IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 05/2001, Seite 52 ff.


INTERVIEW


Dallmer Studor-Belüftungsventile

Problemlöser mit Zulassung

Belüftungsventile in Abwassersystemen werden in Deutschland bereits seit Jahrzehnten vor allem bei der Sanierung oder Erweiterung von Nassräumen eingesetzt. Bisher allerdings entgegen den technischen Regelwerken, denn der Einsatz dieser Problemlöser war nach DIN 1986 nicht zulässig. Mit dem Erscheinen der neuen europäischen Abwassernorm für Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - DIN EN 12056 - hat sich die Situation grundlegend geändert. Im Teil 2 der Norm ist festgelegt, dass der Einsatz von Belüftungsventilen national geregelt werden kann. Im derzeitigen Normentwurf der verbleibenden deutschen Restnorm DIN 1986 Teil 100 wurde dieser Tatbestand bereits berücksichtigt: Danach können Belüftungsventile in bestimmten Anwendungsbereichen eingesetzt werden. In welchen, das erläuterte Claus Karst, langjähriger Marketingleiter beim Arnsberger Entwässerungsspezialisten Dallmer, gegenüber IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Markus Sironi. 

Belüftungsventil als Fallleitungslüftung hinter dem Drempel im frostfreien Dachraum - für Ein- und Zweifamilienhäuser bald zulässig?

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie viele Belüftungsventile werden nach Ihren Schätzungen jährlich in Deutschland installiert, wie viele europaweit?

Claus Karst: Es ist natürlich schwer, an verbindliche Zahlen zu gelangen. Ich denke jedoch, dass in Deutschland jährlich um die 250 bis 300 000 Ventile eingesetzt werden, obwohl sie bisher offiziell nicht erlaubt waren. Da Belüftungsventile in den meisten europäischen Ländern, von Amerika und Asien einmal abgesehen, schon längere Zeit - allerdings mit unterschiedlichen Anforderungen und Auflagen - zugelassen sind, kann man in Europa sicherlich von einer siebenstelligen Ziffer ausgehen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Aus welchem Grund waren die umgangssprachlich häufig Rohrbelüfter genannten Ventile in Deutschland nicht zulässig? Bei unseren europäischen Nachbarn gehören sie doch seit Jahrzehnten quasi zur Abwasseranlage.

Claus Karst: Die Frage ist gut und kaum zu beantworten. Abwassersystemen mit eingebauten Belüftungsventilen wurden Probleme nachgesagt, die unter Umständen durch mangelnden Frischluftausgleich und damit verbundener Säureentwicklung entstehen können, die dann zur Korrosion von Rohren - zumindestens gewisser Rohrreihen - führen kann. Die Richtigkeit solcher Folgeerscheinungen wurde aber niemals zwingend nachgewiesen. Kein Land verzichtet im Übrigen restlos auf den Luftausgleich über das Dach, nur geht man unterschiedlich und sicherlich auf Grund eigener Erfahrungswerte damit um. Schließlich können Dachdurchbrüche auch wieder Probleme - wenn auch andersartige - mit sich bringen, erst recht, wenn sie unnötig zahlreich angeordnet werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wohl jeder erfahrene Sanitärinstallateur hat schon einmal einen Sternbelüfter eingebaut, um das Problem eines sich leersaugenden Siphons in den Griff zu bekommen. Doch welche Vorteile bringt der Einbau von Rohrbelüftern größerer Dimension in Sammel- oder Fallleitungen?

