IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2002, Seite 45 ff.
AUSSTELLUNGEN
I.H.M. 2002 - konjunkturelle Schieflage schlägt durch
Schärfung des Angebotsspektrums erforderlich
Die 54. Internationale Handwerksmesse (I.H.M.), die Ende März 2002 auf dem Münchener Messegelände stattfand, brachte für die Aussteller ein mittelmäßiges Ergebnis. Mit 175000 Besuchern wurde der Wert des Vorjahres (191702) nicht erreicht. Der Besucherrückgang um mehr als acht Prozent rührte wohl im Wesentlichen aus der Verunsicherung der Verbraucher und Investoren hinsichtlich des problematischen konjunkturellen Umfeldes. Dieser Besucherrückgang ist keine Ausnahme im Reigen der Messen, die seit Ende letzten Jahres stattfanden. So verzeichnete beispielsweise auch die "cebit" in Hannover, deren Zahlen bislang stets alle Rekorde gebrochen hatten, in diesem Jahr einen schmerzlichen Einbruch. Ähnliches wird von Messen im Handwerksbereich gemeldet.
Eingangsbereich der 54. I.H.M. |
Ein weiterer Mosaikstein, der zum schlechteren Gesamtbild der I.H.M. beitrug, war das Ausbleiben der konzeptionellen Erneuerung und Belebung der Handwerksmesse, die als "große alte Dame" der Handwerksmessenlandschaft bezeichnet werden kann. Trotz eines verheißungsvollen Auftakts im letzten Jahr, fehlte in diesem Jahr der Elan des kreativen Änderungsprozesses. Die Überschriften der zwei Messebereiche, "lifestyle" und "business", nahmen viele Besucher nicht als inhaltliche Klammern, sondern nur als synthetisch gebildete Schlagwörter wahr. Zu vieles wurde gezeigt, das sich weder unter das eine noch das andere sinnvoll subsumieren ließ.
Aussteller skeptisch
Die Aussteller bewerteten ihre Messebeteiligung zu mehr als zwei Dritteln positiv. Angesichts des schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeldes ist nicht überraschend, dass diese Zahl deutlich unter dem Wert des Vorjahres liegt. Wie stark der wirtschaftliche Einschnitt derzeit im Mittelstand ist, lässt sich auch an den Aussagen der Aussteller über die Konjunktur in ihrer Branche ablesen.
Nannten im letzten Jahr noch 12% der Aussteller die Lage ihrer Branche "sehr gut", so sind es in diesem Jahr nur noch fünf. Bei der Note "gut" ging der Anteil um satte 35 Prozentpunkte zurück. Damit werden auch die konjunkturellen und wirtschaftspolitischen Aussagen der Fachverbände, des ZDH und der Handwerksorganisationen, die im Vorfeld der Messe sowie bei den diversen Rahmenveranstaltungen auf der I.H.M. geäußert wurden, konkret bestätigt. Der für dieses Jahr vorhergesagte Verlust von mehr als 60.000 Arbeitsplätzen im Handwerk unterstreicht diesen kritischen Befund. Laut Aussagen der Aussteller trägt auch die immer noch anhaltende Kaufzurückhaltung durch die Euroumstellung zum eingetrübten Konsumklima bei.
Insgesamt erhielt die I.H.M. als Messeveranstaltung von den Ausstellern wie auch in früheren Jahren positive Noten: So wird z.B. die Qualität der Besucher von rund drei Viertel der Aussteller mit "ausgezeichnet" bis "gut" bewertet. Abschlüsse meldeten 39% (47). Das messebedingte Folgegeschäft schätzten 7% (9) der Aussteller mit "sehr gut" ein, 30% (61) mit "gut". Besser stellt sich dies von der Fachbesucherseite dar: 57% (54) haben auf der I.H.M. geordert oder wollten dies im Laufe des Jahres tun.
Zufriedene Fachbesucher
Die Fachbesucher, welche sich über das riesige, aber übersichtlich aufgeplante Messegelände bewegten, bewerteten das Angebot und seine Präsentation auf der I.H.M. zu rund 80% mit "ausgezeichnet" bis "gut", wobei die Vollständigkeit des Angebots sowie die Qualität der Besucherinformationen überdurchschnittlich günstig abschnitten.
Die Fachbesucher kamen zu zwei Dritteln aus dem Handwerk, zu je 12% aus der Industrie und aus dem Dienstleistungsbereich. Diese Verteilung entspricht den Vorjahreswerten.
Die Motive zum Messebesuch waren in erster Linie allgemeine Marktorientierung, Information und Suche nach Neuheiten, Erweiterung des Fachwissens und auch die Pflege bestehender Geschäftsbeziehungen sowie die Vorbereitung von Kaufabschlüssen.
