IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/2000, Seite 72 ff.
INTERVIEW
Keramag
Auf neuen Wegen
Mit der Übernahme der Sphinx-Gustavsberg-Gruppe hat sich für die Keramag AG in Ratingen das Umfeld verändert. Vorstand Carl Burkard sprach mit IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Günther Klauke über die zukünftige Ausrichtung.
Keramag-Vorstand Carl Burkard bringt es auf den Punkt: "Keramag arbeitet intensiv an einer Imageveränderung". |
IKZ-HAUSTECHNIK: Für Keramag ist neben dem Objektgeschäft vor allem das Privatkundengeschäft von Bedeutung. Wie verteilen sich die Geschäftsanteile?
Burkard: Im Bereich gehobener Privatbäder mit exklusiven Sanitäreinrichtungen müssen wir noch erfolgreicher werden. Die Wettbewerbssituation ist allerdings schwieriger geworden. Ein Grund dafür sind Mitbewerber, die inzwischen aus einem leichten Schlummer aufgewacht sind. Für ein Konzernunternehmen wie die Keramag schon deshalb nicht ganz einfach, weil wir nicht "mal eben" die Werbeplanungen zu Lasten des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses umzwitschen können.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Burkard: Das Privatgeschäft spielt sich überwiegend über die Ausstellungen ab. Hier müssen unsere kaufmännischen Mitarbeiter nicht überwiegend "Renova Nr. 1" verkaufen oder gar billige Importprodukte. Hier müssen hochwertige Serien verkauft werden. Durch entsprechend mobilisierte Ausstellungsverkäufer, durch aktuellere, frischere, neuere Ausstellungsbestückung. Und was machen wir? Wir planen Handwerkerausstellungen, wir planen Großhandelsausstellungen und haben mit der "Bäderwerkstatt" eine tolle Geschichte initiiert.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sicher keine ganz preiswerte Aktivität?
Burkard: Wie wahr. Unsere Controller verlangen natürlich entsprechenden Benefit, der bei erhöhtem Aufwand auch entsprechend ausfallen sollte. Aber wir stehen erst am Anfang und müssen es mit einem erstarkten Wettbewerb aufnehmen. Insofern ist auch ein erhöhter werblicher und kommunikativer Aufwand unsererseits erforderlich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Ist denn tatsächlich die Namensbekanntheit für den Erfolg zwingend erforderlich? Immerhin vertreiben Sie ja nicht "ein Stück Bad".
Burkard: Die IRES-Studie Teil 1 brachte, von uns nicht so gerne gehörte Definitionen der Begriffe "Fachmann" bzw. "Marke". Natürlich braucht man in erster Linie im Bad das Produkt und nicht die Marke. Aber wenn beim Endkunden gewisse Markennamen im Kopf verankert sind, dann bringt er damit auch eine gewisse Erwartungshaltung in Verbindung. Nehmen wir das Beispiel Auto. Zunächst analysiert der Konsument sein Bankkonto, dann schaut er sich vier oder fünf Produkte entsprechender Hersteller an um schließlich den Kauf zu tätigen. Ähnlich ist es im Bad. Mit der Marke "Keramag" sollen Begriffe wie Kompetenz, Qualität, Design und Vertrauen assoziiert werden. Das ist für die Kaufentscheidung gewiss nützlich, auch wenn wir keine Komplettbäder vermarkten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sprechen jetzt vom gehobenen Marktsegment?
Burkard: Ja. Es gibt Menschen, und nicht gerade wenige, die kaufen Bäder von Starck nur deshalb, weil dieser in der Öffentlichkeit bekannte Designer, sie entworfen hat.
IKZ-HAUSTECHNIK: Nun bringt man mit Keramag aber eher Renova Nr. 1 in Verbindung.
Burkard: Das ist es ja eben. Wir arbeiten intensiv an einer Imageveränderung und nehmen dafür einige Mio. DM in die Hand. Für Werbemaßnahmen in der Publikumspresse ebenso wie für die Neugestaltung unserer Ausstellungspräsentation. Das hätten wir eigentlich schon sehr viel früher machen müssen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Rechnen Sie mit Schwierigkeiten bei der Umsetzung?
