IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 07/2001, Seite 106 ff.
Brennstoffzellen-Heizgerät: Neue Chancen für alle Marktpartner
Joachim Berg*
Mit einem spektakulären Auftritt hatte Anfang November 2000 Daimler-Chrysler in Berlin für das Jahr 2002 die Markteinführung des ersten, von einer Brennstoffzelle angetriebenen Serienfahrzeuges angekündigt. Dass durch Brennstoffzellen-Heizgeräte (BZH) die individuelle Energie- und Wärmeversorgung vor einem ähnlich umwälzenden Evolutionsschritt steht, wird derzeit noch vornehmlich in Fachkreisen diskutiert. Spätestens mit der Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) aber dürfte sich das nachhaltig ändern. Denn das Brennstoffzellen-Heizgerät eröffnet durch die dezentrale Gewinnung von Strom und Wärme im Ein- oder Mehrfamilienhaus eine neue Dimension.
Bild 1: Schematische Darstellung des Brennstoffzellen-Heizgerätes. |
Arbeitsweise einer Brennstoffzelle
Das Funktionsprinzip einer Niedertemperatur-Brennstoffzelle (Bild 1) sieht so aus (Bild 2): In einem elektrochemischen Prozess, der der umgekehrten Elektrolyse entspricht, reagieren aus Erdgas gewonnener Wasserstoff sowie Sauerstoff getrennt durch eine protonenleitende Kunststoffmembran. Neben Gleichstrom entsteht dabei zusätzlich Wärme, die über den Brennstoffzellenkühlkreislauf direkt an den Heizkreis eines Gebäudes abgegeben wird. Damit tendieren die Verteilungsverluste naturgemäß fast gegen Null. Sie tragen so der maßgeblichen Forderung der EnEV zur Verringerung des Primärenergie - sowie des Endenergiebedarfes in einer Art und Weise Rechnung, die weder von zentralen Großkraftwerken noch von Blockheizkraftwerken erfüllt werden kann. Bild 3 zeigt das Prozessflussdiagramm eines Brennstoffzellen-Heizgerätes mit Warmwasserbereitung und Zusatzheizgerät, der Kasten "Aufbau des Brennstoffzellen-Heizgerätes" geht sehr genau auf die Arbeitsweise ein.
Bild 2: Das Funktionsprinzip der Brennstoffzelle. |
Positive Umwelteigenschaften sind inklusive
Parallel wird damit natürlich auch der CO2-Ausstoß massiv reduziert. Simulationsrechnungen für ein Mehrfamilienhaus, die auf gemessenen Lastgangkurven für Strom und Wärme beruhen, ergaben so im Vergleich zur herkömmlichen Versorgung aus dem öffentlichen Stromnetz und mit einem Niedertemperatur-Heizkessel bei Einsatz eines wärmegeführten Brennstoffzellen-Heizgerätes eine Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes um bis zu 50 Prozent. Ausschlaggebende Faktoren waren dabei zum einen die nahezu vollständige Nutzung der bei der Stromproduktion anfallenden Wärme, zum anderen aber der Einsatz des fast flächendeckend zur Verfügung stehenden Erdgases, das - sehr kohlenstoffarm - durch seine spezifische CO2-Rate allen anderen fossilen Energieträgern ohnehin überlegen ist.
Bild 3: Prozessflussdiagramm einer Anlage mit Brennstoffzellen-Heizgerät, Warmwasserbereitung und Zusatzheizgerät. |
Zukunftsaussichten
Für den Heiztechnikhersteller Vaillant (Remscheid) liegt in dieser ebenso effizienten wie umweltfreundlichen Nutzung der Primärenergie Erdgas einer der wesentlichen Gründe, die für eine schnelle Marktdurchdringung des Brennstoffzellen-Heizgerätes sprechen. Nach dem Start eines Feldtestes Ende 2001/Anfang 2002, in dem mit mehr als zehn Partnern aus Wissenschaft, Versorgungswirtschaft und SHK-Branche nach und nach 400 Pilotanlagen testen wird, erwarten die Remscheider bis 2010 in Europa ein Absatzvolumen allein für Vaillant von 100.000 Einheiten je Jahr, davon rund 40 Prozent in Deutschland (Bild 4).
