke und Rohrleitung durchlässt. Aber: Heiße Brandgase dürfen über das nach oben offene System "ins Freie" entweichen. Eine durchaus reale Situation.
Bei Bodenabläufen ist die Situation eine andere
Bodenabläufe sind die Anfangspunkte einer Rohrleitung - anders ausgedrückt: Bodenabläufe, besonders solche mit senkrechtem Abgangsstutzen, sind im Gegensatz zu Rohren zum nächsten zu schützenden Raum offen. Bei normaler Funktion dürfen keine Kanalgase über einen Bodenablauf in den Raum eindringen. Ebenso darf im Brandfall weder Feuer noch Rauchgas in das nächste Geschoss gelangen. Im Brandfall heißt das: Wenn bei einer Feuertemperatur von 1000°C und einem Rauchgasdruck mit etwa 10 Pascal keine Rohrleitung mehr vorhanden ist oder Öffnungen im Rohr frei werden, liegen am Stutzen des Bodenablaufes die volle Feuertemperatur und der volle Rauchgasdruck an. Eine gefährliche Situation.
Darüber hinaus belegen von Feuerwehr und Brandermittlern aufgenommene Bilder von Brandstellen schon seit langem, dass auch unbrennbare Rohrmaterialien in der Regel bei einem Vollbrand abstürzen können. Oder durch wegschmelzen der Dichtungs- oder Schalldämmeinsätze zumindest Öffnungen unter den Bodenabläufen freigeben. Rohrleitungen in Verbindung mit Bodenabläufen schützen somit nicht ausreichend vor dem Durchbruch von Feuer und Rauch. Ist also der Bodenablauf brandschutztechnisch der kritische Punkt in der Decke, muss dieses Bauteil mit höchster Sicherheit gewährleisten, dass im Brandfall weder Feuer noch Rauch zur nächsten Etage durchdringen können.
Die Praxis: Bisher schloss man bei heiklen brandschutztechnischen Anforderungen vielfach Guss- oder Stahlrohrentwässerungsleitungen an die Bodenabläufe an. Die Bodenabläufe wurden in eine Kernbohrung eingesetzt und vermörtelt; damit war scheinbar den Anforderungen entsprochen. Heute, nach Erreichen eines neuen Standes der Technik, erfüllt eine solche Ausführung die brandschutztechnischen Erfordernisse nicht mehr ausreichend.
Voruntersuchung: "Sichere Installation" unsicher
Bild 1: Abläufe in Betondecke eingegossen. |
Die beschriebene Situation, die teilweise erschreckende Unkenntnis und die diffusen Angaben im Bereich der allgemein anerkannten Regeln der Technik gaben letztlich den Anstoß zur genaueren Prüfung der physikalischen Vorgänge bei einem Brand unter der Decke im Bereich von Bodenabläufen. Erste Versuche zeigten sehr schnell, dass eine Gussrohrleitung allein keinen ausreichenden Schutz bietet. Für weitere Tests wurden Bodenabläufe aus Gusseisen und Edelstahl in eine entsprechende Betonplatte eingegossen (Bild 1). Als Entwässerungsleitung unter dieser "Decke" wurde jeweils eine Gussrohrleitung DN 100 installiert und optimal befestigt. Schon in den ersten Minuten des Brandversuches kam es zu einem enormen Hitzeanstieg an den Messpunkten über den Bodenabläufen. Die Wasservorlage verkochte (Bild 2) sehr schnell, sodass Rauchgase durch den Geruchverschluss austraten.
Bild 2: Kochende Wasservorlage. |
Bei der Versuchswiederholung nahm man dann nach gängiger Praxis eine "sichere Installation" vor. Ein Guss-Rohrleitungsstrang erhielt als Wärmedämmung eine A 1 Mineralwolle-Isolierung (40 mm dick, Gewicht 40 kg/m2), die mit dem aufgesteppten Edelstahldraht befestigt wurde. Ein zweiter Rohrleitungsstrang wurde mit einlagig angebrachten Brandschutzplatten (20 mm dick) umhüllt. Das Ergebnis: ein kurzer Zeitgewinn, aber letztlich keine wesentliche Verbesserung. Die Elastomereinlagen in den Halteschellen und den Verbindern verbrannten rasch. Die kraftschlüssigen Verbinderschellen weiteten sich in der Hitze, gaben nach und erlaubten dem schweren Guss-Rohrstrang sich zu senken und Öffnungen zwischen Bodenablauf und Rohrleitungen freizugeben (Bilder 3 und 4). Normal entflammbare Rohrleitungen wurden in diesem Fall nicht getestet. Sie wären komplett abgeschmolzen und abgebrannt. Durch die entstandenen Öffnungen trafen die heißen Rauchgase auf die Wasservorlage, und die Geruchverschlüsse wurden undicht. Die Wasservorlage floss in die glühenden Gussrohre im Brandraum, und es kam zu einer unerwarteten Dampfexplosion (1 Liter Wasser ergibt 1700 Liter Dampf). Anschließend traten Flammen aus dem Bodenablauf (Bild 5).
