IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 15/16/2002, Seite 42 ff.


REPORT


Verwaltungs- und Produktionsgebäude Solvis

Auf dem Weg zur Nullemissionsfabrik

Sebastian Herkel, Dietmar Riecks, Martin Ufheil*

Die Solvis GmbH & Co KG errichtet im Norden Braunschweigs ein neues Produktions- und Verwaltungsgebäude, welches nahezu vollständig aus regenerativen Energiequellen versorgt wird. Ermöglicht wird dies durch einen sehr guten Wärmeschutz und den Einsatz einer Gebäudetechnik mit geringem Stromverbrauch.

Baubeschreibung

Das Baugrundstück liegt im Norden der Stadt Braunschweig in einem Gewerbegebiet nahe des Mittellandkanals. Die Gruppenbüros und die Aufenthaltsräume sind über zwei Geschosse U-förmig in der Mitte des Produktionsgebäudes integriert, sodass für alle Mitarbeiter kurze Wege entstehen. Erschlossen wird das Gebäude über einen zentralen Gang, der zugleich auch einen großen Teil der Gebäudetechnik aufnimmt. Die Montagebereiche liegen auf der einen Seite des Erschließungsgangs, das Auslieferungslager liegt auf der anderen. Auf der Südostseite schließt sich an die Produktion ein weiterer Büroriegel an. Die Büroriegel und der Erschließungsgang sind aus Stahlbeton, die Dach- und Wandkonstruktion der Produktion aus hochwärmegedämmten Holzleichtbauteilen, die über ein außen liegendes Tragwerk gehalten werden. An die Produktions- und Lagerbereiche schließen sich Beladezonen für LKWs an. Diese wurden in die Produktionshalle integriert, um die Öffnungszeiten der Hallentore beim Be- und Entladen der Lastkraftwagen möglichst kurz zu halten. Auf den nach Südwesten orientierten Beladezonen wird die Solarstromanlage integriert.

Bild 1: Grundriss und Ansicht von Südwesten.

Null Emissionen

Da am Standort als Energieträger für eine Energieversorgung ohne CO2-äqu.-Emissionen nur die Sonne zur Verfügung stand, wurde zur Strom- und Wärmeerzeugung als weitere regenerative Alternative auf Rapsöl zurückgegriffen. Die Produktion von Rapsöl verursacht zwar ebenfalls CO2-Emissionen, wenn diese in konventionellem Anbau durchgeführt wird. Bei einem in prinzipiell möglichen ökologischen Anbau (Energieträger bei der Rapsölproduktion ebenfalls auf Rapsölbasis) ist eine CO2-Neutralität erreichbar.

Die Zielwerte für die Heizwärme mit 40 kWh/(mē a) und für den Stromverbrauch für die Gebäudetechnik mit 20 kWh/(mē a) ergeben sich aus den Grenzwerten des Förderkonzeptes solaroptimiertes Bauen des BMWI. Zusätzlich ergibt sich aus dem Ziel einer CO2-neutralen Energieversorgung und einer maximal zur Verfügung stehenden Fläche von 600 mē für die Installation von PV-Modulen eine Begrenzung auf 20 kWh/(mē a) für Wärme und 12,5 kWh/(mē a) Strom für Gebäudetechnik und Betrieb (Bild 2). Die Zielwerte zeigen auf, dass neben einem sehr geringen Heizwärmebedarf insbesondere der Strombedarf für die Gebäudetechnik einen sehr geringen Kennwert erreichen sollte. Schwerpunkte der Optimierung lagen deshalb auf einer energieeffizienten Lüftung, einer guten Versorgung mit Tageslicht und angepasster Beleuchtung sowie einer Integration der solaren Energieversorgung.

Bild 2: Notwendige Überschüsse aus der photovoltaischen Stromversorgung zum Erreichen einer neutralen CO2-Bilanz in Abhängigkeit des spezifischen Energieverbrauchs für Strom und Wärme. Hervorgehoben ist die installierte spezifische Leistung der PV-Anlage: Bei einem jährlichen Ertrag von 5,5 kWh/mē bezogen auf die Nettogrundfläche darf der Wärmebedarf maximal 19 kWh/mē betragen, der Strombedarf 12,5 kWh/mē (Berechnungsgrundlage ist eine Versorgung mit einem Rapsöl-BHKW mit hth = 61% und hel. = 38%. Das Verhältnis der CO2-Äquivalente von Rapsöl zu Netzstrom beträgt 120 kg CO2/680 kg CO2. = 0,17. Bewertet mit 1/hel. ergibt sich ein Verhältnis von 0,46 kWhPV-Überschuss/kWhel. Rapsöl-BHKW um durch die PV-Netzeinspeisung eine ausgeglichene CO2-Bilanz zu erhalten).

