IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2002, Seite 22 ff.
SANITÄR-/HEIZUNGSTECHNIK
I90-Installationsschächte nach DIN 4102-4
Häufige Interpretations- und Planungsfehler
Dipl.-Ing. Manfred Lippe*
Der I90-Installationsschacht in der Bauart von I90- bzw. F90-Schachtkonstruktionen wird bei der Gebäudeplanung und in Brandschutzkonzepten gerne angewendet. Bei der haustechnischen Planung und Ausführung können allerdings erhebliche Mängel entstehen, wenn die Ausführungsdetails falsch ausgewählt und festgelegt werden.
Die DIN 4102-4 schreibt unter Kapitel 8.6 folgende Anforderungsprofile fest:
8.6.1 Installationsschächte und -kanäle müssen unter Beachtung der Angaben von Abschnitt 8.6 wie Lüftungsleitungen nach den Angaben der Abschnitte 8.5.1 bis 8.5.6 ausgeführt werden.
8.6.2 Durch Schacht- bzw. Kanalwände durchgeführte Leitungen sind im Bereich der Wände voll einzumörteln, sofern nicht Durchführungen verwendet werden, die allgemein bauaufsichtlich zugelassen sind.
Bild 1: Installationsschacht nach DIN 4102-4 mit offenen Decken. |
Mitgeltende Regelungen für Lüftungsleitungen
Darüber hinaus gelten für Lüftungsleitungen in Schächten nachfolgende Anforderungen (Abschnitt 8.5 Feuerwiderstandsklassen von Lüftungsleitungen):
- 8.5.1.2 Die Klassifizierungen in Abschnitt 8.5 setzen voraus, dass Decken, Balken, Träger usw. an denen Lüftungsleitungen befestigt oder aufgelagert werden, mindestens den entsprechenden Feuerwiderstandsklassen F30 bis F 120 angehören.
- 8.5.2.2 Decken, die die Schächte unterbrechen, müssen einschließlich ihrer Dämmschichten im Bereich der Durchführungen aus Baustoffen der Baustoffklasse A bestehen.
- 8.5.2.3 Abschlüsse von Öffnungen in Schachtwänden müssen mindestens der notwendigen Feuerwiderstandsklasse der Schachtwände entsprechen.
- 8.5.2.4 Lüftungsleitungen, die in Schächte eingefügt werden, sind an den Eintrittsstellen voll einzumörteln.
- 8.5.4.3 Für Decken, die die Schächte unterbrechen, für Abschlüsse von Öffnungen in Schachtwänden und für Lüftungsleitungen, die in Schächte eingeführt werden, gelten die Randbedingungen der Abschnitte 8.5.2.2 bis 8.5.2.4.
Bild 2: I90-Installationsschacht mit geschlossenen Decken (200 mm Vermörtelung). |
Schlussfolgerungen aus der DIN 4102-4, Kapitel 8.6.1 bis 8.6.2:
- Es gibt keine Durchmesserbegrenzungen für Leitungsdurchführungen durch die feuerwiderstandsfähigen Bauteile der I90-Installationsschächte.
- Brennbare und nichtbrennbare Leitungen sind zulässig, wenn sie als Einzelleitungen durchgeführt werden.
- Die Leitungen sind voll einzumörteln. Das ist nur möglich, wenn kein Schallschutz verlangt wird.
- Dünne, brennbare Körperschalldämmungen > 0,5 mm, sind nicht zulässig, da diese gegen das Gebot der vollen Vermörtelung verstoßen.
- Zur Einhaltung des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes können alle Durchführungen mit allgemein bauaufsichtlichen Zulassungen (ABZ) und allgemein bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen (ABP) geplant und ausgeführt werden. Die Abstandsregeln von ABZ/ABP sind zwingend einzuhalten. Bei Kabelabschottungen sind die Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (ABZ) einzuhalten.
- Alternativ können nach den Erleichterungen der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR 03/2000) bei F90-Wand- und Deckendurchführungen, Durchführungsdämmstoffe mit einer Schmelztemperatur von > 1000°C eingesetzt werden. Bei nichtbrennbaren Rohren bis d = 160 mm mit einem Mindestabstand zwischen den Rohren von 1 x d und bei brennbaren Rohren d < 32 mm mit einem Mindestabstand zwischen den Rohren von 5 x d. Bei elektrischen Einzelleitungen 1 x d des größten Außendurchmessers nebeneinander liegender Kabel.
