IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 07/2001, Seite 134 ff.
INTERVIEW
V&B
Stil, Struktur und Strategie
Welchen Herausforderungen sich ein Unternehmen mit 250-jähriger Tradition in keramischen Produkten stellen muss, besprach Peter von der Lippe, Mitglied des Vorstands, Bereich Bad und Küche, mit dem IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Volkmar Runte. Jüngste Entwicklungen in puncto keramische Oberfläche waren außerdem Thema in diesem Gespräch.
V&B,traditionsreicher Keramikhersteller, stellt sich den Herausforderungen des modernen Marktes. Waren es seit 1748 noch Manufakturen von Boch, die sich später sogar "kaiserlich" nennen durften, so war es nach dem Zusammenschluss von V&B, ab 1836, eine eher auf das Massenprodukt ausgerichtete Fertigung. Diese beinhaltete neben der Tischkultur auch die "Mettlacher Platten" sowie die Sanitärkeramik. Mit dem Bedürfnis des Menschen nach Hygiene, Anfang des 20. Jahrhunderts, sorgte das Unternehmen mit erschwinglichen Produkten wie Waschbecken, Wanne und WCs für eine "Demokratisierung der Badekultur". V&B wird bereits seit über zehn Käufergenerationen als Markenname penetriert. Produkte des Keramikers findet man in zahlreichen Haushalten und edles Mosaik in Kirchen, Schlössern und öffentlichen Bauten. Aktuellstes Beispiel mit weltweiter Wirkung war das Mosaik "Weltkarte des Lebens" auf der EXPO 2000 in Hannover. Diese Entwicklung ist aus "Sanitärsicht" einmalig und genauso einmalig ist mit über 80 Prozent der Bekanntheitsgrad dieser Marke. V&B erreichte im Geschäftsjahr 2000 einen Konzernumsatz von 940 Mio. Euro (1,83 Mrd. DM), eine Steigerung von 12,6%.
IKZ-HAUSTECHNIK: Aufgrund der Konjunkturlage sind die Aussichten für die SHK-Branche nicht gerade rosig. Zahlreiche Unternehmen meldeten im letzten Jahr zweistellige Umsatzeinbrüche. Gerade mal ein Jahr sind Sie bei V&B als Mitglied des Vorstands für den Unternehmensbereich Bad und Küche verantwortlich und können bereits mit sehr positiven Zahlen glänzen. Wo liegt die Ursache?
»Internationalisierung führte zur Risikostreuung« |
von der Lippe: Das ist nicht nur ein Erfolg des Jahres 2000. Es zeichnete sich bereits 1999 ein solches Ergebnis deutlich ab. Wir haben bei V&B, seit ich 1996 als Gesamtvertriebsleiter begann, konsequent an neuen Konzepten gearbeitet und sie umgesetzt. Die Maßnahmen haben gegriffen, denn wir konnten die Firmenkonjunktur vom allgemeinen Trend abkoppeln. Mit den positiven zweistelligen Zuwachsraten erzielten wir erfreulicherweise sogar eine Planüberschreitung von ein bis zwei Prozent.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was verstehen Sie unter neuen Konzepten, wo werden die Schwerpunkte liegen?
von der Lippe: Die Ausrichtung des Konzerns wurde von einem produktionsorientierten hin zu einem marktgesteuerten Unternehmen verändert. Darüber hinaus wurde untersucht, wo und wer in Zukunft die entscheidenden Absatzmittler für uns sind, denn 1996 stellten wir fest, dass wir die Handwerker sträflich vernachlässigt hatten. Die Installateure, Architekten und Planer sind dem Endkunden am nächsten. Wir reagierten gezielt darauf, z.B. durch die Entwicklung von Informationsmaterial wie dem technischen Handbuch für Installateure und Planungsmappen für Architekten. Ergänzt wurde diese Maßnahme durch einen verstärkten Außendienst. Außerdem wurden die Geschäftsschwerpunkte des Unternehmens neu geordnet. Die Bereiche Fliesen, Bad und Küche, Tischkultur und Kunststoff-Wellness wurden als getrennte Einheiten im Familienunternehmen unter Führung des Konzernchefs Wendelin von Boch-Galhau neu organisiert. Des Weiteren, und das ist für die Kunden von V&B am ehesten nachvollziehbar, haben wir unter dem neuen Marketing- und Vertriebskonzept "The House of V&B" eine innovative ganzheitliche Produktpräsentation mit emotionaler Ansprache des Endverbrauchers erfolgreich im Markt positionieren können.