Burkard: Wir haben zwei Problemkinder in der Vermarktungskette. Einerseits die Ausstellungsverkäufer und andererseits die Konsumenten. Der eine muss sich selbst erkennen und der zweite muss den anderen erkennen. Das ist wahnsinnig schwer, wenn Geld gewechselt werden soll.
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IKZ-HAUSTECHNIK: Wie kann denn ein Kunde ein Problemkind sein?
Burkard: Ich hätte besser sagen sollen er wird zum Problemkind gemacht. Die Schwierigkeit für die Verkäufer liegt darin, Kunden richtig einzuordnen. Dazu müsste ein Verkäufer auch Psychologe sein. Andererseits kann mancher Kunde seine Geschmackswelt nur unzureichend definieren. Damit tappt der Verkäufer im Dunkeln und steht quasi vor einer unlösbaren Aufgabe. Insgesamt betrachtet müsste der Ausstellungsverkäufer der Zukunft diesbezüglich besser ausgebildet sein als zur Zeit.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie geht es für Keramag in der Gruppe weiter? Hat man nicht mit Sphinx-Gustavsberg die Konkurrenz ins eigene Haus geholt?
Burkard: Nein. Nehmen Sie in Deutschland Koralle. Ein hervorragend geführtes Unternehmen, mit dem wir Synergien besprechen. Jedes Unternehmen operiert weiterhin für sich und bleibt eine eigenständige Marke. Dennoch gibt es z.B. bei Kundenbindungsaktivitäten, Ausstellungs- und Messeplanung oder im Objektgeschäft jede Menge Berührungspunkte die sinnvoll zu nutzen sind. Darüber hinaus gehört zu Koralle die Tochtergesellschaft Servico. Eine nationale Kundendienstgesellschaft, die auch für Fremdfirmen wie Alape den Kundendienst ausführt. Wahrscheinlich wird auch Keramag zukünftig die Dienste dieses Service-Unternehmens in Anspruch nehmen können. Ein Vorteil für die Kunden, da auf diese Weise die Reaktionszeiten für Reklamationen verkürzt werden können. In der Addition hat der Zusammenschluss die Sanitec-Gruppe in Sachen gesamte Badausstattung an den zweiten Platz in Europa und in Sachen Badkeramik an die Spitzenposition gebracht.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie steht es um die Synergien bei Produktfragen?
Burkard: Ein wichtiger Aspekt bei dem wir natürlich kooperieren wollen. Speziell dann, wenn zusätzliches Know-how von den Partnern eingebracht wird.
IKZ-HAUSTECHNIK: Darf die Branche möglicherweise ein "Systembad" aus Ihrem Hause erwarten?
Burkard: Nein. Wir glauben nicht, dass der Markt danach verlangt. Natürlich kann die Produktentwicklung der einzelnen Gesellschaften aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Als ein Beispiel mögen Fotoproduktionen dienen, bei denen wir zukünftig natürlich intensiv mit Koralle zusammenarbeiten werden. Aber das komplette Bad aus einer Hand wird es in absehbarer Zeit von uns nicht geben.
IKZ-HAUSTECHNIK: Synergien bedeutet immer auch über Arbeitsplätze nachdenken.
Burkard: In Bezug auf Deutschland ist das zur Zeit kein Thema. Alle hier zur Sanitec zählenden Unternehmen arbeiten mit einem sehr engen Personalpotenzial. Im Ausland kann das ganz anders sein. Nehmen Sie z.B. Österreich, wo wir teure Räumlichkeiten für eine Dauer von vier Jahren angemietet haben. Dort gibt es ein eigenes Koralle-Gelände, mit Möglichkeiten nach Ablauf der heutigen Mietverträge auch die Keramag unterzubringen. Möglicherweise werden wir dann in Österreich sogar mit einer Mannschaft antreten. Auch das bedeutet aber nicht zwangsläufig Kündigungen. Altersbedingtes Ausscheiden von Mitarbeitern steht allerdings im Blickpunkt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Und in den Niederlanden . . .
