IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 15/16/2002, Seite 60 ff.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Kundenbindung im HandwerkWerner Neise |
Kundenorientierung bedeutet, das gesamte betriebliche Denken und Handeln auf den Kunden und seine Wünsche, Bedürfnisse und Probleme zu konzentrieren. Da auch das Handwerk seinen Platz in der Dienstleistungsgesellschaft finden muss, wird die Kundenorientierung immer mehr zur Überlebensfrage für jeden einzelnen Handwerksbetrieb.
Die Notwendigkeit stärkerer Kundenorientierung wird in Deutschland von allen Seiten gefordert und diskutiert. Das Handwerk kommt dabei bekanntlich nicht immer allzu gut weg: Störenfried Kunde, Servicewüste Deutschland oder Abzocker in Latzhosen - so lauten häufig die Vorwürfe. Der Leitspruch "Der Kunde ist König" wird hierzulande nur vordergründig akzeptiert und von der inneren Einstellung her unzureichend gelebt. Dies belegen nicht nur Kundenbefragungen, sondern auch ketzerische Parolen, die als Spruchtafeln in vielen Betrieben zu finden sind:
- Der Kunde ist König, aber die Monarchie wurde abgeschafft;
- Der Kunde steht im Mittelpunkt - und damit allen im Wege;
- Alle Kunden sind gleich, mir jedenfalls;
- Kunde droht mit Auftrag;
- Bei uns wird Kundenfreundlichkeit großgeschrieben. Wir schätzen es sehr, wenn unsere Kunden freundlich zu uns sind.
Diese Sprüche sollte man zwar nicht für ein Abbild der Wirklichkeit hernehmen, sie zeigen jedoch, dass hier tendenziell ein großer Nachholbedarf besteht. Denn, in jeder Übertreibung steckt auch immer ein Fünkchen Wahrheit.
Kundenorientierung als Geschäftsgrundlage
Am Anfang jeder Geschäftstätigkeit sollte heute der Kunde stehen. Danach erst kommt das Produkt bzw. die Dienstleistung.
Startpunkt einer kundenorientierten Unternehmensstrategie sind also die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppe (ZG). Wenn man weiß, für wen eine bestimmte Leistung erbracht werden soll, lassen sich Kundenbindungsprozesse sehr viel präziser planen und in den alltäglichen Geschäftsablauf integrieren. Kundenorientierung als gemeinsamen Wert im Unternehmen zu leben und zu praktizieren heißt, den Kunden als Partner absolut in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen. Erst dann gilt es entsprechende Produkte und Problemlösungen, Dienst- und Serviceleistungen zu entwickeln, um dadurch die konkreten Kundenerwartungen zu erfüllen - oder besser noch zu übertreffen - zu können.
Ohne eine Einbindung von Kundenorientierung und Service in eine Unternehmenskultur und Marketingstrategie bleiben alle schnellen Maßnahmen zu mehr Kundenzufriedenheit oberflächlich und zeigen langfristig keine ausreichende Wirkung. Es werden häufig nur äußere Symptome kuriert, aber keine innerbetrieblichen Ursachen abgestellt. Nur durch Bündelung aller Kräfte von innen nach außen werden externe Markt- und Wettbewerbschancen mit speziellen Stärken und Kernkompetenzen in Einklang gebracht.
»Ich habe kein Marketing gemacht, ich habe immer nur meine Kunden geliebt.«
Zino Davidoff, Zigarrenhersteller
Von der Produkt- zur Kundenorientierung
Lange Zeit stand die Angebots- und Produktorientierung im Vordergrund des betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns. Ausgangspunkt aller Überlegungen waren bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die zunächst entwickelt und dann im Markt entsprechend angeboten wurden. Kunden kaufen jedoch keine Produkte, sondern Nutzen. Sie wollen keine CD-ROM, sondern Musik. Ebenso wollen Sie keine Fehlerstromschutzschalter, sie wollen Sicherheit gegen Stromunfälle. Kunden wollen auch keine Badewanne, sondern Entspannung und Wohlbefinden.
Das alte Paradigma über die Bedeutung von Kunden lässt sich durch einen produktorientierten Standpunkt charakterisieren. Produkte werden für einen anonymen Absatzmarkt produziert. Techniker und Produktentwickler wissen schon am besten, was für den Kunden vor Ort das Richtige ist (Bild 1).
Bild 1: Produktorientiertes Marketing bewegt sich in einem anonymen Absatzmarkt. |
Handwerksmeister und Mitarbeiter sind gefragt
Beim neuen Paradigma einer "Kundenorientierten Markt-Kunden-Unternehmen-Mitarbeiter-Beziehung" steht selbstverständlich die bedürfnisorientierte Problemlösung der Zielgruppe im Vordergrund der Aktivitäten. Damit kundenorientiert gehandelt werden kann, bedarf es Führungskräfte und Mitarbeiter, die kompromisslos aus Sicht der Kunden denken, d.h. in ihren Köpfen, aber auch in ihren Herzen den Kunden absolut in den Mittelpunkt stellen (Bild 2).
Bild 2: Kundenorientierung zielt auf zielgerichtete Problemlösungen. |
Die Bedeutung der praktizierten Kundennähe
Der Stellenwert des Kunden für das eigene Unternehmen lässt sich anhand folgender Überlegungen manifestieren.
Ein Kunde
- ist die wichtigste Person in unserem Handwerksbetrieb;
- hängt nicht von uns ab, sondern wir von ihm;
- ist keine Unterbrechung unserer Arbeit, sondern ihr Sinn und Zweck;
- ist jemand, der uns seine Wünsche bringt. Unsere Aufgabe ist es, diese Wünsche gewinnbringend für ihn und für uns zu erfüllen;
- ist keine kalte Statistik, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Vorurteilen und Irrtümern behaftet;
- ist niemand, mit dem man ein Streitgespräch führt oder seinen Intellekt misst;
- ist kein Außenstehender, sondern ein lebendiger Teil unseres Geschäftes.
