IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2001, Seite 60 ff.
AUSSTELLUNG
Flaggschiff segelt in Richtung Zukunft
I.H.M. - Die Messe für Business und Lifestyle
Lifestyle, Design und Business spannten auf der 53. IHM, Internationale Handwerksmesse München, einen abwechslungsreichen Bogen handwerklicher Leistungen.
Vom 8. bis zum 14. März 2001 fand in München die 53. Internationale Handwerksmesse (IHM) statt. Knapp 2000 Aussteller aus dem In- und Ausland präsentierten auf einer Bruttoausstellungsfläche von ca. 146.000 Quadratmetern ihre Produkte und Dienstleistungen. Um dem allgemeinen Trend der Globalisierung Rechnung zu tragen, hatte die verantwortliche Messegesellschaft, die GHM - Gesellschaft für Handwerksmessen mbH, der diesjährigen handwerklichen Leitmesse ein englisches Begriffspaar als General-Motto vorangestellt: "Lifestyle und Business".
In diesen zwei Kategorien konnten sich ca. 185.000 Besucher ein Bild der Leistungsfähigkeit ausgewählter Handwerkszweige machen. Trotz eines runden Angebots, das in vielerlei Hinsicht Klasse anstatt Masse offerierte, kamen 2001 rund 30.000 Besucher weniger als im Vorjahr; eine Baumesse vor und eine nach der IHM forderten ihren Tribut an Besuchern. Doch was für das Angebot galt, hatte auch für die Besucherqualität Relevanz. Das Gedränge auf den Gängen hielt sich in diesem Jahr außer am verbliebenen Ausstellungs-Wochenende in Grenzen. Die Stände und die Flächen im Freien waren durchweg gut besucht. Selbst in abgelegeneren Winkeln, war ein stetiger Strom interessierter Messebummler zu verzeichnen. Besucher wie Aussteller gaben der Messe im Rückblick gute Noten. Jeweils mehr als 90% waren mit der diesjährigen IHM zufrieden - ein für diese Messe traditionell hoher und konstanter Wert.
Lifestyle, eines der Themen auf der 53. IHM in München. Hier durch eine designorientierte futuristische Liege dokumentiert. |
Ein besonderer Anziehungspunkt war in diesem Jahr die so genannte Leistungsschau des Metzger-(Fleischer)-Handwerks. Ausgelöst durch die BSE-Diskussion stand vor den Schaufenstern der gläsernen Wurstküche eine teilweise unüberblickbare Menschenmenge, die sich an Ort und Stelle über die Verfahren der Wurst- und Fleischwarenherstellung informieren wollte. Selbst der Bundeskanzler ließ es sich nicht nehmen, im Anschluss an das Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft, das traditionell anlässlich der IHM auf dem Münchener Messegelände stattfindet, dem Metzgerhandwerk einen Besuch abzustatten. Allerdings ließ es sein Terminkalender nicht zu, einen Imbiss einzunehmen.
KFZ-Gewerbe, ein wie immer viel beachteter Stand mit moderner Technologie im Bereich des Motormanagements und der Karosseriebearbeitung. |
Eindeutige Glanzlichter der Messe waren die zahlreichen Sonderschauen: Unter dem Titel "A Tavola" ("Zu Tisch") präsentierten italienische und bayerische Aussteller Handwerksprodukte rund um die Tischkultur. Bei einem Glas Wein war hier auch die Möglichkeit gegeben, toskanische Spezialitäten zu kosten.
Die Exempla 2001 stand unter dem Motto "Die Farbe Rot". In zwölf lebenden Werkstätten konnten sich die Besucher darüber informieren, wie diese Farbe entsteht und zu welchen Zwecken sie in den verschiedensten Ländern eingesetzt wird. Ein Highlight der Exempla war die detailgetreue Rekonstruktion des Miniaturenkabinetts der Münchener Residenz. Die rotlackierten Wandvertäfelungen, die mit vergoldeten Schnitzereien verziert sind, waren im zweiten Weltkrieg zerstört und vor kurzem von Handwerkern in mühevoller Arbeit wiederhergestellt worden.
Überwiegend jungen und kreativen Handwerkern wurde Gelegenheit gegeben, sich und ihre Schöpfungen im Rahmen der Talente 2001 bzw. Exclusiva vorzustellen. Abgerundet wurde dieser inspirierende und innovative Teil durch die Sonderausstellung der "design-initiative der deutschen wirtschaft", die unter dem Motto "Chance Design im Handwerk" Produkte ostdeutscher Handwerker dem Publikum vorstellte.
