IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2001, Seite 42 f.
HEIZUNGSTECHNIK
Zentrale Beheizung von Niedrigenergiehäusern
Dr.-Ing. Gerhard Meier-Wiechert*
Eine gute Wärmedämmung der Gebäudehülle und die luftdichte Bauweise sorgt bei Niedrigenergiehäusern dafür, dass der Heizwärmebedarf im Vergleich mit Gebäuden im Bestand deutlich geringer ist. Dieser Entwicklung sollte auch die Heiztechnik Rechnung tragen.
Welche Fortschritte hier in den letzten Jahren erzielt werden konnten, zeigt ein Rückblick: So liegt der Heizwärmebedarf eines vor 1984 errichteten Hauses bei mehr als 200 kWh/(m2 · a). In Niedrigenergiehäusern, die sich zunehmend als Standard im Neubaubereich durchsetzen, liegt der Heizwärmebedarf bei unter 70 kWh/(m2 · a), was sieben Liter Heizöl oder sieben Kubikmeter Erdgas entspricht (Bild 1). Im Rahmen der künftigen Energieeinspar-Verordnung, die die Wärmeschutz-Verordnung und Heizungsanlagen-Verordnung nach langem Nebeneinander zusammenführt, wird künftig im Neubau das Niedrigenergiehaus zum Standard.
Bild 1: Entwicklung des Heizwärmebedarfes (Einfamilienhaus, 3 - 4 Personen, 150 m2 Nutzfläche, A/V = 0,84). |
Heiztechnik für Niedrigenergiehäuser
Niedrigenergiehäuser werden in Deutschland seit Anfang der 80er-Jahre gebaut. Inzwischen gibt es viele Tausend Neubauten im Niedrigenergiehausstandard. Die meisten dieser Niedrigenergiehäuser zeigen, dass die Kosten für die Heizungsanlagentechnik keineswegs höher sein müssen als für weniger wärmegedämmte Wohnbauten.
In Niedrigenergiehäusern ist es keineswegs gleichgültig, mit welcher Technik und welchen Energieträgern diese Wärme erzeugt wird. In unseren Breiten wird man weiterhin primär fossile Brennstoffe verwenden, bei deren Verbrennung grundsätzlich Kohlendioxid entsteht. In welchen Mengen, ist abhängig vom Verbrauch und der Zusammensetzung des Brennstoffs. Kohlenstoffreiche und wasserstoffarme Energieträger verursachen eine höhere Kohlendioxid-Emission als Brennstoffe mit geringem Kohlenstoff- und höherem Wasserstoffanteil. So entstehen bei der Verbrennung von Heizöl 0,26 Kilogramm pro kWh, von Erdgas 0,20 kg/kWh, also 23 Prozent weniger. Strom verursacht mit Abstand die höchste CO2-Emission wegen des aktuellen Brennstoffmix bei der Stromerzeugung (Bild 2).
Bild 2: Energieausnutzung unterschiedlicher Heizsysteme. |
Neben der Umweltbelastung ist auch der Heizkomfort in die Entscheidungsfindung für ein geeignetes Heizsystem einzubeziehen. Eine zentrale Warmwasserheizung bietet hier beste Möglichkeiten, sowohl die Heizwärme als auch erwärmtes Trinkwasser bedarfsgerecht und umweltschonend zur Verfügung zu stellen.
Nicht zu vernachlässigen: Die Trinkwassererwärmung
Steigende Komfortansprüche sowie ein verändertes Verbraucherverhalten haben dafür gesorgt, dass der Warmwasserkomfort eher steigende Tendenzen aufweist, während der Wärmebedarf immer weiter sinkt. Der Anteil der Trinkwassererwärmung beträgt im Niedrigenergie-Einfamilienhaus 25 bis 30%, im Mehrfamilienhaus sogar bis zu 40% und spielt damit eine wesentliche Rolle bei der Auslegung des zentralen Wärmeerzeugers.
Die Trinkwassererwärmung kann auf verschiedene Arten erfolgen. Im Einfamilienhaus ist die zentrale Warmwasserversorgung die Regel. Um einen ausreichenden Komfort sicherzustellen, wird ein Volumen von 30 - 50 Litern pro im Haushalt lebender Person in einem Speicher bevorratet und auf Bereitschaftstemperatur gehalten. Dies sichert hohe Zapfraten und einen guten Komfort.
In einem Mehrfamilienhaus wird nicht in allen Wohnungen gleichzeitig die volle Warmwassermenge gezapft. Daher muss die Größe des Speicher-Wassererwärmers nicht linear mit der Wohnungsanzahl anwachsen (Bild 3).
Bild 3: Speicherauslegung |
Es wird deutlich, dass bei einer zentralen Trinkwassererwärmung insbesondere bei größeren Wohnanlagen erhebliches Speichervolumen gegenüber einer Bevorratung in jeder einzelnen Wohneinheit eingespart werden kann. Dabei sind keinerlei Komforteinbußen zu befürchten.