»Die Europäisierung der Normen ist nicht aufzuhalten«

Claus Karst: Einwandfreie Be- und Entlüftungen in Abwassersystemen zu installieren, scheint oft ein schwieriges Unterfangen zu sein. Zu oft habe ich von leer gesaugten Siphons und Abläufen hören müssen. Da ein Großteil heutiger Baumaßnahmen Sanierungsprojekte sind, gestaltet sich die Installation von Entlüftungsleitungen nicht immer einfach. Daher haben viele Installateure eben schon immer gute Erfahrungen mit Belüftungsventilen gemacht. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kann sich das Verziehen von Leitungen sparen, ohne dadurch Funktionsnachteile in Kauf nehmen zu müssen. Zu dem Thema Einsparung von Dachdurchbrüchen habe ich ja schon etwas gesagt. Hierbei muss außerdem berücksichtigt werden, dass neben den Eindichtungsproblemen auch Überlegungen im Zusammenhang mit z.B. Energiesparhäusern den Einbau von Belüftungsventilen begünstigen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Harmonisierung der europäischen Abwassernormen ermöglicht künftig auch in Deutschland den Einsatz von Rohrbelüftern in Abwasseranlagen - allerdings unter bestimmten Voraussetzungen. Welche?

»Belüftungsventile sind Problemlöser«

Claus Karst: Zur Beantwortung der Frage muss ich etwas weiter ausholen. Als deutscher Vertreter in der zuständigen europäischen Working Group für Belüftungsventile habe ich mich bemüht, die höchst möglichen Anforderungen an diese Bauelemente durchzusetzen. Da haben jedoch die meisten Interessenvertreter aus anderen Ländern nicht mitgespielt. Das wurde insofern verständlich, da eine Reihe von Ventilen die ursprünglich vorgesehenen Prüfungen nicht bestanden. Schließlich kam ein Kompromiss zustande, der vier Klassen vorsah. Parallel dazu hatte sich der Sachverständigenausschuss des DIBt ebenfalls mit der Problematik befasst und für Deutschland die Forderung gestellt, nur A-1-Ventile und diese unter definierten Bedingungen zuzulassen. Die Zulassungsvoraussetzungen werden nunmehr in der deutschen Restnorm DIN 1986-100 (Abs. 8.2.3.4) geregelt und lauten: Belüftungsventile können in Entlüftungsanlagen mit dem Hauptlüftungs-System als Ersatz für Umlüftungen oder indirekter Nebenlüftungen, die dem Abbau von Unterdruck im Leitungssystem dienen, eingebaut werden. In Ein- und Zweifamilienhäusern können Belüftungsventile für Fallleitungen eingesetzt werden, wenn mindestens eine Fallleitung im Hauptlüftungssystem bis über Dach geführt wird. In rückstaugefährdeten Bereichen und für die Belüftung von Hebeanlagen dürfen keine Belüftungsventile eingesetzt werden. Es dürfen nur Belüftungsventile eingesetzt werden, für die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik vorliegt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Derzeit liegt die DIN 1986-100 nur als Entwurf vor. Gibt es dennoch bereits jetzt eine Berechtigung für den Einbau von Belüftungsventilen?

»Rohrbelüfter müssen bauaufsichtlich zugelassen sein«

Claus Karst: Der Normenausschuss Wasserwesen - NAW V 2 - hatte sich bereits vor längerer Zeit darauf verständigt, Belüftungsventile unter definierten Bedingungen* zuzulassen. Eine Bestätigung hierfür ist im Beuth Kommentar "Gebäude- und Grundstücksentwässerung" nachzulesen. Auch hier findet man den Hinweis, dass die Belüftungsventile vom DIBt zugelassen werden müssen. Ventile von Herstellern, denen eine Zulassung erteilt worden ist, können demnach eingebaut werden, wobei die in der DIN 1986-100 formulierte Zulassungsdefinition inzwischen die weitergehende ist.

IKZ-HAUSTECHNIK: Rechnen Sie mit großen Änderungen am Normen-Entwurf und wann könnte die endgültige Fassung erscheinen?

Claus Karst: Die Mitglieder des NAW V 2, zu denen ich gehöre, rechnen nicht mit wesentlichen Änderungen am vorliegenden Text, weil hier mit großer Sorgfalt der aktuelle Stand der Technik eingearbeitet wurde, soweit er nicht durch die DIN EN 12056 abgedeckt wird. Die endgültige Fassung wird aller Voraussicht nach sofort nach Ablauf der Einspruchsfrist erscheinen, frühestens also Mitte dieses Jahres.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was muss der Installateur beim Einbau von Belüftungsventilen beachten?