Bild 3: I90-Installationsschacht mit Gemischtbelegung inkl. Raumentlüftungs-System nach DIN 18017-3. |
Hinweis: Aussagen, dass die Abstandsregeln nach den Erleichterungen der MLAR bei Installationsschächten nicht gelten, sind falsch und irreführend.
In Bild 1 wird eine praxisgerechte Kombination dargestellt. Die in den Schacht eingehenden Leitungen werden als geprüfte und zugelassene Durchführungs-Systeme inkl. ABP/ABZ eingesetzt, um die Schachtgröße aufgrund der geringeren Abstandsmaße zu minimieren. Die abgehenden Leitungen werden wahlweise mit ABP/ABZ oder nach den Erleichterungen der MLAR geplant und ausgeführt. Die Mindestbauteildicken sind gemäß ABP/ABZ einzuhalten. Details zu den Erleichterungen nach der MLAR können dem Kommentar zur MLAR [1] entnommen werden.
Die DIN 4102-4 schreibt unter Kapitel 8.6 folgende Anwendungsprofile fest:
- 8.6.3 Installationsschächte und -kanäle, in denen sich brennbare Stoffe - z.B. Dämmstoffe, Leitungen oder Isolierungen aus Baustoffen der Baustoffklasse B - befinden (geringe Mengen von Baustoffen der Baustoffklasse B, wie z.B. Rohrschellen, bleiben außer Betracht), müssen in jeder Decke mit einem mindestens 200 mm dicken Mörtelverguss abgeschottet werden.
- Leerrohre, die diesen Mörtelverguss durchdringen, dürfen keinen größeren Durchmesser als 120 mm besitzen, müssen mindestens 200 mm lang und nach dem Einziehen von Leitungen oder, wenn sie nicht benutzt werden, dicht mit Baustoffen der Baustoffklasse A ausgestopft sein. Anmerkung: Abschottungen in Höhe jeder Decke sind nicht erforderlich, wenn alle Leitungen am Eintritt in den Schacht durch Abschottungen gesichert werden, deren brandschutztechnische Eignung, z.B. durch eine bauaufsichtliche Zulassung nachgewiesen ist.
- 8.6.4 Brennstoffleitungen in Installationsschächten und -kanälen müssen aus Baustoffen der Baustoffklasse A bestehen.
- In Installationsschächten und -kanälen mit Brennstoffleitungen dürfen Leitungen aus Baustoffen der Baustoffklasse B oder Leitungen, die Stoffe mit Temperaturen von mehr als 100 °C führen, nicht verlegt werden.
- Installationsschächte und -kanäle mit den Leitungen nach Abschnitt 8.6 müssen längs gelüftet sein (siehe TRGI und MLAR 03/2000).
Bild 4: Deckenabschottungsprinzip mit nicht klassifizierten Installationsschächten. |
Anmerkung: Die technische Ausführung der Längslüftung bei I90-Schächten ist in der Praxis nicht zu empfehlen. Deshalb Brennstoffleitungen auf getrennten Trassen verlegen.
Schlussfolgerungen aus DIN 4102-4, Kapitel 8.6.3: Wie in Bild 2 gezeigt, müssen die 200 mm Vermörtelungen in Deckenhöhe eingebracht werden, wenn sich brennbare Baustoffe innerhalb des I90-Installationsschachtes befinden.
Installationsvarianten nach Kapitel 8.6.2
Variante 1: Alle Rohre, wie zu Kapitel 8.6.2 in den Schlussfolgerungen beschrieben, werden ohne Dämmung im Bereich der Durchführungen voll vermörtelt, dann sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Achtung, diese Variante verstößt gegen die Anforderungen an den Schall- und Wärmeschutz.
Variante 2: Alle Leitungen werden am Eintritt in den Schacht (z.B. im Bereich der Kellerdecke von unten, wie in Bild 2 dargestellt) mit Durchführungs-Systemen inkl. ABP/ABZ ausgestattet. Damit ist bei richtiger Auswahl der Durchführungs-Systeme Schall- und Wärmeschutz neben dem Brandschutz erfüllt. Achtung: Die Anwendung der Erleichterungen gemäß MLAR ist für die Leitungen am Eintritt des I90-Schachtes nicht zulässig.
