IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/2001, Seite 58 f.


SANITÄRTECHNIK/REPORT


Barrierefreie Sanitäreinrichtungen im NRZ Greifswald

Zurück in die Selbstständigkeit

Freundlich und funktional wirkt das lang gestreckte Flachdachgebäude. Hinter der weißen, fensterreichen Fassade befindet sich eine der modernsten Reha-Kliniken Deutschlands, das Neurologische Rehabilitationszentrum (NRZ) Greifswald.

Jährlich werden hier über 800 Patienten mit Querschnittslähmung oder schweren Gehirnschädigungen aufgenommen. Zentrales Ziel der Klinik, die vom Bundesverband für Rehabilitation und Interessenvertretung Behinderter (BDH) getragen wird, ist es, die Patienten in eine möglichst große Selbstständigkeit zurückzuführen. Dieses Ziel war auch oberstes Gebot bei der Planung und technischen Ausstattung der Klinik.

Das Neurologische Rehabilitationszentrum (NRZ) Greifswald gilt als ein Modellzentrum für frühzeitige Rehabilitation bei Querschnittslähmungen und schweren Schädigungen des Gehirns.

Das NRZ ist eine der wenigen Reha-Kliniken mit Intensivstation, auf der alle Maßnahmen der neurologischen Intensivmedizin durchgeführt werden können. Denn je früher die Therapie beginnt, desto größer sind die Chancen, verlorene Fähigkeiten wie Gehen oder Sprechen wiederzugewinnen. Modernste Hilfsmittel erleichtern den Alltag der Patienten. Mit einem so genannten Bett-Commander können Rückenmarkgelähmte Pflegekräfte per Mundsteuerung rufen, Betten mit eingebauter Wasserwaage sorgen dafür, dass die Wirbelsäule absolut waagerecht ruht, und Hightech-Rollstühle sind Standard.

Auf eine gute Sanitärausstattung legte die Klinikleitung großen Wert. Sich selbst pflegen zu können, stärkt das Selbstwertgefühl der Patienten. Jedes der 60 Patientenzimmer hat deshalb ein eigenes behindertengerechtes Bad. "Es galt, allen Patienten, die ja auf die unterschiedlichste Weise in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, auf knapp bemessenem Raum eine optimale Ausstattung zu bieten", erläutert Andreas Gil von der Scholze Ingenieurgesellschaft Leinfelden-Echterdingen, der das Projekt in den Bereichen Sanitär-, Schwimmbad- und medizinische Gastechnik betreut hat. Dabei musste die strenge DIN 18024 für barrierefreies Bauen beachtet werden.

Die Armaturen sind genau auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt.

Geplant nach den Bedürfnissen der Nutzer

Jedes Badezimmer ist so eingerichtet, dass man mit dem Rollstuhl bequem rangieren kann. Die Dusche ist bodengleich, ein umlaufender Haltegriff mit eingehängtem Duschsitz gibt zusätzliche Sicherheit. Speziell für Rollstuhlfahrer ausgelegt ist auch die sonstige Ausstattung: Die Toilettenspülung lässt sich mit Infrarot-Fernbedienung betätigen, und mit dem individuell einstellbaren Kippspiegel oberhalb des Waschbeckens können Rollstuhlfahrer bequem ihre Morgentoilette machen. Die Produkte stammen überwiegend von Firmen, die sich 1997 zum Initiativkreis Vitales Bad zusammengeschlossen haben und sich für eine barrierefreie Sanitärausstattung stark machen.

Auch Rollstuhlfahrer können hier bequem rangieren: Jedem Patientenzimmer steht ein Bad zur Verfügung, das vollständig behindertengerecht ausgestattet ist.

Eine behindertengerechte Sanitär-Ausstattung macht sich in den Details bemerkbar, zum Beispiel den Armaturen. Längere Bedienungshebel sind auch im Sitzen gut zu erreichen und lassen sich mit dem Ellenbogen mühelos bewegen. Die Fachplaner haben sich für Armaturen entschieden, die diesem Anspruch gerecht werden. Sie sind sowohl als Wandbatterien wie auch als Standhebelmischer im NRZ vertreten. Fachplaner Gil: "Für uns war die Flexibilität des Armaturenherstellers entscheidend." Statt mit einer Zugstange (Exzenter) müssen die Waschbecken in Kliniken aus hygienischen Gründen mit einem Überlaufstandventil verschlossen werden. Gesucht waren deshalb Einlochbatterien ohne Zugstangenbohrung.

Aber nicht nur rein technische Aspekte gaben den Ausschlag für die Armaturen. Es galt, Produktlösungen zu finden, die sich ganz den Bedürfnissen der Nutzer anpassen, wie zum Beispiel die ausziehbare Schlauchbrause. Egal ob sich ein Patient im Sitzen die Haare waschen möchte oder das Pflegepersonal Schüsseln mit Wasser befüllen will - beides ist damit bequem möglich. Bei den Armaturen schützt eine eingebaute Heißwassersperre vor Verbrühungen.

Die Aufputzarmatur mit eingebauter Heißwassersperre schützt vor Verbrühungen. Die Armatur lässt sich dank ihres Armhebels auch mit dem Ellenbogen mühelos bewegen.

Freiräume gewinnen

Die moderne technische Ausstattung der Klinik ist sicherlich nur ein Baustein auf dem Weg zurück zu einem selbstbestimmten Leben. Sie trägt aber auch zu einer möglichst großen Selbstständigkeit gerade bei den alltäglichen Tätigkeiten bei und schafft Freiräume. Diese nutzen die Patienten des NRZ für zahlreiche andere Aktivitäten. Sie lernen, mit einem behindertengerechten Übungsfahrzeug Auto zu fahren, sie nutzen Computerräume und Küche, um sich wieder für den Alltag fit zu machen. Oder sie zeigen, wie man sich mit dem Rolli auch ganz elegant bewegen kann - in der Rollstuhltanzgruppe.

 


B i l d e r : Hansa Metallwerke AG, Stuttgart


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]