IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 24/2001, Seite 60 ff


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Strategien für Ihren Erfolg

Teil 5: Zielgruppen-Analyse - das brennendste Problem

W. Neise

Probleme sind Aufgaben in Arbeitskleidung. Auch Ihr Handwerksbetrieb muss vor allem Probleme lösen und erst in zweiter Linie Heizungs- und Sanitärtechnische Produkte verkaufen. Wenn Sie erfolgreich sein wollen, müssen Sie deshalb das brennendste Problem Ihrer Zielgruppe kennen.

Der Erfolg eines Betriebes wird nicht von der Größe seiner Kräfte und Mittel bestimmt, sondern von seiner Fähigkeit, Leistungen besser als die Konkurrenz zur Lösung der brennendsten Probleme seiner Zielgruppe einzusetzen. Jede Leistung und jedes Produkt sollte bei Ihren Kunden ein Problem lösen.

Je größer das Problem, desto größer ist die Akzeptanz und die Nachfrage, wenn diese Leistung genau dieses Problem löst. Bei existenziell wichtigen Problemen sind viele Menschen sogar bereit, bedenkenlos nach dem rettenden Strohhalm zu greifen.

Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Stellen Sie sich einen Menschen vor, der auf allen Vieren seit drei Tagen durch die Wüste kriecht. Sein Problem ist: Er hat Durst und nichts zu trinken. Dieser Umstand ist für diese Person von lebensbedrohlicher Bedeutung. Wenn er nicht in Kürze Wasser findet, so wird er sterben. Nehmen wir an, dieser Mensch erreicht eine Oase, und es gibt dort nur zwei Dinge: einen Koffer mit edelsten Kostbarkeiten und eine Flasche Wasser - abgestanden, warm und nur halbvoll. Das Problem dabei ist, dass er um eines der Dinge zu erreichen, einen kleinen Felsen erklimmen muss. Welchen Felsen wird er wohl mit letzter Kraft erklimmen, um sein größtes Problem zu lösen?

Je mehr Probleme, desto besser

Hinter jedem Problem steht der Wunsch nach einer Lösung. Jede Lösung wiederum ist eine Marktchance, die Umsatz und Gewinn verspricht. Viele Handwerker neigen dazu, Problemen der Zielgruppe und Kunden aus dem Wege zu gehen. Machen Sie es anders, nutzen Sie die Chancen, die sich hinter den Problemen verbergen.

Wieder ein Beispiel: Ein Elektromonteur will einen bestellten Elektroherd bei einem guten Kunden abliefern und anschließen. Während der Arbeiten wird er von dem Kunden gefragt, was denn ein BUS-System sei und welche Vorteile sich für den Kunden durch eine Installation ergeben würden. Der Kunde hat ein Informationsproblem. Er kennt die BUS-Technik nicht und auch nicht die Anwendungsmöglichkeiten eines solchen Systems. Er wendet sich an den vermeintlichen Fachmann - seinen Elektromonteur. Dieser hat nun die Chance, den Kunden zu informieren und als der Problemlöser aufzutreten und so letztlich vielleicht einen Auftrag zu bekommen.

Oft wird jetzt der interessierte und gute Kunde einfach angeschreckt: "... technisch schwierig, teuer und mit viel Schmutz verbunden." Schade, denn wie viele Elektroherde muss der Betrieb im harten Preiskampf verkaufen, um den Gewinn aus einer BUS-Installation zu erwirtschaften?

Probleme genau erfassen

Je genauer Sie auf ein brennendes Problem Ihrer Zielgruppe zielen, desto größer wird Ihr Erfolg sein. Entscheidend ist allein, welches Problem die Zielgruppe für Ihr wichtigstes hält und nicht welches Sie selbst dafür halten. Sobald der Handwerksbetrieb das aktuell am brennendsten empfundene Problem gelöst hat, muss er sich dem nächsten Problem widmen. Nur so können Sie dauerhaft Spitzenleistungen bringen. Der Pfad der brennendsten Probleme, der sich auf diese Weise abzeichnet, weist Ihnen den Weg zur gefahrlosen Spezialisierung (Bild 1). Das brennendste Problem können Sie nur im direkten Kontakt mit der Zielgruppe erfahren ("Ich kann einen anderen erst richtig verstehen, wenn ich einige Meilen in seinen Mokassins gelaufen bin", indianische Weisheit).

Bild 1: Pfad zur gefahrlosen Spezialisierung.

