IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/2001, Seite 35 ff.


EDV


Rationeller Einsatz von CAE-Software in der Energie- und Versorgungstechnik

Dipl.-Ing. Carsten Fischer VDI*

In den letzten Jahren haben sich die Einsatzmöglichkeiten von CAE-Software (Computer Aided Engineering) stark verändert. Stark gestiegene Rechenleistung in der PC-Welt, verbesserte Möglichkeiten bei der Softwareentwicklung sowie höhere Anforderungen der Anwender haben zu enormen Entwicklungssprüngen geführt. Die heute am Markt verfügbaren Lösungen sind nicht mehr nur reine "Berechnungshelfer" oder "Zeichenknechte", sondern bilden zunehmend einen ganzheitlichen Lösungsansatz. Im Folgenden wird am Beispiel der Heizungstechnik der aktuelle Stand der Entwicklung betrachtet.

Waren früher die EDV-Programme für technische Berechnungen rein tabellarisch als Berechnungshilfe konzipiert, so findet man heute eine teilweise bis vollständige Integration in CAD-Programmen (Computer Aided Design). Diese waren bei ihrer ersten Verbreitung auf PC-Arbeitsplätzen nur bessere elektronische Zeichenbretter, bestenfalls gab es schon einfache Symbolbibliotheken. Von logischer Funktionalität oder integrierten Berechnungen war man damals noch weit entfernt. Die erste Annäherung zwischen den beiden Welten "Berechnungssoftware" und "CAD" erfolgte dann vor etwa zehn Jahren mit Hilfe von Schnittstellen. Es wurde versucht, die Gebäudegeometrie aus dem CAD heraus zu ermitteln und diese Daten dann in strukturierter Form an die Berechnungssoftware zu übergeben. Dort konnte dann die Berechnung des Gebäudewärmebedarfs QGeb. erfolgen, ohne dass man die Raumtabellen noch von Hand mit den Bauteildaten füllen musste. Die danach in der Berechnungssoftware ausgelegten Heizkörper konnten bei einigen Lösungsanbietern durch eine weitere Schnittstelle wieder an das CAD übergeben und im Grundriss bzw. im Strangschema platziert werden. Das ganze Handling war allerdings noch recht holperig und über die Schnittstellen umständlich und fehleranfällig. Zudem hatte jeder Lösungsanbieter seine "eigene" Schnittstellendefinition und damit waren die verschiedenen Berechnungs- und CAD-Programme nicht zueinander kompatibel. An eine automatisierte Rohrnetzberechnung aus der Zeichnung war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zu denken.

Anfang der 90er-Jahre gab es eine Initiative des Bundesbauministeriums in Bonn, das so genannte Easybau-Projekt. Hier wurde der Versuch einer Normung der oben beschriebenen Schnittstellen unternommen. Ziel sollte eine allgemein gültige Definition werden, die dann jeder Softwareanbieter in seine Lösung übernehmen konnte. Hier sollten vor allem auch die Anbieter von CAD-Systemen für die Architektur angesprochen werden, denn ihre Systeme lieferten ja die benötigten geometrischen Daten für die folgenden Berechnungen in der Versorgungstechnik. Leider ist dieser Versuch gescheitert. Die gute Grundidee wurde durch eine teilweise zu komplexe Umsetzung und letztendlich durch mangelnde Akzeptanz der Softwareanbieter zu Fall gebracht. Konkurrenzdenken und Angst vor Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit mögen da sicherlich eine große Rolle gespielt haben.

Bild 1: Schematische Darstellung der Lösungswege

Heutiger Stand der Technik

Nach den ersten Versuchen der Verbindung über Schnittstellen brachte schließlich die Einführung und Verbreitung des PC-Betriebssystems "Microsoft Windows" 1994/95 den Durchbruch. Erstmals war es für Softwareentwickler möglich, auf einer gemeinsamen Plattform zu entwickeln und die an sich grundverschiedenen Welten "Berechnungssoftware" und "CAD" zu einer "CAE-Software" zusammenzuführen.

Einige Lösungsanbieter nutzten die Öffnung von Programmierschnittstellen des CAD-Marktführers "AutoCAD" zu einer besseren Integration in ihre Berechnungsprogramme, andere entwickelten halb grafische Eingabehilfen oder eigene CAD-Kerne.

Als optimale Lösung kann heute die Integration von Berechnung und CAD in einer einheitlichen Programmoberfläche angesehen werden. Wichtig ist hierbei die Freiheit des Anwenders, verschiedene Lösungswege wählen zu können und diese bei Bedarf auch miteinander zu vermischen. Anhand der Planung einer Heizungsanlage werden die fünf verschiedenen Lösungswege skizziert.

1. Berechnung ohne CAD als manuelle (tabellarische) Eingabe

In dieser einfachsten Variante kann der Anwender, wie früher auch, die Berechnung durch manuelles abtippen der Eingabewerte durchführen. Als besondere Option besteht die Möglichkeit, die tabellarisch ausgelegten Heizkörper direkt in einem unbearbeiteten CAD-Grundriss (z.B. DXF-Zeichnung) zu platzieren.

2. Berechnung von Wärmebedarf und Heizflächen ohne CAD, Berechnung des Rohrnetzes aus dem Strangschema

In dieser Variante kann der Anwender, wie unter Variante 1, die Berechnung des Wärmebedarfs und der Heizflächen durch manuelles abtippen der Eingabewerte durchführen. Die Berechnung des Rohrnetzes erfolgt dann aber durch das Zeichnen eines Strangschemas im CAD, wobei die zu platzierenden Heizkörper aus der vorher ausgelegten Heizkörpertabelle übernommen werden können. Die Rohrnetzberechnung ermittelt die Strangstruktur dann aus der Zeichnung, lediglich die echten Längen müssen noch nachgetragen werden, da ein Strangschema nur höhenmaßstäblich ist.