Variante 3: Aufgrund der zugelassenen Raumentlüftungs-Systeme mit ABZ müssen bei dieser Variante nur Vermörtelungen von 100 mm Dicke in Höhe der Geschossdecken eingebracht werden. Abschottungen innerhalb der Vermörtelungen sind nicht erforderlich. Alle ein- und ausgehenden Leitungen werden mit Durchführungs-Systemen gemäß MLAR 03/2000 inkl. ABP/ABZ oder nach den Erleichterungen nach MLAR erstellt.
Für die abgehenden Leitungen sind bei voller Vermörtelung keine weiteren Maßnahmen erforderlich (gilt für Variante 1). Wird Schall- und Wärmeschutz verlangt (Variante 2 und 3), bieten sich geprüfte und zugelassene Durchführungs-Systeme mit ABP/ABZ bzw. die Erleichterungen nach MLAR an.
Bild 5: Kostenvergleich Installationsprinzipien. |
Das Deckenabschottungsprinzip als Alternative zum I90-Schacht
Das Deckenabschottungsprinzip ist aus Sicht der Planung und Ausführung bei Beachtung von Brand-, Schall- und Wärmeschutz wesentlich einfacher und wirtschaftlicher herzustellen. Alle Deckendurchführungen werden bei Gemischtbelegung der nicht klassifizierten Schächte im Bereich der F90-Decken mit geprüften und zugelassenen Abschottungssystemen inkl. ABP/ABZ bzw. nach den Erleichterungen der MLAR ausgeführt. Die zutreffenden Abstandsregeln sind einzuhalten.
Kostenvergleich der Installationsprinzipien bei Installationsschächten
Bild 5 zeigt einen praxisgerechten Kostenvergleich unter Beachtung aller relevanten Kosten. Eine Optimierung von Schachtgrößen auf Basis der MLAR mit geringen Abständen bei Durchführungs-Systemen mit ABP/ABZ bringt mehr Rendite für den Bauherrn. Bei F90-Schachtverkleidungen sind die Ausführungen nach den Erleichterungen der MLAR besonders wirtschaftlich einsetzbar.
Bild 6: Abstandsregeln zu anderen Leitungen R60-R90 bei Rechteckdurchbrüchen und Kernbohrungen. |
Abstandsregelungen
Die Abstandsregeln zu anderen Leitungen R60-R90 bei Rechteckdurchbrüchen und Kernbohrungen mit allgemeinem bauaufsichtlichen Prüfzeugnis (ABP) oder allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (ABZ) sind in den Bildern 6 und 7 dargestellt.
Grundsatz: Bei Kombination unterschiedlicher Durchführungs-Systeme, z.B. unterschiedlicher Hersteller, gilt immer der größte Abstand entsprechend ABP/ABZ der nebeneinanderliegenden Durchführungs-Systeme.
Die Abstandsregeln zu anderen Leitungen R60-R90 bei Rechteckdurchbrüchen und Kernbohrungen nach den Erleichterungen der MLAR.
Für Produkte B) bis D) müssen die Werkstoffzulassungen des DIBT vorliegen, bzw. die Werkstoffe müssen in den aktuellen Bauregellisten aufgeführt sein (Bild 7).
Bild 7: Abstandsregeln zu anderen Leitungen R60-R90 bei Rechteckdurchbrüchen und Kernbohrungen nach den Erleichterungen der MLAR. |
Zusammenfassung
Das Thema I-Schächte ist sehr komplex und nicht auf den ersten Blick verständlich. Der Autor hofft, dass die Ausführungen dem Planer und Installateur helfen, den Gesamtkomplex zu verstehen und Fehler zu vermeiden.
L i t e r a t u r :
[1] Kommentar zur Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie MLAR 03/2000
Dipl.-Ing. Manfred Lippe / Dr. Jürgen Wesche
Heizungs Journal-Verlag, Winnenden,
Tel.: 07195/928420, Fax: 07195/928421
Info-Flyer unter
www.MLPartner.de
> Download > Literaturhinweise
[2] EDV-Planungsunterstützung durch TGAplus
Informationen unter www.TGAplus.de
[3] Download verschiedener ABP/ABZ/Montageanleitungen
www.MLPartner.de
> Download > Herstellerdokumente
*) Dipl.-Ing. Manfred Lippe, Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Brand-, Schall- und Wärmeschutz bei Leitungsanlagen der TGA. E-Mail: Manfred.Lippe@MLPartner.de
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