Folgende Fragen helfen Ihnen bei der Lösung dieser Aufgabe:

Tafel 1 und 2.

Wie man Marktlücken findet

Für das Aufspüren von Marktlücken müssen eingefahrene Wege verlassen werden. Um zu verdeutlichen, wie das geschehen kann, werden zwei konkrete Beispiele vorgestellt.

Von einem der auszog, den Engpass seiner Zielgruppe zu lösen

Die Firma Elektro Knies suchte nach neuen Tätigkeitsfeldern. Beim Suchen und Bohren nach Lösungen fand Knies eine interessante Marktnische im Do-it-yourself-Bereich. Die Vision: "Wir Elektriker wollen ein betreuendes Elektrohandwerk sein. Der Kunde soll das selber machen, was er kann und wir helfen beim Fertigmachen". 50 Prozent der Tätigkeit - analysierte Knies - ist im Prinzip einfache Hilfsarbeitertätigkeit, die keinen hochqualifizierten Elektroinstallateur braucht. Die Idee bestand darin, zu betreuen, konkrete Anleitung zu geben, bei der Umsetzung gegebenenfalls zu helfen bzw. eine Art Abnahme für die gefahrvollen technischen Feinheiten zu bieten. Die Zielgruppe bestimmt das Produkt!

Auf der Suche nach der Zielgruppe ging er in den Baumarkt und beobachtete die Probleme der zukünftigen Kunden vor Ort. Seine Zielgruppenanalyse kam zu folgendem Ergebnis: Für "Selbermacher" gibt es in den Baumärkten kaum Elektrofachverkäufer, die kompetent und richtig beraten konnten. Mangelnde Materialkenntnisse, unvorteilhafte Verpackungseinheiten, umständliche Rückgabemöglichkeiten - das kennzeichnet das Angebot im Baumarkt. Hinzu kommt ein enges Sortiment. Das Material, das gerade in größerer Stückzahl benötigt wird, ist oft nicht in entsprechender Menge vorhanden und die nächste Lieferung ist nicht in Sicht. Darüber hinaus bieten die meisten Baumärkte keine Betreuung auf dem Bau, keine Kenntnisse der Vorschriften, keine speziellen Werkzeuge, keine fachmännische Prüfung der Arbeit.

All dies waren Gründe für Elektro Knies, um es besser zu machen. Der Do-it-yourself-Gedanke wurde schließlich erfolgreich umgesetzt. Elektro Knies eröffnete zwei Jahre später noch ein Licht- und Schalterstudio. Hier wurden verschiedene Lichtlösungen gezeigt und ein umfassendes Schalterprogramm geboten. Dafür musste der Kunde früher mehrere Geschäfte besuchen. Die Konzentration auf das brennendste Problem seiner Zielgruppe führte dazu, dass selbst die Baumärkte Kunden zu ihm schickten.

Heute geben die fachlich sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter den Kunden über eine Hotline fernmündliche Tipps und Unterstützung in Fachfragen. Die Vision eines Fachmarktes für Elektrowerker, die sich in diesem Umfeld sehr wohlfühlten, wurde Wirklichkeit.

Vom Malerhandwerksbetrieb zur Know-how-Schmiede

Stellen Sie sich vor: Sie erben von Ihren Eltern einen konkursreifen Malerbetrieb, haben beträchtliche Bankschulden und sind auf einem Markt aktiv, wo gnadenloser Verdrängungswettbewerb herrscht. Genauso ging es einem jungen Malermeister als er 1980 den elterlichen Betrieb übernahm. Der Malerbetrieb war fast ausschließlich im Neubausektor tätig. Viele Generalunternehmen waren in der Baukrise pleite gegangen und hatten viele kleine Handwerksbetriebe - auch den unseres Malermeisters - in die Pleite geführt. Doch der junge Malermeister konnte mit Hilfe der EKS-Strategie seinem Unternehmen eine Basis für die Zukunft sichern.

Die Geschäfts- und Zielgruppenanalyse ergab, dass die gut verdienenden Privatkunden bisher von fast allen Malerbetrieben sehr vernachlässigt wurden. Dabei waren die Umsatzrenditen und auch die Gewinne trotz höherem Organisationsaufwand besser als die Vergleichszahlen für Neubauaufträge. Hinzu kam, dass die Forderungsausfälle gleich Null und der Wettbewerb sehr gering waren. Der Malermeister befragte diese Zielgruppe nach deren Problemen bei der Ausführung von Malerarbeiten. Die Analyse der brennendsten Probleme ergab folgendes Bild: Private Auftraggeber waren froh, wenn überhaupt ein Maler pünktlich kam. Sie legten Wert auf saubere und einwandfreie Arbeiten, wollten keine Unannehmlichkeiten mit lästigen Aus- und Einräumarbeiten haben und wünschten verbindliche Angebotspreise.