Japanischer Schäffler bei der Ausübung seiner faszinierenden Handwerkskunst. |
Sonderschauen ziehen Besucher an
Traditionell prägen die Sonder- und Leistungsschauen den einzigartigen Charakter der Internationalen Handwerksmesse in München. Ein Publikumsmagnet war die "EXEMPLA" mit ihrer "Welt der Hölzer". Hier konnte man beispielsweise einem japanischen Schäffler bei seiner faszinierenden Handwerkskunst an Ort und Stelle zuschauen. Auch die Schmuckschau, die Sonderschau "Talente" und die Sonderschauen des Schreiner-, des Metall- und des Kfz-Handwerks zogen etliche Zuschauer in ihren Bann.
Den Verantwortlichen der Sonderschau "Leben mit Glas" gelang es auch in diesem Jahr wieder, ein vielseitiges und ästhetisch ansprechendes Konzept unter dem bereits etwas abgedroschenen Titel "Umwelt" zu realisieren. Dieser kreative Nukleus könnte, ein zugkräftiges und zukunftsorientiertes Thema im nächsten Jahr vorausgesetzt, zu einer der Top-Attraktionen der I.H.M. 2003 werden.
Neue Initiativen wurden im Rahmen der seit langem bestehenden Orientierung der I.H.M. in Richtung Süden und Südosten Europas gestartet. Ein sichtbares Zeichen dafür waren die bayerisch-toskanische Sonderschau "Naturalmente!" und die Präsentation des lombardischen Handwerks. Beide fanden, nicht zuletzt wegen der geographischen und emotionalen Nähe Bayerns zu Italien, beim Publikum großes Interesse.
Neben der langjährigen Beteiligung Kroatiens und Sloweniens war seit vielen Jahren erstmals wieder Serbien mit einem Gemeinschaftsstand vertreten. Österreich und Südtirol boten als ausländische Partner erneut ein hochwertiges und breit gefächertes Angebot. Moderne ökologische und technische Entwicklungen spiegelten sich im Aktions- und Beratungszentrum "Energie + Umwelt" sowie in der Sonderschau "IT + INTERNET live" wider.
Ein Anziehungspunkt besonderer Art war die Beteiligung der Brauer und Mälzer im Rahmen einer Gemeinschaftsbeteiligung der Handwerkskammer Oberfranken. Die Vielfalt der Biersorten aus dem Bezirk mit der größten Brauereidichte der Welt war sogar dem Bundeskanzler ein kurzfristiges Abweichen vom Messe-Rundgang wert.
Designorientierte Ausstellungsstücke im Messebereich "lifestyle" -Wohnvisionen. |
Politische und wirtschaftliche Rahmenveranstaltungen
Die Rolle der I.H.M. als Leitmesse des Handwerks und des Mittelstands wird durch Umfang und Qualität ihrer Rahmenveranstaltungen unterstrichen. Hervorzuheben ist dabei das traditionelle "Münchner Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft". Die Präsidenten der wirtschaftlichen Spitzenverbände führten wieder mit Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Gespräch über aktuelle Probleme, wie z.B. die Arbeitslosigkeit, den Mittelstand benachteiligende Steuerregelungen, die Schwarzarbeit etc.
Der mit öffentlichen Mitteln geförderte Kongress zur EU-Osterweiterung mit starker internationaler Beteiligung befasste sich ausführlich mit den Möglichkeiten bei der Realisierung der EU-Osterweiterung im institutionellen und betrieblichen Bereich. Zahlreiche andere Veranstaltungen, wie z.B. eine interessante Podiumsdiskussion der Handwerks-Junioren mit prominenten Wirtschaftspolitikern rundeten die Reihe der Rahmenveranstaltungen ab.
ZDH-Präsident Philipp traf mit Kanzler Schröder und BDA-Präsident Hundt zum "Münchener Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft" zusammen. |
Fazit
Insgesamt lässt die diesjährige I.H.M. das Resümee zu, dass vieles aus nahezu aller Herren Länder geboten wurde für ein im oberen Drittel liegendes Eintrittsgeld (10,00 EURO für die Tageskarte plus 5,00 EURO für einen Parkplatz). Dennoch ist leider die Aneinanderreihung verschiedenster Höhepunkte und Sonderschauen kein Erfolgsrezept für die Zukunft. Der durchgängige Bogen der Messe fehlt, sowohl innerhalb der beiden Teile "lifestyle" und "business" wie auch zwischen den beiden. Die im letzten Jahr begonnenen Schritte in die richtige Richtung sind nicht konsequent weiter geführt worden.
Eine Erweiterung des nächstjährigen Angebots durch die zusätzliche Aufnahme der "Garten München" steht bevor. Eine Abrundung des Angebots wird dadurch allerdings nicht erreicht!