Wir tun ihm keinen Gefallen, indem wir ihn bedienen, sondern er tut uns einen Gefallen, wenn er uns Gelegenheit gibt, es zu tun.
Vorschläge für eine effektive Kundenorientierung
Qualität sichern
Stellen Sie jeden Tag sicher, dass Ihre Produkte und Dienstleistungen sowie Ihr Service immer mehr Qualität erreichen und der Kunde die wichtigste Person in Ihrem Unternehmen ist.
Beziehungsaufbau
Verankern Sie in Ihrem Unternehmensleitbild ein individuelles Nutzen-Management. Kunden finden ist out, das Gebot der Zukunft heißt, Sie und Ihre Mitarbeiter werden zu Beziehungsmanagern.
Totale Orientierung auf Service- und Dienstleistungen
Rufen Sie Ihre Kunden an und berichten Sie von Ihren ständigen Service-Optimierungen. Bitten Sie um Anregungen und setzen Sie die Kundenwünsche im Servicebereich zuverlässig um. Werden Sie der Partner Ihrer Kunden.
Weiterempfehlung auslösen
Immer wenn sie Kundenerwartungen übertreffen, wird das Gesetz der Mundpropaganda für Sie wirksam. Ihre begeisterten Kunden führen Ihnen neue Interessenten zu, aus denen dann begeisterte Stammkunden werden können. Lösen Sie immer und aktiv Weiterempfehlungen aus.
Einmalige Vorteile bieten
Gestalten Sie für Ihre Kunden einmalige Vorteile, die sie nur bei Ihnen erhalten, z.B.: 24 Stundenservice, Umweltfreundlichkeit der Produkte, Energiesparsamkeit, Kundenfreundlichkeit, Entwicklungsvorsprung, Innovation, Kooperationsstärke, Kundeninformationssystem, Kundenseminare, Einladung zur Jahrestagung usw.
Ideen- und Informationsmanagement gestalten
Gestalten Sie ein intensives Informationsmanagement. Bauen Sie Geschäftsfreundschaften auf und interessieren Sie sich für den Menschen im Kunden, seine Hobbys, Familie und beruflichen Ziele.
Werden Sie die Nr. 1
Nutzen Sie jede Gelegenheit, Ihre Produkte und Dienstleistungen ins Gespräch zu bringen. Bieten Sie individuelle Lösungen für die brennendsten Kundenprobleme in Ihrer speziellen Branche.
Gemeinschaftserlebnisse schaffen
Veranstalten Sie eine Kunden-Gala und laden Sie dazu auch die Freunde Ihrer Kunden sowie die Kooperationspartner ein. Schaffen Sie ein Gemeinschaftserlebnis, um das Stammkunden-Bewusstsein zu festigen und Ihre Abteilung Empfehlungs-Management ständig auszubauen.
Bauen Sie Beziehungsnetzwerke auf
Vernetzen Sie auch Kundengruppen miteinander. Gründen Sie einen Kundenclub mit bestimmten Vorteilen für die Mitglieder. Schaffen Sie über Briefe, E-Mail, Fax, Telefon und Internet Dialog mit Kunden und Interessenten. "Tue Gutes und sprich darüber".
Setzen Sie sich ein
Entwickeln Sie ein besonderes Interesse an Menschen und deren Ziele. Werden Sie zum Spezialisten für "Zielerreichung" in Ihrer Branche. Versuchen Sie Veröffentlichungen in der örtlichen Presse zu platzieren. Halten Sie Referate und mischen Sie mit bei Podiumsdiskussionen. Werden Sie eine Persönlichkeit, die Erfolge ausstrahlt und sich für Kundenerfolge einsetzt.
Bild 3: Kundenpflege ist billiger als Kundengewinnung. |
Kundenorientierung. Vorteile, Folgen, Konsequenzen
Investitionen in Aktivitäten und Maßnahmen zur Kundenorientierung lohnen sich in der Regel immer:
- Es ist fünf- bis sechsmal teurer, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen Stammkunden zu halten;
- Mindestens jeder vierte unzufriedene Kunde wechselt sofort den Anbieter, wenn er eine bessere Alternative hat;
- Jeder zufriedene Kunde bringt mindestens drei weitere neue Kunden;
- Ein unzufriedener Kunde erzählt sein Negativerlebnis zehn weiteren potenziellen Kunden;
- Die Wiederverkaufsrate steigt, je vertrauter und zufriedener Kunden sind;
- Stammkunden weisen eine geringere Preisempfindlichkeit als Neukunden auf;
- Kundenfreundliche Unternehmen können höhere Preise verlangen als der Wettbewerb;
- Die Marketing- und Vertriebskosten zur Erhaltung der Kundenbeziehung sinken.
Neben den Grundgewinnen können über positive Stammkundenbeziehungen Gewinne aus einer erhöhten Kauffrequenz und gestiegenen Rechnungsbeträgen, Gewinne aufgrund geringerer Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie Gewinne aus Preisaufschlägen realisiert werden.
Konzentrieren Sie Ihre Aktivitäten daher vor allem auf die Pflege und Intensivierung Ihrer bereits vorhandenen Kundenbeziehungen, statt auf die Gewinnung von Neukunden (Bild 3).
Nur das Unternehmen, welches auf seine Kunden eingeht, seine Motive und Wünsche erkennt und beachtet, ist auf Dauer gern gesehen.
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