Bild 3: Gussrohr senkt sich, Öffnungen werden frei. |
Bild 4: Gussrohr senkt sich, nachdem die Schalldämmeinlage in der Rohrschelle weggebrannt ist. |
Neu-Entwicklung: Brandschutz-Bodenablauf
Diese bis dahin nie genau erforschten und nur von wenigen Feuerwehr-Sachverständigen erahnten Vorgänge weckten bei der ACO Passavant Gebäudeentwässerung GmbH den Entschluss, moderne Bodenabläufe generell mit einer Brandschutzeinrichtung zu versehen. Schließlich wird die überwiegende Zahl in Gebäuden der besonderen Art und Nutzung eingebaut. Auf der Basis dieser Erkenntnisse betrieb man gemeinsam mit der Firma brandschutz.org. eine intensive Entwicklung von Brandschutz-Bodenabläufen. Die klare Zielsetzung: Keine Einzellösung, sondern eine Komplettlösung für die Praxis, ein neuer Stand der Technik musste erarbeitet werden.
Bild 5: Feuer und Rauch treten aus dem Bodenablauf aus. |
Die Materialprüfanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen in Erwitte erhielt den Auftrag, die Bodenablaufserien WAL®-, VARIANT®-SELECTA aus Gusseisen sowie VARIANT®-CR aus Edelstahl für die Feuerwiderstandsklasse R 120 zu prüfen. Mit Erfolg. Alle Bodenabläufe wurden dabei in der Decke des Testofens mit einer Temperatur von 1000°C getestet - 20 Minuten länger als nach DIN 4102-11 gefordert und zusätzlich bei doppeltem Rauchgasdruck! Die senkrechten Bodenabläufe prüfte man komplett ohne Rohrleitung, sodass es später unerheblich ist, welche Rohrleitung an die Bodenabläufe angeschlossen wird oder ob die Rohrleitung hinter dem Bodenablauf im Brandfall funktioniert. Insgesamt waren drei komplette Deckenaufbauten für drei Brandtests notwendig, um alle Abläufe, alle Materialien sowie alle Bauarten waagerecht und senkrecht zu testen (Bilder 6, 7 und 8).
Bild 6: Montage der waagerechten Bodenabläufe in der Versuchsdecke der MPA NRW Außenstelle Erwitte. |
Bild 7: Montage der senkrechten Bodenabläufe in der Versuchsdecke der MPA NRW, Außenstelle Erwitte. |
Bild 8: Prüfdecke mit den nicht brennbaren Brandschutz-Bodenabläufen auf dem Testofen der MPA NRW, Außenstelle Erwitte. |
Ergebnis mit Folgen
Die Prüfungen zeigten, dass die getesteten Bodenabläufe aus Gusseisen und Edelstahl mit waagerechtem Auslaufstutzen auch ohne eine Brandschutzausrüstung der Feuerwiderstandsklasse R 30 bis R 120 voll entsprechen, wenn nachfolgend beschriebene Randbedingungen eingehalten werden:
- Entfernung Mitte Bodenablauf bis Mitte Fallstrang mind. 600 mm
- ausreichende Unterdeckung der Rohrleitung im Deckenbereich
- Verrohrung mit Gussrohr (Bild 6).
Die Bodenabläufe mit senkrechtem Auslaufstutzen entsprechen der Feuerwiderstandsklasse R 30 bis R 120, wenn sie mit einer Brandschutzausrüstung versehen sind. Dadurch wird im Brandfall auch unter ungünstigen Bedingungen ein direkter Zugang zum nächsten Geschoss unterbunden. Diese Brandschutzausrüstung (Brandschutzset) besteht aus einem Brandschutz-Geruchverschluss mit Hitzeschild und einer Brandschutz-Kartusche aus Intumeszenzmaterial (Anschwell-, Blähmaterial) (Bild 9). Bei einem Brand fängt der Hitzeschild im Geruchverschluss die erste Hitze ab, bis das Intumeszenzmaterial der Brandschutz-Kartusche durch Aufschäumen im Stutzen des Bodenablaufes den Bodenablauf sicher gegen Feuer und Rauchgase verschließt. Diese Brandschutzsets lassen sich auch nachträglich in die entsprechenden Bodenabläufe einsetzen (Bilder 10 und 11).
Bild 9: Die ACO Passavant Brandschutz-Kartusche im Stutzen des Bodenablaufes nach dem Brand. Es hat sich ein Verschluss gebildet, der den höchsten Brandschutzanforderungen genügt. |
Überarbeitung der Norm erforderlich?!