Sonderthema "Energie + Umwelt" in Szene gesetzt. |
Für die nächste I.H.M. (13. bis 19. März 2003) möchte man der veranstaltenden GHM - Gesellschaft für Handwerksmessen mbH zurufen: "Less is more" oder auf gut Deutsch: "Schuster bleib bei deinem Leisten". Man wird im nächsten Jahr bei den Ausstellerbewertungen sehr kritisch analysieren müssen, ob ein erhofftes Mehr an Besuchern auch zufriedenere Aussteller generieren kann. Die I.H.M. braucht ein schärferes Profil, dann wird sie für den qualifizierten Besucher interessant bleiben.
Schlaglichter
Wichtig bleibt für eine so große Wirtschaftsveranstaltung wie die 54. Internationale Handwerksmesse München, mit ihren ausgeprägten Investitions- und Konsumgüterbereichen, das konjunkturelle Umfeld. Festzuhalten ist, dass sich zum Spätherbst 2001 die Konjunkturdaten erheblich eingetrübt haben. Die Wachstumsschätzung für 2002 lautet nur noch auf höchstens 0,7% real. Das Handwerk in ganz Deutschland - allerdings mit Schwerpunkt in den neuen Ländern - rechnet für 2002 mit einem Beschäftigungsrückgang um 60000 Personen und beim Umsatz mit einer "roten Null", erklärte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hanns Eberhard Schleyer, anlässlich der Eröffnungspressekonferenz zur 54. IHM. Die Binnenkonjunktur lahmt weiter, die Kaufzurückhaltung der Kunden hinterlässt auch im konsumnahen Handwerk deutliche Spuren.
Die Konjunktur schlägt auch auf den Ausbildungsmarkt durch. Die Statistiker der Handwerkskammern haben zum Stichtag 31.12.2001 einen Rückgang von rd. 14.000 abgeschlossenen Lehrverträgen gezählt. Bei insgesamt 190535 Verträgen ist das ein Minus von 6,8 % gegenüber dem Vorjahr.
Neben dem neuen Phänomen des Lehrlingsmangels ist das Handwerk in steigendem Maße von einem Facharbeitermangel betroffen. In einzelnen Branchen und Regionen sind insgesamt knapp 170.000 Stellen für Fachkräfte offen und sogar für über 50.000 Hilfskräfte gibt es Arbeit, erklärte Schleyer. Da wir 2001 gleichzeitig rd. 200.000 Mitarbeiter des Handwerks verloren haben, müssen wir u. a. auf eine weitgehende Wirkungslosigkeit der bisherigen Arbeitsvermittlung schließen.
Überdies drohe eine völlig neue Unternehmenskultur auf der Grundlage eines anderen gesellschaftlichen Modells: Weg von den inhabergeführten Unternehmen - das ja gerade das Handwerk kennzeichnet - hin zum "gesichtslosen" Betrieb. Es müsse das Ziel der Steuerpolitik sein, so Schleyer, nicht nur ein rechtsformneutrales Steuerrecht, sondern vor allem ein annähernd belastungsneutrales Steuerrecht zu schaffen. Dazu bedürfte es insbesondere einer weiteren Abflachung des Einkommensteuertarifs mit einer sukzessiven Anhebung der Einkommensgrenzen, ab denen der Spitzensteuersatz greift.
Kooperationen im Handwerk
Auf der Fachtagung "Kooperationen im Handwerk" im Rahmen der 54. Internationalen Handwerksmesse wurde deutlich, dass der rasante technische Fortschritt von den Handwerksbetrieben ein größeres Informations- und Wissenspensum verlange. Auch die Anforderungen an die Investitionen in Maschinen und Werkzeuge werden immer größer. Hier bieten Kooperationen die Chance, den eigenen Wissens- und Erfahrungsschatz mit dem geeigneten Partner zu verbinden und damit ein Netz von Know-how und Leistungsfähigkeit zu schaffen, das individuell für kleine und mittlere Betriebe immer weniger zu erreichen ist.
Die Schwierigkeiten wurden deutlich genannt:
Problem Nr. 1: Handwerker sind Individualisten, die ungern auch nur einen Teil ihrer Freiheit aufgeben.
Problem Nr. 2: Die rechtliche und organisatorische Gestaltung einer Kooperation ist oft nicht ganz einfach.
Beide Probleme sind aber lösbar, wie auch die Praxisbeispiele deutlich zeigen.
Fazit: Kooperationen sind keine Wundermittel zur Lösung aller Probleme. Sie sind aber ein probates Instrument, das wesentlich dazu beitragen kann, dass das Handwerk zahlreiche Anforderungen der Märkte besser und effektiver bewältigen kann.
B i l d e r : GHM/Loske
[Zurück] [Übersicht] [www.ikz.de]