IKZ-HAUSTECHNIK: Gilt die erfolgreiche Umsetzung dieses Konzepts für alle Geschäftsbereiche oder sind deutliche Unterschiede zu erkennen?
von der Lippe: Aus der ganzheitlichen Umsetzung des Konzepts resultiert natürlich ein Erfolg gleichermaßen für alle Unternehmensbereiche.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Bedeutung hat der Zukauf von AB Gustavsberg für das Unternehmen?
von der Lippe: Vor etwa einem Jahr wurde der schwedische Sanitär- und Armaturenhersteller Gustavsberg zu 100 Prozent erworben. Mit dieser Akquisition stärkt das Unternehmen den Bereich Bad und Küche sowie Wellness. Gustavsberg hat in den nordeuropäischen Ländern und in Osteuropa enorme Marktbedeutung. Wir können durch den Zukauf die Präsenz auf dem europäischen Markt weiter ausbauen. Der skandinavische Markt ist ein "closed shop", denn der Großhandel arbeitet dort mit festen Partnern wie Gustavsberg, Oras und andere. Gustavsberg wird aus rechtlichen Gründen als Einheit weiter bestehen und übernimmt für V&B den dortigen Vertrieb - also eine Zweimarkenstrategie. Hinzu kommt der kürzlich getätigte Zukauf von Svenska Badkar AB, die Marktführer im Bereich Whirlpool in Schweden sind. Unsere Position in Nordeuropa wird somit weiter ausgebaut.
IKZ-HAUSTECHNIK: Damit ist die Stellung des Unternehmens im Norden Europas sicherlich untermauert, wie könnte V&B dies in Deutschland schaffen?
»Wir haben die Ausrichtung geändert und konzentrieren uns auf die Umsatzmittler im Handwerk und bei Planern« |
von der Lippe: Durch Erfolgsfaktoren wie die erfolgreiche Vermarktung der Innovation "ceramicplus".
IKZ-HAUSTECHNIK: War der c-plus-Erfolg aus ihrer Sicht ein produktspezifischer oder ein marketingbeeinflusster Erfolg?
von der Lippe: Von diesem Produkt ging eine Marktbeeinflussung aus, die den Markt in Deutschland, in dem etwa 9 Mio. Keramikteile gefertigt werden, einen gewissen Schub brachte. Bei uns ist der c-plus-Anteil auf etwa 30 Prozent gestiegen. Dieses Ergebnis werte ich einerseits als Produkterfolg: leichte Reinigung von Schmutz, Kalk und Wasser. Der Endverbraucher weiß diesen Vorteil zu schätzen, andererseits haben die umfangreichen TV-Kampagnen auch zur Vorbereitung der Botschaft von c-plus wesentlich beigetragen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Ein weiteres Thema welches aktuell diskutiert wird, ist die keimtötende oder antibakterielle Oberfläche. Macht diese Innovation überhaupt Sinn, wenn man weiß, dass aus gesundheitlicher Sicht dies nicht wünschenswert ist?
von der Lippe: Aktivecare ist eine bakterienhemmende, nicht abtötende Oberfläche. Wir haben im Vorfeld die Vermarktung im Reinigungsmittelbereich beobachtet. Es wurde deutlich, dass etliche Leute sehr stark auf diesem "Nutzen" abfahren. Die Abtötung von Bakterien wird dort nach dem Motto vermarktet: Auftragen, Abwischen, Bakterien weg. Wir haben dagegen eine Oberfläche entwickelt, die Silber enthält. Dies führt zu einem Oberflächen-Klima, das die Bakterien nicht weiter wachsen lässt. Die diskutierte Frage ist, ob hierdurch eine negative Auslese von resistenten Bakterien hervorgerufen wird, hat sich nicht bestätigt.
Die neue Edition Pure Basic bietet einfache, geometrische Formen, klare Farben und dazu ein Hauch von Extravaganz. |
IKZ-HAUSTECHNIK: Stellt sich aus der vielfältigen und hochwertigen Entwicklung der Oberflächen nicht die Frage: Warum dann überhaupt noch Keramik?
von der Lippe: Dieses Problem haben wir grundsätzlich immer, wenn ein solcher Vorteil auch auf andere Werkstoffe transportiert werden kann. Diese Oberfläche könnte auf Glas oder Glasuren aufgetragen werden, nicht aber auf Metall und auch nicht auf bestimmte Kunststoffe. Selbst wenn das möglich wäre, wird argumentiert werden müssen, welches die Vorzüge des einen und des anderen Werkstoffes sind. Wir werden allerdings sehr genau beobachten, welche Werkstoffe in Zukunft relevant sein werden. In diesem Bereich wird V&B Entwicklungsarbeit leisten und ein entsprechendes Budget bereitstellen. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass wir einen Großteil unseres Geschäfts im Möbelbereich abwickeln. Die Folge: Wir konzipieren heute keine Kollektion mehr ohne Möbel.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wird V&B in den genannten Bereichen wie Kunststoff weiter akquirieren?
von der Lippe: Auf jeden Fall, denn wir richten uns an dem Gedanken aus, wie ein Bad für ein Kind oder ein altengerechtes Bad aussehen müsste und dies bedeutet auch Innovation in Werkstoffen. Über den neuen Geschäftsbereich Wellness kommt dies bereits zum Ausdruck. Mit den Beteiligungen db.Das Bad, Vagnerplast und Ceramica Ligure erweitern wir konsequent das ganzheitliche Angebot für Bäder.