Raumklima und sommerlicher Wärmeschutz

Der sommerliche Wärmeschutz im Bereich der Büros wird durch einen außen liegenden, zweigeteilten Sonnenschutz gewährleistet. Durch Einsatz einer dreifach Wärmeschutzverglasung wird eine Reduzierung des g-Wertes erreicht. Zusätzlich sind die zu öffnenden Flügel in den Fenstern als Holzpaneel mit einer Vakuumdämmung ausgeführt worden. So lässt sich eine Reduktion des sommerlichen Wärmeeintrags ohne Erhöhung der Wärmeverluste erreichen. Auch die internen Lasten wurden deutlich reduziert, beispielsweise durch ein Leistungsmanagement im Bereich der EDV und durch eine bedarfsorientierte Beleuchtungssteuerung.

Aufgrund der dichten Belegung wird eine sommerliche Entwärmung durch Nachtlüftung (Luftwechsel 3/h) notwendig. Aus Gründen der Einbruchssicherheit des Gebäudes wird diese über eine mechanische Abluftanlage realisiert. Die Arbeitsstunden über 25°C betragen nach Simulationsrechnungen 245 Stunden, das sind weniger als 9 % der Arbeitszeit.

Bild 3: Kumulierte Raumtemperaturen in den Büros während der Arbeitszeiten.

Bild 4: Schematische Darstellung der Hallenlüftung, Schnitt.

Lüftungskonzept für Produktions- und Lagerhalle

An das Lüftungssystem der Produktions- und Lagerhalle werden folgende Anforderungen gestellt:

Der Energiebedarf zur Be- und Entlüftung stellt bei beiden Gebäudeteilen den maßgeblichen Faktor dar. So betragen die Lüftungswärmeverluste etwa 45 % der gesamten Wärmeverluste. Durch Lüftungssysteme zur Wärmerückgewinnung können deutliche Energieeinsparungen erzielt werden. Dem Aufwand für elektrische Energie von 10 MWh/a steht im Bereich der Produktion eine Wärmeeinsparung von ca. 58 MWh/a gegenüber. Damit wird ein Strom-Wärmeverhältnis (Heizzahl) von 1:5,5 erreicht, womit durch den Einsatz der Wärmerückgewinnung im Bereich der Produktion Primärenergie eingespart wird.

Tabelle 1: Kenndaten des Neubaus

Bruttorauminhalt

54.700 m3

A/V-Verhältnis

0,36

Nettogrundfläche

8.120 m2

Kritisch hinsichtlich des Heizwärmebedarfs ist die Luftdichtheit der Gebäudehülle sowie insbesondere das Lüftungsverhalten im Bereich der An- und Auslieferung. Die Hallentore werden für das Ein- und Ausfahren der LKW für 3 Min/Stunde geöffnet. Sind betriebsbedingt solch geringe Öffnungszeiten für die Hallentore nicht zu erreichen, ist mit einem deutlichen Anstieg des Heizwärmebedarfs zu rechnen (pro Min. Öffnungszeit ca 1,5 kWh bei einer Temperaturdifferenz von 17 K). Es erfolgt deshalb eine Verriegelung der Tore gegeneinander. Zielwert für die Luftdichtheit ist n50 = 0,21/h.

Tabelle 2: Wandaufbauten

 

Büro

Halle

Außenwand

Holzrahmen mit 24 cm Dämmung U = 0,20 W/(mēK)

Holzrahmen mit 24 cm Dämmung U = 0,20 W/(mēK)

Dach

Holzrahmen mit 30 cm Dämmung U = 0,16 W/(mēK)

Beton mit 22 cm Dämmung U = 0,17 W/(mēK)

Boden

Estrich, Beton 20 cm, 12 cm WD, U = 0,27 W/(mēK)

Beton 20 cm, 12 cm WD, U = 0,30 W/(mēK)