Bei einer dezentralen Versorgung eines Mehrfamilienhauses kann die Trinkwassererwärmung durch Gas-Wandgeräte in einem integrierten Durchlauf-Wassererwärmer oder mit einem Speicher-Wassererwärmer erfolgen. Über Elektro-Durchlauferhitzer oder elektrisch beheizte Kleinspeicher ist die Trinkwassererwärmung auch direkt an der Zapfstelle möglich. Dezentrale Lösungen bieten den Vorteil, die Verbrauchskosten über Strom- bzw. Gaszähler besonders einfach abrechnen zu können. Allerdings muss die notwendige Wärmeleistung zur Trinkwassererwärmung (mindestens 18 kW) in jeder Wohneinheit installiert werden, sodass der Vorteil einer zentralen Warmwasserbereitung (geringere zu bevorratende Trinkwassermenge und entsprechend geringere Wärmeverluste) entfällt (Bild 4).
Bild 4: Installierte Leistung für Heizung und Trinkwassererwärmung in einem 24-Familien-Wohnhaus (Wärmebedarf 70 kWh/(m2 · a), erforderliche Heizleistung je Wohnung (80 m2): 3,3 kW). |
Wird in einem Einfamilienhaus ein Wärmeerzeuger mit Speicher-Wassererwärmer eingesetzt, so sind etwa 15 kW Wärmeleistung zu installieren. Dies ergibt sich sowohl aus den Konstruktionsgrenzen der Wärmeerzeuger als auch aus Komfortansprüchen, die an die Wiederaufheizung des entleerten Speicher-Wassererwärmers (Voraussetzung: Speichervolumen ca. 160 l) gestellt werden. Eine kleinere Leistung kann dann gewählt werden, wenn das Speichervolumen vergrößert wird, sodass die Trinkwassererwärmung ohne Komforteinbußen zu den Zeiten erfolgen kann, wo wenig oder keine Heizwärme benötigt wird. Für die Beheizung eines 150 Quadratmeter großen Niedrigenergiehauses ist bei einem Heizwärmebedarf von 70 kWh/(m2 · a) ein Wärmeerzeuger mit der Leistung von 7,5 kW durchaus ausreichend.
Brennwerttechnik
Auch die scheinbar widersprüchlichen Anforderungen an den Wärmeerzeuger - niedrige Leistung für die Raumwärme und hohe Leistung für die Trinkwassererwärmung - erfüllen im besonderen Maße Brennwertkessel. Die Nutzungsgrade dieser Heizkessel - bis zu 109 Prozent - sind über einen weiten Auslastungsbereich stabil. Das bedeutet: Die Leistung des Heizkessels sollte sich immer am Bedarf für die komfortable Trinkwassererwärmung orientieren.
Bild 5: Primärenergiebedarf unterschiedlicher Heizsysteme im Niedrigenergiehaus. |
Das Passivhaus Institut in Darmstadt hat eine Vergleichsstudie über Heizsysteme in Niedrigenergiehäusern verfasst. Die Studie untersuchte die Primärenergie, die Heizsysteme in dem 1987 errichteten Niedrigenergiehaus "Schrecksbach" verbrauchen würden. Bild 5 fasst die Ergebnisse zusammen. Der Vergleich zeigt, dass sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus Umweltschutzgründen moderne Niedertemperatur- und Brennwertkessel die beste Wahl darstellen.
Der geringe Wärmebedarf von Niedrigenergiehäusern und die geringen Investitionskosten einer Elektroheizung verleiten manchen dazu, elektrischen Strom für die Beheizung einzusetzen. Wichtig für die Gesamtbewertung sind jedoch nicht allein die Höhe der Investitionen, sondern auch die Betriebskosten. Wegen der hohen Folgekosten liegen die Gesamtkosten für das System mit elektrischer Speicherheizung deutlich über denen des Referenzsystems mit einem Öl-Niedertemperaturkessel. Bei einem Kraftwerkswirkungsgrad von etwa 35% werden bei der Verbrennung fossiler Energien zur Stromerzeugung 65% der erzeugten Wärme ungenutzt an die Umwelt abgegeben. Entsprechend hoch ist die spezifische CO2-Emission des erzeugten Stromes.
Wärme aus der Natur:
Wärmepumpe
Zur Deckung des Wärmebedarfs bietet sich auch der Einsatz einer Wärmepumpe an. Die technischen Unzulänglichkeiten, die den ersten Wärmepumpen-Boom Anfang der 80er-Jahre schnell wieder abflauen ließen, sind bei modernen Geräten behoben. Heute stellen Wärmepumpen zuverlässige und umweltschonende Heizsysteme dar.
Wärmepumpen wandeln die im Erdreich, im Grundwasser oder in der Luft gespeicherte Sonnenwärme in Heizwärme um. Sie sind so effizient, dass sie ganzjährig als alleiniger Wärmelieferant sowohl für Heizzwecke als auch zur Trinkwassererwärmung eingesetzt werden können und somit keinerlei zusätzliche Wärmeerzeuger benötigen. Damit stellt eine Wärmepumpe eine echte Alternative zur konventionellen Heizung dar.
