IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2000, Seite 46 ff.
HEIZUNGSTECHNIK
Über die Unmöglichkeit eines stabilen Kesselfolgebetriebs
Hannes Lütz*
Die Bandbreite der Betriebsweise von Heizungsanlagen ist groß. Allein durch die Kopplung von verschiedenen Wärmeerzeugern mit unterschiedlichen Verbrauchern ergeben sich Anforderungen an die Koordination, die herkömmliche Kesselregler nicht immer erfüllen können. Ein neuer Kennfeldregler verspricht die Lösung für nahezu alle Anforderungsprofile unabhängig von der Betriebsart.
Unterteilung der Wärmeerzeugeranlagen
Eine Unterteilung der Wärmeerzeugeranlagen kann in drei Gruppen vorgenommen werden:
a) Einkesselanlagen
Brennwert oder Niedertemperaturkessel.
b) Einfache Mehrkesselkaskaden
In der Regel aus gleichartigen Kesseln aufgebaut, die wie Einzelstufen angesteuert werden.
c) 2/3 Kesselanlagen
Alle möglichen Kombinationen aus Brennwert- und Niedertemperaturkessel. Wahlweise mit Rücklauftemperaturregelung (Bypasspumpe), mit und ohne hydraulische Überströmung.
Bild 1: Brennwertkessel mit Fußboden- oder Wandheizung und Warmwasser-Schichtspeicher. |
Anforderungen an das Regelsystem
a) Einkesselanlagen:
Auch Einkesselanlagen unterliegen den wärmeerzeugerspezifischen Anforderungen. Die wesentlichen Kriterien bei Niedertemperaturkesseln sind:
- der Nennvolumenstrom,
- der Mindestdurchfluss,
- die minimale Kesseltemperatur,
- die maximale Kesseltemperatur,
- die Mindest-Rücklauftemperatur,
- die Anlagenhydraulik.
Bei Brennwertkesseln sind die wesentlichen Kriterien:
- der Mindestdurchfluss,
- die Einhaltung tiefer Rücklauftemperaturen,
- die Anlagenhydraulik.
Bild 2: Niedertemperaturkessel mit Radiator- oder Fußbodenheizung und konventionellem Warmwasserspeicher. |
Das Zusammenspiel von Einkesselanlage mit den Wärmeverbrauchern (Heizkörper, Lüftung, Warmwasser) stellt an die Regelung hauptsächlich kesselspezifische Anforderungen wie z. B. die Einhaltung minimaler und maximaler Temperaturgrenzen (Kesselschutz/Überhitzung), die Minimierung der Brennerstarts oder die stufige bzw. modulierende Betriebsweise. Auch die Hydraulik und die Art der Wärmeverbraucher kann sich zwischen Niedertemperaturkessel und Brennwertkessel stark unterscheiden. Brennwertkessel erlauben (für einen kondensierenden Betrieb) keine hohen Rücklauftemperaturen, daher darf es im Idealfall keine hydraulischen Bypässe geben (hydraulische Weiche, druckloser Verteiler, konventioneller WW-Speicher mit innenliegendem Wärmeübertrager). Eine ideale Brennwertanlage zeigt Bild 1, die optimale Niedertemperaturkesselanlage Bild 2. Aus Kostengründen werden diese "Idealanlagen" jedoch meistens anders gebaut, sodass sich für den Betrieb selten der Idealzustand einstellen kann. Eine Brennwertanlage wird im ungünstigsten Fall wie eine Niedertemperaturanlage (ohne Kondensation) betrieben.
b) Einfache Mehrkesselkaskaden
Mehrkesselkaskaden werden vielfach aus gleichartigen Wärmeerzeugern zusammengesetzt. Der Wärmebedarf der Anlage entscheidet über die Anzahl der hydraulisch eingebundenen Kessel (Stufen). In den meisten Fällen kommen dafür wandhängende oder bodenstehende Kessel zum Einsatz, die ein- oder zweistufig oder modulierend betrieben werden. Meist sind alle Kessel - unabhängig davon ob die Brenner laufen oder nicht - vom Anlagenwasser durchströmt. Die maximalen Temperaturen der einzelnen Kessel werden über die Kesselschaltfelder überwacht (nicht über die Kesselfolgeregelung).