Fenster

3-fach Wärmeschutzverglasung U = 1,1 W/(mēK), g = 46%

2-fach Wärmeschutzverglasung U = 1,4 W/(mēK), g = 58%

Oberlichter

 

U-Wert 1,8 W/(mēK), g = 50%

Hallentore

 

U-Wert 0,9 W/(mēK)

Tabelle 3: Vergleich: Zu- und Abluftsystem / Abluft mit Wärmepumpe

 

el. Energie
[kWh/a]

th. Energie
[kWh/a]

Strom / Wärmeverhältnis

Investitionskosten Euro

Lüftungs-WRG

16000

44300

1 : 2,8

150.000,- netto

Abluft-Wärmepumpe

13400

40000

1 : 3,0

100.000,- netto

 

Lüftungskonzept für Bürogebäude

Die Anforderungen an die Lüftung in den Büroräumen weichen von denen in den Produktionshallen in folgenden Punkten ab:

Die Lüftungssysteme werden auch außerhalb der Heizperiode betrieben, was aufgrund der hohen Belegung und der Akzeptanz empfehlenswert ist.

Bild 5: Schematische Darstellung der Bürolüftung. Links: Abluftsystem mit Wärmepumpe, rechts: Lüftung mit Wärmerückgewinnung.

Die wichtigsten Kenndaten der einzelnen Systeme hinsichtlich Strombedarf, Wärmerückgewinnung und Kosten sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Die Gegenüberstellung verdeutlicht, dass die beiden Systeme hinsichtlich Energieeinsparung und elektrischem Energiebedarf weitgehend vergleichbar sind. Das Strom/Wärmeverhältnis ist wegen der längeren Laufzeiten außerhalb der Heizperiode deutlich schlechter als bei der Be- und Entlüftung der Produktions- und Lagerhalle. Das Abluftsystem mit Wärmepumpe weist bei nahezu gleicher Wärmeeinsparung einen insgesamt niedrigeren elektrischen Energiebedarf auf. Weiterhin sind die Investitionskosten um ca. 50.000,- Euro geringer. Sowohl aus Sicht der Primärenergiebilanz als auch aus Sicht der Investitionskosten ist daher das Abluftsystem zu bevorzugen.

Bild 6: Zuluftführung im Büro; Schnitt durch die Fassade.

Um Zuglufterscheinungen bei hohen Luftmengen zu vermeiden, erfolgt die Zuluftführung durch die Außenwand und über einen Zuluftkasten. Dadurch wird die Zuluft vorgewärmt, zudem können die tagsüber erforderlichen Zuluftöffnungen nachts wieder elektromotorisch geschlossen werden.

Heizwärmebedarf

Für das Gebäude ergibt sich (nach dynamischer Gebäudesimulation) ein Wärmebedarf von 220 MWh/a, das sind 27 kWh/(mē a) bezogen auf die Nettogrundfläche mit internen Lasten von 150 Wh/(mē d). In Bild 3 wird die Heizwärmebilanz des Gebäudes dargestellt.

Bild 7: Heizwärmebilanz des Gebäudes.

Bild 8: Primärenergiebilanz des Gebäudes.

 

Tageslichtnutzung und Beleuchtung

Die Produktionshalle erreicht durch die Oberlichter einen Tageslichtquotienten im Mittel von drei Prozent, sodass hier eine an die Erfordernisse angepasste Tageslichtversorgung vorliegt. Es erfolgt eine automatische, tageslichtabhängige Dimmung der Beleuchtung durch eine Außenhelligkeitssteuerung. Durch die Steuerung der Dimmung mit einem Außenhelligkeitssensor werden zum einen die Kosten gegenüber einer dezentralen Regelung reduziert. Zum anderen wird eine Abhängigkeit der Fühler von den Reflexionseigenschaften der Oberflächen im Innenraum vermieden. Die Büros haben eine gute Versorgung mit Tageslicht, es wird wie in der Produktionshalle eine Gruppierung der Beleuchtung mit einer tageslichtabhängigen Steuerung und Dimmung vorgesehen.

Tabelle 4: Zusammenstellung der elektrischen Verbraucher

Verbraucher

Erläuterung

elektr. Leistung [kW]

Laufzeit [h]

Energiebedarf [MW/h/a]

Lüftung Produktion

 

5,8

1800

10

Lüftung Büro

Tagbetrieb (Abluft)
Tagbetrieb (WP)
Nachtlüftung

0,7
5,6
2,7

3100
1600
800

2
9
2

Umluftkühler

Serverraum

0,7

5500

2

Sonstige

Pumpen, Vakuumentwässerung etc.