Bild 6: Sole/Wasser-Wärmepumpe und Heizwasser-Pufferspeicher mit integrierter Trinkwassererwärmung. |
Moderne, mit Strom betriebene Wärmepumpen beziehen etwa drei Viertel der zum Heizen erforderlichen Wärme aus der Umwelt, das restliche Viertel wird als Strom für den Antrieb des Verdichters bezogen. Da diese elektrische Energie letztlich auch in Wärme umgewandelt wird, kann sie für Heizzwecke genutzt werden (Bild 6). Aus dem Verhältnis von abgegebener Heizwärme (einschließlich der aus der Stromzufuhr entstandenen Wärme des Verdichters) zur eingesetzten Energie (Strombezug) ergibt sich die Leistungszahl, die die Effektivität der Wärmepumpe beschreibt.
Bei Einsatz einer Wärmepumpe sind die gewählten Aufheizreserven meist nicht so groß wie bei konventionellen Heizkesseln. Deshalb ist es sinnvoll, eine entsprechend große Wärmemenge zu speichern, um Bedarfsspitzen im Heizwärmebedarf und bei der Trinkwassererwärmung schnell decken zu können.
Wärme von der Sonne
Die Gewinnung von Wärme aus der Sonne ist heute eine ausgereifte Technik. Im Jahresmittel können durch die Sonne ca. 60% der für die Trinkwassererwärmung notwendige Energie bereitgestellt werden. Eine abgestimmte Systemtechnik mit den Elementen Kollektor, Verteilsystem, Regelung und Trinkwasserspeicher sorgt für hohe Betriebssicherheit und einfache Bedienung. Die Anbindung an den Heizkessel oder die Wärmepumpe ist problemlos möglich.
Zwar werden die höheren Investitionskosten bei derzeitigen Energiekosten noch nicht durch die eingesparten Energiekosten kompensiert, aber öffentliche Fördermaßnahmen lassen die Mehrkosten deutlich schrumpfen.
Lüftungstechnik
Bei Niedrigenergiehäusern können die geforderten geringen Energieverbräuche nur durch eine gute Wärmedämmung und gleichzeitig eine luftdichte Gebäudehülle erreicht werden. Verantwortlich sind dafür luftdichte Außenwände und Dächer sowie dicht schließende Fenster und Türen. Damit ist die natürliche Lüftung über Ritzen und Fugen ausgeschlossen. Aber auch die Zufallslüftung (Öffnen oder Kippen von Fenstern) verträgt sich - zumindest in der Heizperiode - nicht mit dem Konzept des Niedrigenergiehauses. Um den Lüftungswärmebedarf bei optimalem Luftaustausch möglichst gering zu halten, ist deshalb der Einbau technischer Anlagen zum kontrollierten Lüften der Räume notwendig.
Bild 7: Flachkanal-Systemkomponenten mit Zuluft-Auslass. |
Der Einbau einer Wohnungslüftung sollte bereits bei der Gebäudeplanung berücksichtigt werden. Die Integration sowie die Montagearbeiten werden damit deutlich vereinfacht. Günstig ist eine möglichst kurze, unverzweigte und strömungsgünstige Ausführung der Lüftungskanäle. Flachkanäle bieten die Möglichkeit, besonders raumsparende und kostengünstige Installationen vorzunehmen, da sie einfach in den Fußbodenaufbau integriert werden können. So können über eine Installationsebene gleichzeitig zwei Geschosse erschlossen werden (Bild 7).
Zusammenfassung
Baustoff- und Heizungsindustrie verfügen über ausgereifte Konzepte zur Senkung des Energieverbrauchs, die sich in der Praxis bestens bewährt haben. Ein wirtschaftliches und umweltschonendes Heizsystem für Niedrigenergiehäuser ist die Warmwasserheizung, bestehend aus Niedertemperatur-, Brennwert- oder Wärmepumpentechnik sowie Speicher-Wassererwärmer, ergänzt durch eine kontrollierte Wohnungslüftung und die Nutzung der Sonnenenergie.
Fachtagung 27. 4. 2001 in Neu-Ulm
Zum Thema "Heizen im Niedrigenergiehaus" findet am 27. 4. 2001 in Neu-Ulm eine Fachtagung der SHK-Fachverbände Bayern und Baden-Württemberg statt.
Inhaltsschwerpunkte sind u.a.:
Perspektiven für die Einsparung von Heizenergie,
Energieeinsparverordnung und deren Auswirkungen auf die Haus- und Bautechnik,
Energieeinsparmaßnahmen bei Altbauten sowie die Auswirkungen des Nutzerverhaltens,
Öl-Brennwerttechnik,
Kontrollierte Wohnungslüftung,
Wärmepumpen,
Thermische Sonnenenergienutzung,
im Anschluss an die Tagung: Möglichkeit zur Besichtigung der NEH-EXPO-Siedlung
Nähere Infos beim FV Bayern unter: Tel. 089/546157-0, Fax: 089/546157-59
Internetinformationen: |
*) Dr.-Ing. Gerhard Meier-Wiechert, Viessmann Werke GmbH, Allendorf
B i l d e r : Viessmann Werke GmbH, Allendorf
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