IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/2000, Seite 52 ff.



Test: FIAT Multipla Blupower

Umweltschonendes Sparschwein auf Rädern

Bei den europäischen Nachbarn in den Niederlanden oder Italien gehört Gas als Kraftstoff für Fahrzeuge längst zum Alltagsbild. Ist es in den Niederlanden ein dichtes Netz an Flüssiggastankstellen, das den Erfolg des in Deutschland quasi gescheiterten Treibstoffs ermöglichte, so gilt speziell Norditalien als Hochburg der Erdgas-Variante. Aus Italien kommt auch eines der seltenen in Serie hergestellten Exemplare, welches weder im Innen- noch im Gepäckraum Platzeinbußen gegenüber anderen Treibstoffvarianten aufweist: Der auch als Servicefahrzeug für Handwerksunternehmen geeignete Fiat Multipla.

Das übersichtlich gestaltete Cockpit bietet reichlich Ablagefläche, verfügt über einen bestens erreich- und schaltbaren Gangwahlhebel und in der von uns getesteten Variante neben einem riesigen Staufach auch noch über eine leistungsfähige Kühlbox zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. Im Klartext: Ideal als Service-Fahrzeug.

Variantenreich

Als wahrer Verwandlungskünstler zeigt sich der Multi-Van nicht nur im Innenraum sondern auch bei der Treibstoffwahl. Benziner und Diesel stehen als klassische Versionen ebenso zur Verfügung, wie ein als blupower bezeichneter reiner Erdgasantrieb und die wahlweise mit Benzin oder Erdgas befeuerte bipower-Ausführung. Darüber hinaus steht mit dem Multipla Hybrid Power das erste europäische Serienfahrzeug mit Hybridantrieb (Elektro- und Verbrennungsmotor) zur Verfügung.

Wir fuhren für unsere Leser über drei Wochen einen blupower, bei dem die hintere Fahrgastzelle als Laderaum eingerichtet war. Besonders erfreulich: Der Anschaffungspreis. Ob bi oder blu, 36.000,- DM sind das Maß der Dinge. Damit liegt die Investition beim Kauf eines Neufahrzeuges nur 200,- DM höher als bei der SX-Diesel-Variante JTD.

Kaum zu glauben - aber wahr. Der Innenraum des Multipla wird weder in der blu- noch in der bipower-Ausführung durch Gastanks beeinträchtigt. Die Fiat-Ingenieure schafften das, indem sie die Tankbehälter "Unterflur", also unter dem Fahrzeugboden installierten. Drei Gasflaschen mit einer Wandstärke von 5 mm und insgesamt 164 Liter (entspricht 26,5 kg bei einem Befüllungsdruck von 200 bar) Fassungsvermögen sowie ein Benzintank mit 38 Liter Inhalt befinden sich unter dem bipower. Beim blupower setzt Fiat voll auf den umweltfreundlichen Gasantrieb, verzichtete auf den Benzintank und brachte gar vier Gasflaschen mit 216 Liter Fassungsvermögen (entspricht 34,9 kg bei einem Befüllungsdruck von 200 bar) unter.

Sicherheit spielt dabei eine große Rolle. Die Gasflaschen sind crashsicher befestigt und durch eine Verkleidung gegen Steinschlag oder ähnliche Beschädigungen geschützt. Zwei Magnetventile schützen den Teil der Leitungen, in denen das Erdgas unter hohem Druck strömt, vor Überdruck. Die Ventile sind mit dem Schalter des serienmäßigen Feuerschutz-Systems gekoppelt. Bei einem Unfall wird so die Erdgaszufuhr gesperrt.

Als Antriebseinheit dient in beiden Fällen das bekannte 1,6 l Vierventil-Aggregat. Der Motor leistet 76 kW (103 PS) im Benzinbetrieb bzw. 68 KW (92 PS) im bipower Gasbetrieb und beschleunigt das Fahrzeug in 13,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h (16 Sekunden bei Gasbetrieb). Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 168 km/h (157 km/h). Werte, die auf dem Papier deutlich erscheinen, doch im Fahrbetrieb kaum auffallen.

Für den Einsatz im blupower modifizierte der Hersteller die Steuerzeiten und erhöhte die Verdichtung, um so eine effiziente Einstellung für die Energie Erdgas zu erreichen. Das drehmomentoptimierte Triebwerk leistet 70 kW (95 PS), beschleunigt den Kompakt-Van in 15,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und ermöglicht eine Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h.