Praxisnähe auch auf vielen Ständen wie hier beim Dünnblechschweißen mit Schutzgas. |
Die Sonderschau "Leben mit Glas" zeigte Spitzenleistungen des glasverarbeitenden Handwerks. Neben dem Messestand selbst, der allein schon durch seine ausgefallene und ansprechende Gestaltung zum Besuch einlud, wurden beeindruckende Exponate gezeigt. Ein Höhepunkt war hier die Präsentation eines aus knapp 2000 Glassteinen gefertigten langen Kleides, das bereits auf der EXPO im deutschen Pavillon ausgestellt worden war.
Insgesamt vermittelten die Sonderschauen einen zukunftsgerechten und innovativen Eindruck. Die Vielfältigkeit und Kunstfertigkeit der Exponate kann auch für andere Handwerkszweige als richtungsweisend angesehen werden. Der Kunde, der im Zentrum des betrieblichen Werbens steht, möchte neben einer einwandfreien Funktionalität in vermehrtem Maße optisch und gestalterisch ansprechende Gegenstände des täglichen und nicht alltäglichen Lebens. Dieser Trend wurde auf der IHM exakt erkannt.
Technik und Internet
Die Technikhallen, die unter den Begriff Business eingeordnet waren, erlaubten ebenfalls einen informativen Einblick in die Möglichkeiten des modernen Handwerks. Holz- und metallverarbeitende Berufe, das KfZ-Gewerbe sowie Werkzeug- und Maschinenhersteller zeigten ihre Produktpalette. Auf mehreren Ständen waren Kachel-, Kamin- und Grundöfen zu sehen. Perfekt aufgebaute und befeuerte Exponate wurden den Besuchern auf dem Stand der bayrischen Innungsfachbetriebe des OL-Handwerks präsentiert. Diese Lifestyle-Produkte erfreuten sich einem regen Interesse.
Laptop und Lederhose sind auch im Handwerk keine Gegensätze mehr, sondern sie gehören mittlerweile zusammen. Dies wurde besonders in einer Halle deutlich, die ihren Schwerpunkt im Bereich des E-Business hatte. Die Sonderschau "Handwerk up-to-data" und der Stand des Internetportals "handwerk.de" zeigten die Chancen der neuen Informationstechniken für Handwerksbetriebe jeder Größenklasse. Ein EU-Kongress, der während der Messe unter Beteiligung von 18 Staaten mit dem Titel "wwweb@visionen" stattfand, unterstrich das Leitthema "Internet" der 53. IHM.
Wie bereits in den vergangenen Jahren ist es der GHM erneut gelungen, für die begleitenden Veranstaltungen, die Sonderausstellungsflächen wie auch für die sonstigen Messeflächen eine Vielzahl ausländischer Teilnehmer bzw. Aussteller zu gewinnen. Das nach Ländern geordnete Ausstellerverzeichnis liest sich wie ein Auszug eines Weltatlasses. Die Menschen aus diesen Ländern tragen ihren Teil zum besonderen Charme und der Internationalität der IHM bei. Allerdings ließ die Rednerliste zur Eröffnung der Messe diese Internationalität vermissen. Als einzige Nichtbayern standen der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Werner Müller sowie der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Dieter Philipp, auf dem Programm. Vielleicht könnte die Verpflichtung eines Kosmopoliten und im Handwerk bewanderten Redners dazu beitragen, dem Anspruch der Messegesellschaft hinsichtlich der Internationalität der Handwerksmesse besser Rechnung tragen. Möglicherweise würde ein solches Vorgehen auch das Publikumsinteresse an der gesamten Messe wieder ein wenig fördern.
Von links nach rechts: Franz Reisbeck, Vorsitzender der Geschäftsführung der GHM, Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Dieter Philipp, Präsident des ZDH - Zentralverband des Deutschen Handwerks. |
Fazit
Alles in allem haben die Besucher ein abwechslungsreiches Panoptikum handwerklicher Leistungsfähigkeit in seiner unverwechselbaren Vielfalt gesehen. Die Sonderschauen wie auch das übrige Angebot umfassten ein facettenreiches und zukunftsorientiertes Angebot. Für Abwechslung und eine angenehme Atmosphäre war zur Genüge gesorgt.