Das erste Produkt wird 4,6 kW elektrische und ca. 35 kW thermische Leistung haben und damit prädestiniert sein für den Einbau in Mehrfamilienhäuser und kleinere Gewerbebetriebe. Später sollen auch kleinere Geräte mit 1 kW elektrischer Leistung für Ein- und Zweifamilienhäuser folgen.
Zwar stellen, neben Detailfragen der technischen Realisierung, derzeit noch die spezifischen Kosten eines solchen Kraft-Wärme-Kopplung-Systems von rund 100.000 DM pro Kilowatt elektrischer Energie ein Hemmnis dar. Mit Erreichen der Produktionsmenge von 100.000 Einheiten nach Marktstart reduziert sich der zu erwartende Preis jedoch auf ca. 3000 Mark pro Kilowatt, erreicht also zeitgleich die wettbewerbsfähige Wirtschaftlichkeitsgrenze.
Dass dieses Mengengerüst, das im Übrigen lediglich zwei Prozent des jährlichen Volumens von fünf Millionen Heizgeräten in Europa entspricht, erreicht wird, steht mittlerweile außer Frage. Denn neben den politischen Vorgaben werden vor allem die vitalen Interessen sämtlicher Marktpartner dazu beitragen, beim Endgebraucher die notwendige Akzeptanz für die neue Heiztechnologie zu schaffen.
Bild 4: Marktpotenzial von Brennstoffzellen-Heizgeräten in Europa und für Vaillant. |
Chancen für alle Marktteilnehmer
Für die Gasversorger bietet sich so im ersten Schritt die zusätzliche Möglichkeit, über eine Steigerung des Gasabsatzes insbesondere in Neubaugebieten bei sinkenden spezifischen Energieverbräuchen die Netzprofitabilität zu steigern. Wesentlich lukrativer aber dürften die Zusatzerlöse aus dem kombinierten Strom- und Wärmeverkauf, vor allem aber aus den hinzu kommenden Servicedienstleistungen sein, die sich durch die spezielle Charakteristik der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung ergeben: Während konventionelle Heizungen immer gebäudegebunden sind, lassen sich Brennstoffzellen-Heizgeräte beispielsweise vergleichsweise einfach über integrierte Energiemanager mit Kommunikationsschnittstellen zu einem "virtuellen Kraftwerk" zusammenschalten (Bild 5). Beispielsweise könnten innerhalb eines Stadtviertels in 1200 Gebäuden etwa 5,5 MW Leistung installiert werden, um damit ca. 7000 Kunden zu versorgen. Ein zentrales Netzmanagement-System steuert die BZHs in Spitzenlastzeiten an. Der im BZH integrierte Energie-manager erkennt die lokale Verbrauchssituation, die Kapazität des Wärmespeichers und berechnet daraus die zur Verfügung stehende Spitzenlast.
Eine kritische Phase stellen hierbei die Sommermonate dar, wenn nicht immer ausreichend Wärme für Heizung und Brauchwasser nachgefragt wird. Hier wird an Konzepten gearbeitet, die Brauchwasserspeicher, die möglichst großzügig bemessen sein sollten, intelligent zu bewirtschaften. Also zum Beispiel dann zu laden, wenn Spitzenstrom nachgefragt wird. Das "virtuelle Kraftwerk" verbindet damit die individuelle Verbrauchssituation vieler Wohnobjekte mit dem übergeordneten Lastmanagement der Netzbetreiber, der Einsatz überproportional teurer Primärenergie zu Spitzenlastzeiten entfällt.
Bild 5: Prinzipdarstellung für das virtuelle Kraftwerk. |
Neben Kostenvorteilen bedeutet eine solche Aufschaltung für den Endverbraucher zugleich einen deutlichen Komfortzuwachs. Er kümmert sich, einem allgemein zu beobachtenden Trend entsprechend, nicht mehr im Detail um die Technik der Wärmegewinnung, sondern kauft künftig Fullservice ein. Die Energielieferung und kompetente Beratung ist darin ebenso enthalten wie Finanzierung, Installation, Betrieb, Wartung, Instandhaltung sowie Abrechnung. Hier eröffnet sich ein Marktpotenzial mit inhaltlich standardisierbaren Dienstleistungen, um das sich mittelfristig ein harter Wettbewerb entwickeln dürfte: Um die zu erwartenden Contracting-Projekte werden sich Energieversorger ebenso bemühen wie gewerbliche Objektbetreiber oder Privatinvestoren aus dem Ein- und Mehrfamilienhausbereich und vor allem das progressive Fachhandwerk, zumal es, idealerweise mit kooperierenden oder zusammengewachsenen Gewerken seine Kunden mit dem kompletten Dienstleistungspaket rund um das Brennstoffzellenheizgerät intensiver als bisher binden kann.