Zusammengefasst ist damit ein neuer Stand der Technik erreicht. Auf der Grundlage der Erkenntnisse müssen die Anforderungen an Brandschutz-Bodenabläufe neu überdacht werden. Zum Thema MLAR ist zu sagen, dass im Gegensatz zu durchgehenden Rohrleitungen Bodenabläufe die Anfangspunkte von Rohrleitungen sind. Das bedeutet: Sie sind einseitig offen zum nächsten Geschoss. Dadurch besteht im Brandfall die Gefahr, dass Feuer und Rauch unkontrolliert übertragen werden können. Die Bausituation entspricht also keinesfalls der einer Rohrdurchführung durch eine Wand oder Decke. Folglich lässt sich auch die MLAR hier nicht ohne weiteres auf den Einbau von Bodenabläufen in Brandschutzdecken anwenden. Die zusätzliche Aufnahme von Bodenabläufen mit entsprechenden Montage- und Ausführungshinweisen wäre deshalb eine sinnvolle Ergänzung.
Bild 10: Einsetzen des Brandschutzsets in den Bodenablauf DN 50 aus Gusseisen, Auslaufstutzen senkrecht (90°). |
Auch die Montage von nicht brennbaren Rohrleitungen in Verbindung mit nicht brennbaren Bodenabläufen in Decken mit Brandschutzauflagen reicht nicht grundsätzlich aus. Wie die Versuche zeigen, können sich auch nicht brennbare Rohrleitungen im Brandfall vom Bodenablauf lösen und damit Öffnungen freigeben, die zur Brandübertragung führen können.
Wie steht es vor diesem Hintergrund um die Prüfanforderungen für Bodenabläufe in der DIN 4102-11? Die Antwort: Die derzeitigen Angaben für die Brandschutzprüfung von Bodenabläufen sind für die Bodenabläufe mit waagerechtem Auslaufstutzen, bei denen die angeschlossene Rohrleitung in der Decke verzogen wird, sicher ausreichend. Geht man aber davon aus, dass die überwiegende Zahl der Bodenabläufe mit senkrechtem Auslaufstutzen eingebaut wird und in DIN 4102-11 dazu keine klaren Angaben gemacht werden, ist eine Überarbeitung der Norm zu erwägen.
Bild 11: Einsetzen des Brandschutz-Glockengeruchverschluss DN 100 in den Bodenablauf DN 100, Auslaufstutzen senkrecht (90°). |
Grundsätzlich ist zu beachten, dass in Decken, die einer Feuerwiderstandsklasse zugeordnet sind, Bodenabläufe der gleichen Feuerwiderstandsklasse installiert werden. Dabei ist die Forderung der Landesbauordnungen, keine zusätzlichen Brandlasten in die Decke einzubauen, zu beachten. Durch Verwendung von Bodenabläufen aus nicht brennbaren Werkstoffen wie Gusseisen oder Edelstahl kann dieser Forderung ohne zusätzlichen Aufwand sehr leicht entsprochen werden.
Es scheint deshalb unumgänglich, in Gebäuden der besonderen Art und Nutzung (Krankenhäuser, Heime, Hotels, Hochhäuser etc.), in Decken also mit der Feuerwiderstandsklasse R 90 bis R 120, nur Bodenabläufe einzubauen, die auch die entsprechende Brandschutz-Prüfung nachweisen können. Ebenso sollte besonders darauf geachtet werden, dass nur Intumeszenzmaterialien verwendet werden, die keine zusätzlichen giftigen, toxischen Gase emittieren. Die sicherste Lösung ist grundsätzlich der Einbau von Bodenabläufen mit Brandschutzprüfung bzw. mit geprüftem, integriertem Brandschutz. Das gilt für alle Bodenabläufe. Nur solche Produkte minimieren das rechtliche Risiko für Fachplaner, Installateure und Betreiber! Eine Übereinstimmungserklärung des Produktes mit der MLAR allein kann einen Brandtest nicht ersetzen!
Literaturverzeichnis[1] DIN 4101-11, Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen, Begriffe, Anforderungen und Prüfungen
[2] DIN EN 12056-1, Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden, Allgemeine und Ausführungsanforderungen
[3] MLAR, Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie, März 2000
[4] Brandschutz in der Haustechnik, Bernd Prümer, 2001, Gentner Verlag Stuttgart
B i l d e r : ACO Passavant Gebäudeentwässerung GmbH
* Dipl.-Ing. Thomas Meyer, Produktmanager Entwässerungstechnik
ACO Passavant Gebäudeentwässerung GmbH
Ulsterstraße 3, D-36269 Philippsthal
Bernd Prümer, Inhaber der Firma Brandschutz.org.
c/o DLR-Lampoldshausen, TTZ-M 50 B, D-74239 Hardthausen
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