3. Erstellung eines eigenen Grundrisses mit daraus resultierender Berechnung

Hier wird der Gebäudegrundriss im CAD selbst gezeichnet. Aufgrund der Grundrissdaten kann das Berechnungsprogramm die geometrischen Daten erkennen und für die Berechnung des Wärmebedarfs verwenden. Die danach ausgelegten Heizkörper können vollautomatisch in die Grundrisse eingefügt und beschriftet werden. Die Leitungsführung des Rohrnetzes wird in den Grundrissen eingezeichnet, die Verknüpfung der verschiedenen Geschosse erfolgt über die Steigestränge – schon ist die Rohrnetzberechnung fertig. Das Nachtragen der Längen entfällt hier, da alle Angaben in der Zeichnung vorliegen.

4. Einlesen eines vorhandenen Grundrisses, manuelle Nachbearbeitung mit daraus resultierender Berechnung

Liegt bereits eine Grundrisszeichnung in elektronischer Form vor, so kann diese über standardisierte Schnittstellen (DXF / DWG) eingelesen werden. Das Problem ist hier allerdings die Erkennung der Grundrissgeometrie durch das Berechnungsprogramm, da in diesem Bereich bis heute keine Normung für Klarheit sorgen konnte. So muss der vorliegende Grundriss manuell nachbearbeitet werden. Dies geschieht in der Regel durch nachzeichnen oder manueller Zuordnung der Geometrien zu Wänden, Türen und Fenstern. Die Zuordnung der k-Werte schließt die manuelle Bearbeitung ab, jetzt kann wie in Variante 3 mit der Berechnung fortgefahren werden.

5. Einlesen eines vorhandenen Grundrisses, automatische Nachbearbeitung mit daraus resultierender Berechnung

Basierend auf der Problematik der Grundrissgeometrie in Variante 4 bietet derzeit ein Lösungsanbieter bei definierten Vorbedingungen eine weitgehend automatische Nachbearbeitung des Grundrisses an. Diese Vorbedingungen sind eine saubere Layerstruktur sowie getrennte Zuordnung von Wänden, Türen und Fenstern auf eigenen Layern. Nun übernimmt ein Softwaremodul (Gebäudeinterpreter) den manuellen Nachbearbeitungsaufwand, die Trefferquote liegt je nach Qualität der Ursprungszeichnung zwischen 60 und 100%. Dies bedeutet in der Praxis den größten Zeitvorteil.

Bild 2: Zeitvergleich der Lösungswege

Ergebnis

Die fünf geschilderten Lösungswege lassen sich bei einigen Lösungsanbietern auch vermischen, was den größtmöglichen Freiraum beim praktischen Einsatz ermöglicht. Der zeitliche Aufwand, ein wichtiger Aspekt für die Rechtfertigung der nicht unerheblichen Investition in die neue Softwaretechnologie, nimmt in den einzelnen Varianten stetig ab. So ist der Zeitvorteil von Variante 5 zu Variante 1 etwa 1 zu 10, das bedeutet: die gleiche Planungsaufgabe wurde in Variante 5 in nur 10% der Zeit gelöst. Dies belegt eine vom Autor betreute Diplomarbeit an der Technischen Fachhochschule Berlin (TFH). Die Variante 4 lässt die Lösung immerhin schon in 20% des Zeitaufwandes der Variante 1 zu.

Entscheidend ist aber die Flexibilität der Anwendung, der Planer kann schnell auf Änderungen reagieren, hat sofort aktualisierte Zeichnungsstände und korrigierte Berechnungen. Wenn dann auch noch die Möglichkeit der Massenübergabe an ein Ausschreibungsprogramm gegeben ist, was einige Lösungsanbieter inzwischen beherrschen, kann man wirklich von einer integrierten CAE-Lösung sprechen.

Ausblick

Aufgrund der Verschmelzung von Berechnung und Zeichnung werden sich die Arbeitsprozesse in den Ingenieurbüros und Planungsabteilungen ändern. Die klassische Trennung zwischen dem rechnenden Planungsingenieur und dem technischen Zeichner verschwimmt zunehmend. Ein Umdenken auch in der Ausbildung ist gefordert und wird zumindest teilweise auch schon praktiziert.

Wünschenswert wäre für die nähere Zukunft eine Normung der Schnittstelle Architekt – Haustechnikplaner, sodass intelligente Grundrissdaten auch sinnvoll ohne Nachbearbeitungsaufwand weiterverarbeitet werden können. Hier sind die Softwareindustrie, die Verbände, aber auch die Anwender gefordert. Es gibt bereits entsprechende Bestrebungen im VDI, aber auch von Seiten der Industrie, konkret verwendbare Ergebnisse sind aber noch nicht in Sicht.

L i t e r a t u r :
Diplomarbeit Stellmacher R; Rationeller Einsatz von CAE-Software in der Haustechnik

Internetinformationen:
www.fischersoftware.de


* Dipl.-Ing. Carsten Fischer, Inhaber und Geschäftsführer der Firma Fischer Software, Berlin.


* Anmerkung der Redaktion: Der Unterschied zwischen einem CAD- und einem CAE-Programm besteht darin, dass sich das CAD-System nur zum zeichnerischen Konstruieren eignet, während ein CAE-System zusätzlich auch haustechnische Berechnungen ermöglicht.


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