 

 

10

Beleuchtung

 

64

1100

70

S Gebäudetechnik

 

 

 

105

Grundlast Produktion

 

 

 

15

Betrieb Produktion

 

 

 

25

Betrieb Büro

 

7,5

2000

15

S Nutzung

 

 

 

55

Gesamt

 

 

 

160

Strom und Wasser

Schon jetzt wird ein Großteil der elektrischen Energie (ca. 55%) zur Beleuchtung und EDV/Kommunikation benötigt. Für den Bereich der elektrischen Energieversorgung wird daher empfohlen, vorrangig "konventionelle" Energiesparmaßnahmen durchzuführen. Hierzu zählen die Beleuchtungssteuerung, TL5-Leuchtstoffröhren, Flachbildschirme, energiesparende Antriebe für Pumpen und Ventilatoren sowie ein energiesparender Betrieb der EDV-Systeme. Durch eine Vakuumentwässerung wird der Wasserbedarf um 80% gegenüber einer herkömmlichen Entwässerung reduziert. Die restlichen Abwässer werden in die städtische Kanalisation eingeleitet.

Solare Energieversorgung

Die Wärmeversorgung erfolgt über ein Rapsöl-BHKW (180 MWh/a), eine Kollektoranlage (20 MWh/a) und durch die Abwärme aus der Entwicklungsabteilung (20 MWh). Der Strombedarf wird über eine 60 kWp PV-Anlage (45 MWh/a) und über das Rapsöl-BHKW (115 MWh) gedeckt. Damit wird eine Energieversorgung durch regenerative Energiequellen erreicht. Der Primärenergiebedarf für Wärme und Strom beträgt 700 MWh/a, das sind 90 kWh/(mē a). Durch die Kollektoranlage und den PV-Generator wird ein solarer Deckungsbeitrag von 22 % erreicht. Ein weiterer Ausbau der photovoltaischen Stromerzeugung wird sowohl ökonomisch als auch durch die Leichtbaukonstruktion der Halle begrenzt.

Die im Gebäude aufgestellten, nicht gedämmten Sprinklertanks dienen als Pufferspeicher für die150 mē Kollektoranlage und damit als Niedertemperaturstrahlungsheizung. Die Abwärme aus den Brennern des Entwicklungsbereiches wird über eine Sammelschiene dem Pufferspeicher des Rapsöl-BHKW zugeführt. Die Abwärme der EDV-Zentrale dient im Winter als Heizungsunterstützung der Lagerhalle, im Sommer kommt hier ein Umluftkühler zum Einsatz.

Bild 9: Strom- und Wärmebedarf des Gebäudes bezogen auf die Nettogrundfläche. Gegenübergestellt werden die Kennwerte des neuen Gebäudes mit und ohne Strombedarf für die Produktion (Solvis Gebäudetechnik und Solvis mit Produktion).

Bei den heutigen Produktionsbedingungen für Rapsöl werden 36 to CO2/a emittiert, für eine im strengen Sinne CO2-neutrale Energieversorgung wäre eine z.Zt. unrealistische Reduktion des spezifischen elektrischen Energiebedarfs von 20 auf 12,5 kWh/(mē a) notwendig oder eine Ausweitung der photovoltaischen Stromerzeugung von 45 auf 100 MWh/a. Bezogen auf den Energiebedarf alleine für die Gebäudetechnik wird aber bereits heute eine CO2-neutrale Energieversorgung erreicht.

 


*) Sebastian Herkel, Fraunhofer ISE, Freiburg; Dietmar Riecks, Banz + Riecks Diplomingenieure BDA, Bochum; Martin Ufheil, solares bauen GmbH, Freiburg


L i t e r a t u r :
Scharmer: "Biodiesel: Energie- und Umweltbilanz Rapsölmethylester" UFOP 2001
BMWI: Förderkonzept solaroptimiertes Bauen, www.solarbau.de 1996
U. Grossmann, W. Stahl: "Innovatives Lüftungssystem in einer Produktionshalle - erste Betriebserfahrungen", 12. Int. Sonnenforum 2000 Freiburg


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