IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 05/2001, Seite 3
EDITORIAL
Meisterprüfung: |
Das Handwerk steht für Dynamik, für 850 000 Betriebe, 6 Millionen Beschäftigte und mehr als 600000 Lehrlinge. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurden vom Handwerk 2 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen - mehr als in jedem anderen Wirtschaftsbereich. Damit diese Erfolgsstory weitergehen kann, braucht das Handwerk moderne und verlässliche Rahmenbedingungen.
Dazu gehört auch die Handwerksordnung. Zweimal hat sie der Gesetzgeber innerhalb von zehn Jahren novelliert, mit dem Ziel, das Handwerk dem wirtschaftlichen Wandel, den Bedürfnissen der Kunden, den technologischen Veränderungen sowie den europäischen Entwicklungen anzupassen. Die Handschrift der Novellen gibt die intensive fachliche Mitarbeit des Handwerks zweifelsfrei zu erkennen. Nicht zuletzt deshalb war stets klar, dass der Meisterbrief als grundsätzliche Voraussetzung für eine Selbstständigkeit im Handwerk nicht nur erhalten, sondern, mehr noch, gestärkt werden soll.
Der Große Befähigungsnachweis ist unverändert das Fundament für die Leistungsfähigkeit des Handwerks:
- als größter Arbeitgeber,
- als größter Ausbilder,
- als qualifizierter Werk- und Dienstleister,
- als Garant für erfolgreiche Betriebe und Existenzgründer mit der niedrigsten Insolvenzquote.
Mit dem Meisterbrief haben wir im Übrigen in Deutschland das personengebundene Zertifizierungsinstrument, das weltweit zunehmend nachgefragt wird. Seine Stärke, die einzigartige Verknüpfung von fachlicher und unternehmerischer Ausbildung, wurde von einer Expertengruppe der Europäischen Kommission als "best practice" zur Nachahmung empfohlen.
Wir stehen am Übergang in die Wissensgesellschaft, "lebensbegleitendes Lernen" wird zur Notwendigkeit in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland. Es besteht Konsens darüber, dass unser Wirtschaftsstandort nur über verstärkte Bemühungen in der schulischen, universitären sowie gerade auch der beruflichen Aus- und Fortbildung zu sichern ist. Diese Voraussetzungen sind in der handwerklichen Berufsbildung bereits enthalten.
Es kann also bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen des Handwerks nicht darum gehen, Qualitätsstandards zu reduzieren. Sinnvoll erscheint allein, Justierungen an bestimmten Schnittstellen vorzunehmen. Dort, wo es darauf ankommt, die Handwerksordnung in ganz Deutschland einheitlich anzuwenden und auszulegen, wobei jeweils im Einzelfall zu entscheiden ist, ob die Ablegung der Meisterprüfung für den Betroffenen zumutbar ist. Mit dem vom Bund und den Ländern zum Jahresende 2000 verabschiedeten Beschluss "zum Vollzug der Handwerksordnung" wird genau dies erreicht.
Bund und Länder haben nach Anhörung und Beteiligung des Handwerks Grundsätze zur Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen zur Ausübung eines Handwerks aufgestellt. Dabei werden insbesondere folgende Sachverhalte geregelt:
Außerhalb des Handwerks erworbene, der Meisterprüfung vergleichbare Qualifikationen, werden als Zugang zur Existenzgründung im Handwerk oder zur Übernahme eines bereits bestehenden Handwerksbetriebes anerkannt. Dies gilt nicht nur für die Abschlüsse einer wissenschaftlichen Hochschule oder Fachhochschule, sondern auch für im Wesentlichen fachlich vergleichbare Industriemeister- oder Technikerprüfungen und andere Prüfungen.
Qualifizierte handwerkliche Mitarbeiter von Unternehmen, die in Folge einer Ausgliederung handwerklicher Leistungen oder einer Umstrukturierung handwerklicher Betriebe arbeitslos werden oder drohen, arbeitslos zu werden, sollen die Möglichkeit zur Selbstständigkeit im Handwerk erhalten.
Wenn sich für jemanden die günstige Gelegenheit ergibt, einen Betrieb zu übernehmen, kann dies nicht an der fehlenden Meisterprüfung scheitern, wenn diese umgehend nachgeholt wird.
Schließlich liegt ein Ausnahmefall zur Selbstständigkeit im Handwerk auch bei fortgeschrittenem Alter vor. So wird davon ausgegangen, dass bei einem Lebensalter von etwa 47 Jahren die Ablegung der Meisterprüfung nicht mehr zumutbar ist.
Es bleibt jedoch dabei: Auch wenn in diesen Fällen auf die Ablegung der Meisterprüfung ganz oder befristet verzichtet wird, so müssen für eine einwandfreie Ausübung des jeweiligen Handwerks die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen werden.
Dieter Philipp
Präsident des ZDH
Zentralverband des Deutschen Handwerks
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