Tanken unproblematisch: Beinahe wie beim herkömmlichen Tanken von Flüssigkraftstoffen erfolgt der Betankungsvorgang am Erdgasfahrzeug.

Nicht nur sauber - sondern rein

Das durch die Erdgasverbrennung deutlich weniger Schadstoffe als durch die Diesel- oder Benzinverbrennung erzeugt werden, ist für SHK-Profis nichts Neues. Ein mit Erdgas betriebener Motor weist bei Stickoxid, unverbrannten Kohlenwasserstoffen (HC), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) erheblich geringere Schadstoffwerte auf als vergleichbare Benzin- oder Diesel-Pendants. Die Motoren produzieren auch keine Partikel oder Emissionen durch Verdampfung.

Da CO und CO2 im Abgas von erdgasbetriebenen Motoren um 40 bis 80 Prozent (!) geringer ausfallen und vor allem die Ozon bildenden unverbrannten Kohlenwasserstoffe deutlich niedriger sind, erfüllen die Multipla-Fahrzeuge im Erdgasbetrieb die besonders strengen ULEV-Grenzwerte (Ultra Low Emissions Vehicle) des US-Bundesstaates Kalifornien.

Äußere Unterscheidungsmerkmale gibt es kaum. Lediglich der Umschaltknopf für den Erdgas-/ Benzinbetrieb und die Erdgasvorratsanzeige im bipower kennzeichnen neben dem zusätzlichen oder alleinigen Gaseinfüllstutzen unter dem Tankdeckel die Erdgasfahrzeuge.

Untertrieben!

Zuladung - Innenraum

Die Radaufhängungen passte Fiat dem höheren Fahrzeuggewicht an - im Gleichschritt mit einem erhöhten zulässigen Gesamtgewicht. So ergibt sich beim bipower ein Leergewicht von 1545 kg (incl. 75 kg Fahrer) und beim blupower von 1565 kg (incl. 75 kg Fahrer). Macht bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 2050 kg eine Zuladung von 505 bzw. 495 kg. In dem von uns gefahrenen Testwagen fehlte zwar die hintere Bestuhlung, doch trennte dafür ein Gitter den Fahr- vom Laderaum. Gewichtsmäßig sicher kein großer Vorteil.

Schon in der "Normalausführung" mit sechs (!) serienmäßigen Sitzen verfügt der Multipla über ein stattliches Kofferraumvolumen von 540 Liter. Alternativ (so auch in dem von uns getesteten Fahrzeug) kann ohne Mehrpreis in der vorderen Sitzreihe anstelle des mittleren Sitzes eine großzügige Ladebox mit großem Kühlfach geordert werden.

Entfernt man die hinteren Sitze, ergibt sich ein Laderaumvolumen von 1300 Liter (in beiden Fällen gemessen bis Unterkante Fenster).

Reichlich Platz also, der auch durch die Grundflächenmaße in der Länge von ca. 1,23 m und ca. 1,53 m in der Breite dokumentiert wird (bei einer Ladebreite von ca. 1,15 m). Immerhin steht eine Ladehöhe von über 90 cm zur Verfügung.

Erreicht wird der Laderaum des von uns zum Lastesel umfunktionierten Multipla von allen Seiten problemlos. Die große Ladeklappe im Heck ermöglicht gar die Zuladung einer Europalette. Das Schöne daran: Die Ladekante fällt mit einer Höhe von ca. 63 cm angenehm niedrig aus.

Hersteller von Werkstattausrüstungen für Fahrzeuge haben den Multipla ebenfalls bereits als Service-Fahrzeug entdeckt und bieten unterschiedliche Ausstattungskonzepte an (Infos bekommen Sie über Ihren Händler vor Ort). Im Test haben wir darauf verzichtet und das Fahrzeug für "die kleine Baustelle" genutzt. Ein voller Erfolg, wie die Bilder beweisen. Zumal sich diese Ausführung mit wenigen Handgriffen wieder in einen vorzüglichen Mini-Van verwandeln lässt, der dann auch für den Familien- oder Betriebsausflug bestens geeignet ist. Was blieb war der Wunsch nach einer Variante mit längerem Radstand, um z.B. eine Badewanne im Laderaum unterbringen zu können.

Außen kompakt - innen großzügig - mit Zugang von allen Seiten: Der Multipla macht seinem Namen alle Ehre.