Burkard:. . . haben wir uns mit Sphinx darauf geeinigt, weiterhin mit der eigenen Vertriebsgesellschaft tätig zu bleiben. Wie auch Sphinx in Deutschland weiterhin eigenständig bleibt.
Keramag-Anzeigen erscheinen in auflagenstarken Publikumszeitschriften. |
IKZ-HAUSTECHNIK: Und wie steht es um die Produktionsstätten?
Burkard: Wir haben nicht etwas gekauft um es zu schließen, sondern um bessere Auslastungen zu erzielen. Eine verbesserte Auslastung ist z.B. durch die Produktion für Schwesterunternehmen zu erreichen. Wir glauben alle Produktionsstätten profitabel führen zu können und werden in diesem Zusammenhang auch Hausmarken, denen wir bisher eher verschlossen gegenüberstanden, mit anderen Augen betrachten können.
IKZ-HAUSTECHNIK: Passt das denn noch zur zuvor geschilderten Markenstrategie?
Burkard: Grundsätzlich nicht. Aber man muss auch Realist sein. Leistungsstarke Großhandelsgruppen wollen sich mit ihren gehobenen Hausmarken von Mitbewerbern abheben, raus aus der Vergleichbarkeit und günstiger einkaufen. Verschließen wir uns als Hersteller dieser Strategie, so wandert ein gewisser Marktanteil der Sanitärkeramikproduktion in andere Kanäle. Wir erkennen insbesondere dann einen Sinn in der Produktion von Hausmarken, wenn der Markenname genannt werden kann, also "made by Keramag".
IKZ-HAUSTECHNIK: Dennoch ist der Hersteller solcher Produkte nichts weiter als ein austauschbarer Produzent. Ist das Risiko noch kalkulierbar für einen Markenhersteller?
Burkard: Man darf natürlich nicht überwiegend oder nur in diese Richtung schielen. Es gilt weiterhin die Marke entsprechend zu promoten. Dessen ungeachtet kann man nicht andauernd gegen den Strom schwimmen. Selbst wenn die deutschen Hersteller sich alle einig wären und dem Großhandel die kalte Schulter zeigen würden, geht der Marktanteil verloren, weil ausländische Hersteller die Produktion gerne übernehmen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was, wenn der Anteil der Handelsware am Gesamtgeschäft überproportional ansteigt?
Burkard: Ich glaube nicht an diese Theorie, weil dann die Großhändler ihre Markenkompetenz zwangsläufig verlieren würden. Nur mit Ausgeglichenheit kann der hier geschilderte Weg erfolgreich verlaufen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die Großhandelsgruppen fordern auch deshalb Hausserien, weil zu viele Produkte in den letzten Jahren in Umlauf kamen. Hat man hier von Seiten der Hersteller zu viel des Guten getan und ausländische Produzenten unterschätzt?
Burkard: Ich glaube nicht. Erst in dem Moment, wenn ein Händler erhebliche Mengen bestimmter Produkte nur noch als Hausserien vertreibt, ist er ein Konkurrent des Herstellers. Das kann man sich als Markenhersteller natürlich nicht gefallen lassen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sind die vorhandenen Branchen-Spielregeln vor den geschilderten Marktgegebenheiten noch aktuell?
Burkard: Ja und nein. Eigentlich funktioniert der professionelle Vertriebsweg noch recht ordentlich. Das ist die eine Seite. Andererseits steht die deutsche Markenindustrie unter Erfolgszwang. Wer genaue Marktanalysen betreibt, der hat ausländische Hersteller schon lange nicht mehr unterschätzt. Die Atemluft für renommierte deutsche Hersteller wird immer dünner. Darum ist es an der Zeit, die Funktionsmatrix zu modernisieren. Nicht um Dogmen aufzubauen, sondern um die verschiedenen Markttätigkeiten den Marktpartnern aktuell, d.h. zeitgemäß zuzuordnen.
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