Claus Karst: Belüftungsventile sind sehr sensible Bauelemente. Die Verschlussmembranen oder was immer als Funktionselement dient, müssen sich schon beim geringsten Unterdruck öffnen können. Das erfordert eine gewisse Sauberkeit der Umgebung. Leider musste in der Vergangenheit immer wieder einmal festgestellt werden, dass Belüftungsventile montiert wurden, die Schutzkappen entfernt und dann der Putzer ans Werk ging. Jedermann kann sich denken, wie die Ventile danach aussahen. Der Installateur sollte für den Einbau eine möglichst saubere, zugängliche Örtlichkeit wählen, die außerdem mit Luft versorgt wird. Bei einem Einbau in unbeheizten Dachböden z.B. auf Fallleitungen muss eine (meistens) mitgelieferte wärmedämmende Schutzkappe aufgesetzt werden.

Funktionsprinzip des Dallmer Studor-Rohrbelüfters: Im Regelfall ist das Belüftungsventil absolut dicht (Bild links). Es öffnet erst bei einem Unterdruck im Abwassersystem und bewirkt dadurch den Druckausgleich.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ist auch die Montage hinter der Wand, sprich innerhalb einer Vorwandinstallation, möglich?

Claus Karst: Grundsätzlich ja, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Frischluftversorgung sichergestellt ist.

IKZ-HAUSTECHNIK: Müssen die Belüftungsventile regelmäßig gewartet werden?

Claus Karst: Nein. Die meisten Ventile, die ich kenne, lassen eine Wartung auch gar nicht zu. Sollte aus irgendeinem Grunde ein Belüftungsventil seiner Funktion nicht mehr gerecht werden und die Zeit der Gewährleistung abgelaufen sein, so ist es allemal preiswerter, ein neues Ventil einzubauen. Ich gehe aber davon aus, dass ein solches Bauteil bei sachgerechter Montage ein Gebäudeleben lang funktioniert.

Einsatz von Belüftungsventilen nach DIN 1986-100 (derzeit noch Entwurf). In Ein- und Zweifamilienhäusern ist auch die Installation in Fallleitungen zulässig, wenn mindestens eine Fallleitung im Hauptlüftungssystem über Dach geführt wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Abschließend die Frage, welche Konsequenzen hat die neue europäische Abwassernorm DIN EN 12056 für das SHK-Handwerk? Muss zukünftig anders geplant und installiert werden?

Claus Karst: Nach Vorliegen der DIN EN 12056 Teile 1 - 5 und der deutschen Restnorm DIN 1986-100 kann in Deutschland weitestgehend geplant und gearbeitet werden wie bisher. Ich denke, dass insgesamt die Arbeit an den Normen in den vergangenen drei Jahren dazu geführt hat, das Regelwerk so zu aktualisieren, dass der gegenwärtige Stand der Technik widergespiegelt wird und die Normen nicht einige Jahre hinterherhinken, wie dies ansonsten häufig der Fall ist.


Neue Europäische Abwassernormen

DIN EN 12056-1:
Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 1: Allgemeine und Ausführungsanforderungen (Ausgabe 01.01).

DIN EN 12056-2:
Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 2: Schmutzwasseranlagen, Planung und Berechnung (Ausgabe 01.01).

DIN EN 12056-3:
Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Berechnung (Ausgabe 01.01).

DIN EN 12056-4:
Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 4: Abwasserhebeanlagen; Planung und Bemessung (Ausgabe 01.01).

DIN EN 12056-5:
Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 5: Installation und Prüfung, Anleitung für Betrieb, Wartung und Gebrauch (Ausgabe 01.01).

DIN 1986-100 (Norm-Entwurf):
Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke - Teil 100: Zusätzliche Bestimmungen zu DIN EN 12056 (Ausgabe 01.01).


 

Internetinformationen:
http://www.dallmer.de


*) Anmerkung der Redaktion: Belüftungsventile zur begrenzten Verwendung können in Entwässerungsanlagen mit dem Hauptlüftungssystem als Ersatz für Umlüftungen oder indirekte Nebenlüftungen eingebaut werden (nachzulesen im Beuth-Kommentar "Gebäude- und Grundstücksentwässerung").


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