Vieles spricht dafür, dass die IHM als Flaggschiff der Handwerksausstellungen in Deutschland auf dem richtigen Kurs ist. Der neue Kapitän auf der Brücke der GHM, Wolfgang Marzin, wird gut beraten sein, die Karten genau zu studieren und die Großwetterlage im Handwerk und der deutschen sowie internationalen Wirtschaft mit ins Kalkül zu ziehen. Die Besucher der nächsten IHM dürfen gespannt sein, wie er seine zuletzt in Chicago gesammelten Auslandserfahrungen einbringen und umsetzen wird.
Messe-Splitter
Ein konstruktiver Dialog sollte es sein - der Dialog zwischen dem Handwerkspräsidenten Dieter Philipp und dem Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller im Rahmen der Eröffnung der IHM. Dieter Philipp: Ein starkes Handwerk ist kein Selbstzweck, sondern ein stabilisierender Faktor für Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Handwerk ist dabei, gezielt die I- und K-Technologien einzusetzen. Handwerksbetriebe erschließen sich zur Zeit neue Kundenkreise und Vertriebswege, neue Absatz- und Beschaffungsmärkte über das Internet. Handwerkspräsident Philipp forderte die Betriebe auf, gemeinsam mit ihren Kollegen "handwerk.de" zum größten Portal für den elektronischen Geschäftsverkehr zu machen.
Angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels müssten die Mitarbeiter stärker an unsere Betriebe gebunden werden und die Betriebsinhaber müssten sich stärker um deren ständige Qualifizierung kümmern.
Mittelstand - ausgedehntes Tiefdruckgebiet
Im Gesamttableau der tatsächlichen politischen Weichenstellung stehe Mittelstandspolitik nicht im Mittelpunkt, erklärte Philipp. Wenn überhaupt, dann funktioniere Mittelstandspolitik allenfalls als Reparaturwerkstatt.
Wie wenig auch die jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung von ihrem Ansatz her auf den Mittelstand ausgerichtet sind, das zeige der hohe Bedarf an Nachbesserung; sei es beim Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, bei der befristeten Beschäftigung, beim Betriebsverfassungsgesetz und auch bei der Steuerreform.
Betriebsverfassungsgesetz aussetzen!
Gänzlich an den Realitäten im Mittelstand und der modernen Arbeitswelt vorbei schramme der Gesetzentwurf zum Betriebsverfassungsgesetz, dies an die Adresse des Bundeswirtschaftsministers. Philipp dankte zwar dem Bundeswirtschaftsminister dafür, noch schlimmeres abgewendet zu haben, aber es sei kein Zufall, so Philipp, dass nur ein minimaler Prozentsatz mittelständischer Betriebe einen Betriebsrat habe. Die bei weitem überwiegende Mehrheit unserer Mitarbeiter wisse, dass sie ihre persönlichen Angelegenheiten im individuellen partnerschaftlichen Verhältnis zum Betriebsinhaber wesentlich besser regeln können, als über eine verordnete Mitbestimmung. Wenn diesen Mehrheiten künftig von einer kleinen Minderheit ein Betriebsrat diktiert werde, dann widerspreche das allen demokratischen Spielregeln.
Sein Vorschlag an die Bundesregierung:
Setzen sie die Novelle aus für alle Betriebe bis 300 Mitarbeiter, solange kein zukunftsweisender Ansatz zur Mitbestimmung in Sicht ist. Das Handwerk sei gern bereit, ein solches zukunftsweisendes Mitbestimmungsmodell mit zu entwickeln.
Mittelstandsoffensive für Deutschland
Der bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber forderte beim Eröffnungsabend der IHM eine Mittelstandsoffensive für Deutschland. Es müsse Schluss sein mit der immensen Bürokratie, die gerade die flexiblen mittelständischen Betriebe lähme. Eine Mittelstandsoffensive wäre auch das beste Programm für den Aufbau Ost. Denn gerade die neuen Länder brauchten mehr Mittelstand für mehr Arbeitsplätze.
Heinrich Traublinger, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern und Vorsitzender des Aufsichtsrates der GHM sprach die Schwarzarbeit als die größte unlautere Konkurrenz des Handwerks im Inland an. Im Rahmen der anstehenden EU-Osterweiterung bestehe die Gefahr, dass eine weitere unlautere Konkurrenz aus dem Ausland in der Gestalt unfairer europäischer Dumping-Konkurrenz hinzukomme.
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