Auch bei der Frage "Strom oder Gas bei rückläufigen Energiebedarfen" ergeben sich interessante Optionen. Sowohl bei Neuinstallationen, noch mehr jedoch im wesentlich umsatzstärkeren Renovierungsgeschäft tritt anstelle des "entweder oder" ein "sowohl als auch", das sich unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichsten Lösung in aller Konsequenz an den baulichen Gegebenheiten der angeschlossenen Objekte und der Nutzungsart orientiert. Im nachbarschaftlichen Blockverbund kann ein erdgasbetriebenes BZH so die Nahwärmeversorgung oder die elektrische Zusatzheizung eines Passivhauses ebenso bedienen wie den Wärmespeicher eines Niedrigenergiehauses oder die Heizungsanlage eines bestehenden Gebäudes, für dessen hydraulische Ankopplung das Brennstoffzellen-Heizgerät von Vaillant standardmäßig ausgelegt ist. Eine Nutzungsvielfalt also, die vom Fachhandwerk exakt auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Endverbraucher abgestimmt werden kann und als willkommener Nebeneffekt zu mehr Profilierung, zu einem deutlichen Gewinn an zugesprochener Kompetenz führt.
Aufbau des Brennstoffzellen-Heizgeräts
Das System besteht im Wesentlichen aus sieben Hauptkomponenten (Bild 3):
- Fuel Prozessor (Gasreinigung, Reformierung)
- Fuel Cell Stack (Brennstoffzellenstapel)
- Wasseraufbereitung
- Wärmetauscher
- Inverter (Wechselrichter)
- Zusatzheizgerät
- Energiemanager, Regelungselektroniken
Die entwicklungstechnischen Herausforderungen liegen im Wesentlichen beim Fuel Prozessor und bei der Systemgestaltung. Die anderen Komponenten sind zum Teil langjährig in Raumfahrt, Heiz- oder Solartechnik erprobt; hier stellt sich eher die Frage nach kostengünstiger Fertigung oder Lebensdauer unter Praxisbedingungen.
Das BZH wird mit Erdgas betrieben. Vor dem Eintritt in den Reformer müssen zunächst die schwefelhaltigen Bestandteile aus dem Erdgas abgeschieden werden, um eine Schädigung der Katalysatoren im Fuel Prozessor und der Brennstoffzelle zu vermeiden.
Dem Reformer (Fuel Processor) werden Erdgas, Wasserdampf und Luft unter Druck zugeführt und dort zu wasserstoffreichem Gas reformiert. In einer 2. Stufe wird das dabei entstandene Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid aufoxidiert. Nach einer Prozessgasbefeuchtung strömt das Reformat die Anoden der einzelnen Brennstoffzellen an. Dort reagieren Wasserstoff und Sauerstoff miteinander und produzieren dabei elektrische Energie und Wärme. Da Gleichstrom erzeugt wird, muss er in einem Inverter in netzgerechte 230 V/50 Hz Wechselspannung umgewandelt werden. Die frei werdende Wärme geht in den Abgasstrom und den Brennstoffzellenkühlkreislauf über.
Da speziell bei modulierender Fahrweise die Brennstoffzelle nicht das gesamte ihr zugeführte Brenngas umsetzt, wird der Restwasserstoff in einem katalytischen Nachbrenner vollständig nachverbrannt. Die Wärme dieses Abgasstromes wird in einem Wärmeaustauscher zum Beheizen der Eingangsstoffströme in den Reformer verwendet. Die restliche Wärme wird über den Brennstoffzellenkühlkreislauf an den Heizkreis abgegeben.
Um hohen Wärmeanforderungen - z.B. im Winter - gerecht zu werden, deckt ein Zusatzheizgerät die thermischen Spitzen ab. In das Heizungssystem ist ein Brauchwasserspeicher integriert, der möglichst durch die Wärmeproduktion der Brennstoffzelle geladen wird.
Internetinformationen: |
*) Joachim Berg leitet den Programmbereich Brennstoffzellen-Produkte bei der Vaillant GmbH, Remscheid
B i l d e r : Vaillant GmbH, Remscheid
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