IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/2001, Seite 69 ff


RECHT-ECK


Der Zugangsnachweis beim Einwurf-Einschreiben

RA Friedrich-W. Stohlmann

Die Deutsche Bundespost hat am 1.7.1997 das so genannte Einwurf-Einschreiben eingeführt. Dies gibt inzwischen Anlass, für eine breite Diskussion in der juristischen Literatur über die Vor- und Nachteile des neuen Produkts. In jüngster Zeit ist die Diskussion um das Einwurf-Einschreiben durch zwei Urteile wieder neu entfacht.

Funktionsweise der Varianten von Einschreiben

Die Deutsche Post AG bietet prinzipiell drei Varianten von Einschreiben an: Das Übergabe-Einschreiben, das Übergabe-Einschreiben mit Rückschein und das Einwurf-Einschreiben. Bei allen drei Arten von Einschreiben erhält der Absender einen Beleg, auf dem die Einlieferung der Sendung mit Computerdruck oder einen Tagesstempel bestätigt wird. Bei der Ablieferung und deren Dokumentation unterscheiden sich die Einschreibprodukte voneinander.

Übergabe-Einschreiben

Das Übergabe-Einschreiben entspricht dem klassischen Einschreiben. Hier bestätigt der Empfänger gegen Aushändigung der Sendung den Empfang mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe auf einem Auslieferungsbeleg. Dieser wird in einem Beleglesezentrum der Deutschen Bundespost AG eingelesen und elektronisch archiviert. Neben der Möglichkeit der telefonischen Auskunft erhält der Empfänger gegen Zahlung einer Aufwandspauschale eine Reproduktion des eingescannten Auslieferungsbelegs. Auch bei Übergabe-Einschreiben mit Rückschein erfolgt die Zustellung gegen Unterschrift des Empfängers oder eines anderen Empfangsberechtigten auf dem Auslieferungsbeleg, der in gleicher Weise archiviert und auf Wunsch reproduziert wird. Bei dieser Produktionsvariante bestätigt der Empfänger allerdings zusätzlich auf einem vom Absender vorbereiteten weiteren Dokument, dem Rückschein, den Empfang der Sendung mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe. Dieser Rückschein wird unmittelbar an den Absender zurückgeschickt. Bei beiden Varianten - Übergabe-Einschreiben mit und ohne Rückschein - wird der Zugang der Willenserklärung durch Aushändigung der Sendung bewirkt und durch den Auslieferungsbeleg, beim Rückschein zusätzlich durch diesen dokumentiert.

Wird der Empfänger bei der Zustellung nicht angetroffen, hinterlässt der Postmitarbeiter eine Benachrichtigung mit dem Hinweis, dass die Sendung für sieben Werktage bei der genannten Filiale der Deutschen Post AG zur Abholung bereitgehalten wird. Holt der Empfänger die Sendung ab, wird die Ablieferung nach dem gleichen Verfahren wie an der Haustür dokumentiert. Andernfalls wird das Einschreiben nach Ablauf der Lagerfrist an den Absender als unzustellbar zurückgesandt. Für das Übergabe-Einschreiben hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Zugang einer Willenserklärung nicht bereits mit Einwurf des Benachrichtigungsscheins durch den Postmitarbeiter in den Briefkasten des Empfängers, sondern erst mit der Abholung des Einschreibens durch den Empfänger bei der Postfiliale stattfindet. Beim klassischen Übergabe-Einschreiben besteht demzufolge das Risiko, dass der Zugang nicht bewirkt werden kann, weil der Empfänger die Sendung trotz Benachrichtigung nicht aus der Filiale abholt. Verweigert der Empfänger die Annahme, ist zwar der Zugang erfolgt, dies wird aber in der Regel schwer zu beweisen sein.

Einwurf-Einschreiben

Bei den Schwierigkeiten der Zugangserschwerung oder Zugangsvereitelung kann es beim Einwurf-Einschreiben nicht kommen. Diese Form des Einschreibens wird im Unterschied zum Übergabe-Einschreiben und Übergabe-Einschreiben mit Rückschein nicht persönlich gegen Unterschrift an den Empfänger ausgehändigt. Die Ablieferung erfolgt in diesem Fall vielmehr durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers. Besitzt dieser ein Postfach, wird die Sendung dort eingelegt. Unmittelbar vor dem Einwurf zieht der Postmitarbeiter das sogenannte "Peel-off-Label", das zur Identifizierung der Sendung dient, von dieser ab und klebt es auf den so vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg. Auf diesem Beleg bestätigt der Postmitarbeiter nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Auch beim Einwurf-Einschreiben erhält der Absender auf Wunsch - neben der telefonischen Auskunft - eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs.

Das Einwurf-Einschreiben hat gegenüber dem klassischen Übergabe-Einschreiben gewisse Vorteile. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden gilt als zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Beim Einwurf-Einschreiben geht also regelmäßig die mit der Sendung übermittelte Willenserklärung mit dem Einwurf in den Briefkasten oder mit dem Einlegen in das Postfach zu. Als Zugangszeitpunkt gilt der Termin, an dem nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Die während der üblichen Zustellzeiten vom Postmitarbeiter eingelegte Einschreibsendung geht folglich am Tag des Einwurfs zu. Der Empfänger hat in der Regel keine Möglichkeit, diese Form des Zugangs zu verhindern, weil der Einwurf ohne sein Wissen und Zutun geschieht.

Die Beurteilung des Auslieferungsnachweises beim Einwurf-Einschreiben durch das LG Potsdam

Das LG Potsdam ist der Auffassung, dass die Zusendung eines Einwurf-Einschreibens keine Vermutung für seinen Zugang begründet, wenn lediglich der Eingang in der für den Zustellbezirk des Empfängers zuständigen "Postfiliale" - gemeint ist wohl der zuständige Zustellstützpunkt der Deutschen Post AG - stattgefunden hat und die Sendung dort vorsortiert wurde.