Daraufhin entwickelte der Betrieb dementsprechend ein Voll-Service-Konzept: Die Mitarbeiter des Betriebes kamen, wenn der Kunde es wünschte - zur Not auch samstags, sonntags oder über Nacht. Die Kunden wurden im Vorfeld der Maßnahmen fachkundig beraten. Das entsprechende Angebot kam innerhalb von drei Tagen beim Kunden an und hatte Festpreisgarantie. Darüber hinaus wurde die Ausführung mit Beginn und Abschluss der Arbeiten garantiert. Nach Beendigung der Arbeiten wurde die Wohnung so sauber verlassen wie man sie vorfand.

Diese Strategie war so erfolgreich, dass sie sich schnell unter den Kunden der Zielgruppe herumsprach und dem Malerbetrieb aus seiner ungünstigen wirtschaftlichen Situation heraus half. Heute geht es dem Malerbetrieb sehr gut, zumal dieses Konzept multipliziert wurde und heute eines der erfolgreichsten Franchisesysteme im Malerhandwerk darstellt.

Bild 2: Akzeptanzkurve.

Die Akzeptanzkurve

Jede Zielgruppe hat in jedem Bedarfssegment Probleme (Bild 2; A,B,C usw.). Sie empfindet sie als unterschiedlich wichtig. Bei dem Problem, das sie als am wichtigsten empfindet (E), ist die Akzeptanz - also die Aufnahmebereitschaft einer Idee, eines Vorschlages, einer Leistung - am sichersten und stärksten. Sie ist um ein Vielfaches größer, als bei weniger wichtig empfundenen Problemen.

Probleme der Zielgruppe als Chance erkennen

In jeder Zielgruppe und in jedem Markt gibt es solche brennenden Probleme beziehungsweise Marktlücken. Ein entscheidender Fehler ist, dass viele Handwerksbetriebe vornehmlich introvertiert - das heißt nach innen gerichtet - denken und handeln. Allerdings wird es häufig auch von den großen Industrien in der Wirtschaft leider in dieser Weise vorgemacht. Man achtet vor allem auf die eigenen Probleme wie Produktivität, Umsatz, Gewinn oder Innenorganisation und deren Lösung, anstatt sich auf die Probleme seiner Zielgruppe und seiner Umwelt zu konzentrieren. Durch die erwähnten Beispiele sind Sie sicher dem brennendsten Problem Ihrer ausgewählten Zielgruppe schon wesentlich näher gekommen.

Denken Sie bei Ihrer Zielgruppe immer an den Nutzen, den Sie für Ihre Zielgruppen stiften wollen und richten Sie Ihre Gedanken an den sozialen Aspekten der Zielgruppe aus. Sollte Ihre Zielgruppe zum Beispiel die "60-Plus-Generation" als Hausbesitzer sein, dann ziehen Sie im Geiste die Mokassins an und kümmern sich nur noch um diese Personen, bei denen Sicherheit und Komfort und ihre eingeschränkte Beweglichkeit Beachtung finden muss. Neben Video- und Funksystemen, Bewegungsmeldern innen und außen, Garagentorantrieb, Sitzfahrstühle, die neben der Treppe ins Obergeschoss montiert sind, gibt es eine Vielzahl von elektrischen Hilfsmitteln, die der Zielgruppe durch Ihre Beratung, Planung und bedarfsorientierte Montage das Leben erleichtern. Nutzen Sie Ihre neu erworbenen Strategiekenntnisse in der Praxis!

Beachten Sie bei Ihrer Strategieumsetzung folgendes: Achten Sie auf eine konzentrierte Vorgehensweise und lassen Sie keine Verzettlungen zu. Haben Sie immer die Probleme Ihrer Zielgruppe im Auge. Und was wesentlich ist: fangen Sie gleich damit an, bevor es der Wettbewerb umsetzt! Dadurch erreichen Sie einen Innovationsvorsprung, der Sie bei Ihrer Zielgruppe noch attraktiver erscheinen lässt.

Fortsetzung folgt. 


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