Bild 3: Prinzipschema einer Mehrkesselanlage mit hydraulischer Weiche. |
c) 2/3 Kesselanlagen
Die meisten Kesselfolgeanlagen bestehen aus zwei Kesseln. Grundsätzlich ergeben sich drei unterschiedliche Betriebsweisen, die auch die Regelung abdecken muss:
- Hauptkessel - Bereitschaftskessel,
- Sommerkessel - Winterkessel,
- Parallelbetrieb beider Kessel.
Hauptkessel - Bereitschaftskessel:
Der Hauptkessel ist in der Lage, die für die Auslegungstemperaturen benötigte Wärmeleistung bereitzustellen (Einkesselbetrieb). Nur wenn die Außentemperatur extrem niedrig ist oder der Hauptkessel ausfällt, soll der Bereitschaftskessel aktiviert werden. Aus diesem Grund sollte der Regler eine Sperrmöglichkeit nach der Außentemperatur vorsehen, die im Störfall des ersten Kessels selbstständig aufgehoben werden muss. Oft wird diese Betriebsweise nach einer Anlagenrenovierung vorgesehen, bei der ein neuer Kessel in das Rohrnetz eingebunden wird. Der "alte" Kessel bleibt dann als Bereitschaftskessel in der Anlage.
Sommerkessel - Winterkessel:
Hier gibt es eine klare Prioritätsentscheidung nach der Außentemperatur. Im Winter arbeitet der (meist größere) Winterkessel als Grundlastkessel, der Sommerkessel dient der Spitzenlastabdeckung. Im Sommer ist der Winterkessel gesperrt und der (meist kleinere) Sommerkessel deckt den Bedarf im Sommer ab. Sinnvoll ist es, den Sommerkessel mit modulierendem Brenner auszuführen und die Leistung mit ca. 1/3 der benötigten Wärmeleistung auszuwählen. Der Grundlastkessel kann mit einem zweistufigen Brenner arbeiten.
Bild 4: Die unterschiedlichen Hydrauliken zeigen die Bandbreite auf, die an moderne Regelgeräte gestellt werden. |
Parallelbetrieb beider Kessel:
Dies ist die klassische Folgeschaltung, deren Sinn darin liegt, dass beide Kessel gleich belastet werden (gleiche Betriebsstunden). Der Regler muss sich bei der Prioritätsumschaltung nach der aktuellen Brennerlaufzeit des Kessels mit der größeren Priorität richten.
Folgende Eigenschaften werden von den vorgenannten Kesselfolgeschaltungen verlangt:
- Absperrung von nicht benötigten Kesseln aus der Hydraulik (einschließlich Totalabschaltung),
- unkritische Anfahrprozesse, um schnell durch die "Kondensationszone" zu fahren,
- kein unnötiges Einschalten einer Stufe oder eines Kessels,
- stabile Betriebsweise,
- minimale Anzahl von Brennerstarts,
- Einhaltung aller Kesselschutzfunktionen über den Regler wie z.B. die Überwachung der Minimal- und Maximal-Rücklauftemperatur.
Bild 5: Kostengünstiger Aufbau einer Mehrkesselanlage ohne Kesselkreispumpen, Rücklauftemperaturanhebung und hydraulischer Weiche. |
Wenn man bedenkt, dass diese Forderungen für alle möglichen hydraulischen Anordnungen gelten, dann erkennt man, dass an einen modernen Kesselfolgeregler heute große Anforderungen gestellt werden.
Bild 4 zeigt drei unterschiedliche Hydrauliken, die die Bandbreite für den Regler darstellen.