Diese Entscheidung des Landgerichts Potsdam ist durch Pressemitteilungen und Äußerungen in der juristischen Literatur dahin gehend missverstanden worden, dass mit dem Einwurf-Einschreiben generell kein Zugangsbeweis geführt werden könne. Bei genauem Studium des Urteils wird aber deutlich, dass auch das LG Potsdam die Qualität des Einwurf-Einschreibens nicht prinzipiell infrage stellt. In dem vom LG Potsdam zu beurteilenden Fall hatte sich während der Beweisaufnahme herausgestellt, dass die Postmitarbeiterin den vorgeschriebenen Verfahrensablauf nicht richtig eingehalten und ihr Namenszeichen bereits in den Betriebsräumen der Deutschen Post, also zeitlich und räumlich weit vor der eigentlichen Zustellung, auf den Auslieferungsbeleg gesetzt hatte. Auf Grund dieses atypischen Verfahrensablaufs musste das Gericht darüber entscheiden, ob bereits mit dem nachweislichen Eingang der Einschreibesendung bei dem für den Adressaten verantwortlichen Zustellstützpunkt der Beweis für den Zugang der Sendung erbracht ist. Die nachgewiesene Einlieferung einer Postsendung reicht nach Auffassung des BGH noch nicht für den Beweis des ersten Anscheins, dass die Sendung auch tatsächlich zugestellt wurde. Ein Anscheinsbeweis kommt nur dann in Betracht, wenn bei typischen Geschehensabläufen nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Erfolg geschlossen werden kann. Bei der Deutschen Post AG geht jedes Jahr eine gewisse, wenn auch prozentual äußerst geringfügige Anzahl von Sendungen verloren, sodass prima facie von der Einlieferung noch nicht zwingend auf den Zugang geschlossen werden kann. Eine andere Einschätzung ergibt sich nach überzeugender Auffassung des LG Potsdam auch dann nicht, wenn neben der Einlieferung zusätzlich der Eingang der Sendung beim Zustellstützpunkt nachgewiesen werden kann. Zwar ist in diesem Fall der überwiegende Teil der Beförderungsstrecke bereits zurückgelegt, aber auch auf der letzten Strecke vom Zustellstützpunkt bis zur Zustellung an den Empfänger kann ein Verlust der Sendung nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Dokumentierter Briefkasteneinwurf, Anscheinsbeweis für den Zugang

Allerdings muss man dann zu einer anderen Beurteilung kommen, wenn die Ablieferung des Einwurf-Einschreibens korrekt nach dem vorgeschriebenen Verfahren dokumentiert wird und der Postmitarbeiter die Zustellung unmittelbar nach dem Einwurf mit seinem Namenszeichen und Datumsangabe bestätigt. Der von der Deutschen Post AG erstellte Datenauszug über die Auslieferung ist zwar keine Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO, sondern nur eine technische Aufzeichnung, weil darin keine verkörperte Gedankenerklärung liegt. Die Tatsache, dass mit dem Datenauszug kein Urkundsbeweis geführt werden kann, heißt aber nicht, dass diesem kein Beweiswert zukommt. Er ist vielmehr als Augenscheinsobjekt im Sinne von § 371 ZPO einzuordnen, mit dem der Nachweis erbracht werden kann, dass die Einschreibsendung in den Briefkasten des Empfängers eingelegt wurde. Zusammen mit dem Einlieferungsbeleg bildet dieses Anscheinsobjekt ein zusätzliches starkes Indiz für den Zugang der Sendung, sodass bei Vorlage des Einlieferungsbelegs und der Reproduktion des Auslieferungsnachweises nach den Regeln des Anscheinsbeweises regelmäßig darauf geschlossen werden kann, dass die Einschreibsendung auch tatsächlich durch Einlegen in den Briefkasten zugegangen ist.

Zusammenfassende Bewertung

Als Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass sich die Form des Einwurf-Einschreibens insbesondere dann anbietet, wenn zu befürchten ist, dass der Empfänger den Zugang des traditionellen Übergabe-Einschreibens vereitelt, durch verspätete Abholung verzögert oder durch schlichte Abwesenheit und Nichtabholung verhindert. Der Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs begründet den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist.

Die Möglichkeit des Einwurf-Einschreibens bietet sich immer dann an, wenn der Adressat weit entfernt vom Ort des Absenders seinen Wohnsitz hat. In der Regel empfehlen Juristen auch, bei örtlicher Nähe, den Zugang eines wichtigen Schreibens dadurch zu bewirken, dass ein Mitarbeiter des Betriebes, der den Inhalt des Schreibens zur Kenntnis nimmt, dieses Schreiben persönlich in den Briefkasten des Empfängers wirft und daher als Zeuge in Betracht kommt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der Inhalt des genannten Schreibens mit entsprechendem Datum dem Adressaten zuging. Es wird immer wieder empfohlen, dass diese Zustellung dann auch durch einen Aktenvermerk des Mitarbeiters entsprechend dokumentiert wird. Dabei ist aber zu beachten, dass der Einwurf einer Sendung außerhalb der üblichen Postzustellungszeiten, also beispielsweise gegen 15.00 Uhr am Nachmittag eines Tages zur Folge hat, dass von einer Zustellung erst am Folgetag ausgegangen wird.

Soweit keine enge Fristenbindung/Fristenproblematik besteht, sollte daher auf das Einschreiben-Rückschein zurückgegriffen werden. Bei engen Fristen sollte das Einwurf-Einschreiben oder die persönliche Zustellung des Briefes in den Briefkasten des Adressaten durch einen Zeugen gewählt werden.

 


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