Mit dem neuen, speziell auf die Bedürfnisse von Kindern zwischen drei und zehn Jahren abgestimmten Badprogramm Banditos werden viele Probleme kindgerecht gelöst. |
IKZ-HAUSTECHNIK: Handwerkermarken sind auch auf der ISH ein Profi- Thema. Wie steht V&B als Markenhersteller zu dieser Marketingoffensive des Zentralverbands SHK?
von der Lippe: V&B ist ein sehr stark markenorientiertes Unternehmen, wir können nicht einzelne Produkte aus unserem Sortiment herausgreifen und sie unter dieses Label stellen. Wir haben mit einem wesentlichen Element der Handwerkermarke ein Problem, der Baumarktpräsenz. Denn in früheren Jahren hat das Unternehmen Fehler begangen: die Baumarktpräsenz zugelassen, ohne sie in irgendeiner Weise zu kanalisieren. Seit 1997 haben wir begonnen dies sehr stark zu reduzieren und die wesentlichen Markenträger aus dem Baumarkt herauszuhalten. Magnum war ein Beispiel dafür. Wir haben als erstes keramisches Unternehmen den bar-code eingeführt um eine Überprüfung der Lieferwege zu ermöglichen. Wir können aber nicht lückenlos verhindern, dass unerwünschte Ware in den Baumärkten auftaucht, dazu haben wir genügend Beispiele in der Logistic-Kette gefunden. Das Problem kann nicht nur der Industrie angelastet werden, der Großhandel ist in der Breite genauso beteiligt. Was die Handwerkermarke abverlangt in Bezug auf Vertriebswegstreue, können wir, wegen der Internationalisierung in Europa mit vertretbarem Aufwand, einfach nicht gewährleisten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche weiteren Innovationen sehen Sie in der Zukunft, die dem Markt Impulse geben könnten?
»Durch Akquisitionen erweitern wir konsequent das ganzheitliche Angebot für den Badbereich« |
von der Lippe: Wir müssen es schaffen, den Renovierungszyklus für ein Bad deutlich unter die jetzt üblichen 17 Jahre zu drücken. Hier arbeiten wir an Konzepten, die die Renovierung erleichtern.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie müsste sich der von Ihnen genannte Umsatzmittler aufbauen, gibt es genügend Handwerksbetriebe die diesen "Full service" bieten könnten?
von der Lippe: Es gibt bereits 150 bis 200 Unternehmen, die im Sinne eines Generalunternehmers die einzelnen Gewerke koordinieren und so dem Kunden das Problem der Absprache mit dem Maler, Elektriker, Installateur usw. abnehmen. Wir werden uns so aufstellen, dass die Kunden weitestgehend das Bad von V&B beziehen können. Wir sind dabei auf der Suche nach Partnern im Handwerk, die auch dazu in der Lage sind, dieses Konzept umzusetzen. Hierzu haben wir das Vertriebs- und Marketingkonzept "The House of V&B" im Markt eingeführt. Es ist ein Einzelhandelskonzept und das macht auch Sinn, denn dort findet der wirkliche Verkauf zum Endkunden statt. Die Erfolge sind sehr vielversprechend. Im Bundesgebiet gibt es im Bereich Sanitär und Fliesen 60 Häuser, die dieses Konzept aufgegriffen haben, europaweit waren es zu Beginn dieses Jahres über 100 Häuser. Der Grundgedanke des Komplettbades findet sich hier bereits wieder, denn wir listen dem Handwerker einen Quellennachweis aller Produkte auf, bis hin zur Gardinen, Stoffen, Fliesen und zu Ausstattungsgegenständen. Das heißt, der Kunde kann das Bad nach seinen Wünschen abgestimmt bis ins Detail erhalten. Wir bieten eine geschmackliche Einheit, z.B. Varianten zu unserem Classic Life Waschtisch Amadea oder zur Serie Epura, in dem wir Empfehlungen für Armaturen von Markenherstellern wie Dornbracht oder Hansgrohe etc. aussprechen, die besonders gut mit dem Stil harmonieren.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welchen Ansatz würden Sie den Lesern mit auf den Weg geben, wenn über Entwicklungen in der Branche nachgedacht wird?
von der Lippe: Einige Monate nachdem ich bei V+B begonnen hatte - ich kam aus der Konsumgüterbranche, fragte mich Luitwin-Gisbert v. Boch-Galhau, welche Erkenntnisse ich in den ersten Monaten gesammelt hätte. Unter anderem fügte ich an, dass das Unternehmen weit vom Endverbraucher entfernt sei, was sich mittlerweile für V&B deutlich verändert hat. Aus meiner heutigen Erfahrung kann ich nur anfügen, ein Kritikpunkt, der Sanitärbranchenspezifisch ist. Dies ist eines der Grundprobleme unserer Branche. Wir beschäftigen uns zu wenig mit dem, was der, der unsere Ware kauft, auch wirklich haben will. Was ist Convenience für ihn, was hat er für einen Komfortanspruch, welche Annehmlichkeiten möchte er haben. C-plus ist Convenience. Wenn der Verbraucher den Nutzen erkennt, wird es auch zu einem langfristigen Erfolg kommen.
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