Bei der Installation von neuen oder bei der Sanierung von bestehenden Kesselanlagen wird heutzutage aus Preisgründen jede Komponente in Frage gestellt. Besonders Kessel, die keine Rücklauftemperaturregelung mehr brauchen, wie Brennwertkessel oder Spezialkonstruktionen mit internem Mischpunkt, sind "in". Denn dort kann der Planer die Hydraulik einfacher gestalten. Handelt es sich dann auch um Kessel, die keine Anforderungen mehr an die Mindestwassermenge stellen, folgt logischerweise aus der Sicht der Hydraulik der in Bild 5 aufgezeigte kostengünstige Anlagenaufbau. Die Vorteile dieser hydraulischen Anordnung sind der Wegfall der
- Kesselkreispumpen,
- Rücklauftemperaturregelung,
- hydraulischen Weiche.
Leider gibt es auch schwerwiegende Nachteile, die sich in der Stabilität des Regelbetriebs mit den meisten Kesselfolgereglern niederschlägt: Durch Mitkopplungseffekte ergeben sich instabile Betriebszustände, für die einzig und allein falsche Stelleingriffe an den Kesseln verantwortlich sind. Diese Effekte können die Kessel im Extremfall zwischen Überhitzung und Minimaltemperatur schwanken lassen (Bild 6). Nur Regler, die diese Mitkopplungseffekte berücksichtigen, garantieren einen stabilen Betrieb.
Die Forderungen an einen neuen Regler sind daher:
- schnelles Ausregeln von Laständerungen,
- stabile Sollwerthaltung in allen stationären Betriebszuständen,
- Zuordnung von Stelleingriffen zur "Lastsituation".
Bild 6: Abhängigkeiten unterschiedlicher Betriebszustände von Kesselanlagen. |
Diese Forderungen können von Standard PI oder PID-Reglern nicht erfüllt werden, weil sich bei derart einfachen Hydrauliken die Prozessdynamik laufend verändert. Wann immer mit einem PID-Regler ein stabiler Betriebspunkt eingestellt wird, gelten die Regelparameter nur für diesen Betriebspunkt. Bei allen anderen Lastzuständen tritt die extreme Instabilität wieder auf.
Bild 7: Heizungsregler MCR200 von Honeywell. |
Die Lösung dieses Problems ist ein Kennfeldregler (Bild 7), der nicht nach einer Größe - der gemeinsamen Vorlauftemperatur - regelt, sondern auch die Rücklauftemperatur als Maß für den Lastzustand der Anlage mit einbezieht. Durch ein vorbelegtes Kennfeld (Bild 8) hat der Regler für jeden Lastzustand eine Zuordnung der benötigten Brennerstufen. Eine automatische Anpassung sorgt dafür, dass sich das Kennfeld in jedem Betriebspunkt an die Anlage anpasst, sodass auch eine Über- oder Unterdimensionierung der Kesselanlage zur richtigen und stabilen Betriebsweise führt. Die Bilder 9 und 10 zeigen die Temperaturverläufe einer Zweikesselanlage mit zwei zweistufigen Brennern; einmal mit konventioneller Kesselfolgeregelung und einmal mit dem neuen Regelverfahren (vorher und nachher).
Bild 8: Kennfeld des Heizungsreglers aus Bild 7. |
Fazit
Neue (auch einfachere) Verfahren der Kesselfolgeschaltung können auch neue Probleme kreieren. Speziell wegen der Mitkopplungseffekte ist ein neuer Ansatz bei den Kesselfolgereglern gefragt, der die konventionellen PI- und PID-Regler auf die Dauer ablösen wird. Das hier vorgestellte Regelungssystem ist ein erster Schritt dazu.
Bild 9: Temperaturverlauf vorher. |
Bild 10: Temperaturverlauf nachher. |
Literatur:
Vortrag an der Technischen Hochschule Zittau, Prof. Rähder und Dipl.-Ing. Thomas Baselt, Juni 1999 in Schönaich.
* Hannes Lütz, Honeywell AG, Schönaich
* B i l d e r : Honeywell AG, Schönaich
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