Verbrauchswerte

Fiat gibt für den Multipla blupower folgende Verbrauchswerte an:
- innerstädtisch 7,2 kg
- außerstädtisch 4,7 kg
- kombiniert 5,8 kg

Geht man vom kombinierten Wert aus, so reicht der Inhalt der Gasflaschen damit für weit über 600 km. Soweit die Theorie. In der Praxis hängt der Inhalt der Gasflaschen vom Befüllungsdruck ab. Leider sind das nicht überall und jederzeit 200 bar. Dennoch zeigte das Fahrtenbuch beachtliche Reichweiten, die 500 km immer überschritten.

Insgesamt bewegten verschiedene Fahrer den Multipla 2164 km weit. Die Testfahrten fanden überwiegend mit unbeladenem Fahrzeug auf Landstraßen statt. Dabei verbrauchte der Multipla 120,15 kg Erdgas zum Preis von 127,40 DM. Das ergibt einen durchschnittlichen Verbrauch von 5,55 kg Erdgas je 100 km (entspricht etwa 6,7 l Benzin). Oder bei einem durchschnittlichen Preis von 1,06 DM je kg Erdgas reine Kraftstoffkosten von unglaublichen 5,88 DM je 100 km! Ölverbrauch konnte keiner festgestellt werden. Die Wartungsintervalle sind identisch mit den Benzinvarianten.

Wirtschaftlich und aus Umweltgesichtspunkten lohnt sich die Anschaffung eines erdgasbetriebenen Fahrzeugs auf jeden Fall. Zieht man die Werksangaben des italienischen Herstellers als Vergleich heran, so verursacht bei einem Benzinpreis von 2,03 DM je Liter und einem Dieselpreis von 1,54 DM je Liter der
- Multipla Diesel 9,86 DM je 100 km
- Multipla Benzin 17,46 DM je 100 km

Macht gegenüber dem Diesel eine Ersparnis von 3,98 DM je 100 km und gegenüber dem Benziner eine Ersparnis von 11,58 DM je 100 km. Oder kurz: 30 Prozent der Kraftstoffkosten gegenüber dem Benziner!

Sinnvolles Konzept: Fiat Multipla als bipower oder blupower mit Kraftstoffbehältern die den Innenraum nicht einschränken.

Bilanz

Betrachten wir den "Blu" nach über 2000 km Testfahrt. Wir konnten ein verlässliches Fahrzeug mit PKW-Eigenschaften durch das Bundesgebiet bewegen. Er überzeugte durch sein neutrales Fahrverhalten (Grenzbereiche wurden nicht getestet). Die Position im "Cockpit" ist durch die erhöhte Sitzposition beim Multipla gerade bei Überland- und Stadtfahrten von großem Vorteil. Übersichtlichkeit bot uns dieses Auto auch durch die tiefgezogene Fensterlinie und die geteilten großen Außenspiegel (kein toter Winkel). Gewöhnungsbedürftig ist, wie auch das Design, die stufige Front des "Italieners", da die Frontpartie nicht einsehbar ist. Dafür gibt es eine Abstandskontrolle durch Signalton beim Rückwärtsfahren.

Dieses Fahrzeug ist für den SHK-Betrieb sicher eine interessante Variante, wenn man ihn als Service-, Monteur-, Planer- oder auch als Cheffahrzeug einsetzt. Die gute Zugänglichkeit des Laderaums und die Sparsamkeit des Motors machen das Fahrzeug zu einem wirtschaftlichen Kleinlaster oder PKW. Die außergewöhnliche Form, stilisieren den "Blu" für die SHK-Unternehmen zu einem Werbeträger, der auffällt. Insbesondere die Erdgasvarianten passen hervorragend zum SHK-Konzept und dem Umweltgedanken - saubere Energie für die Zukunft.

Fiat bietet mit diesem Fahrzeug ein überzeugendes Gesamtkonzept, was von Benzin- und Diesel- bis zum Hybridantrieb reicht und insbesondere für die erdgasbetriebenen Typen bi- und blupower ohne Raumverlust umgesetzt wurde. Nach dem Kauf ist der direkte Vorteil in Mark und Pfennig zu verbuchen, da keine Mehr- oder Umrüstkosten zu kalkulieren sind.

Selbst das Testfahrzeug mit monovalentem Erdgas-Betrieb hat aufgrund seiner weit über 500 Kilometer Aktionsstrecke die Alltagstauglichkeit bewiesen. Heute sorgen 145 Tankstellen im Bundesgebiet für eine flächendeckende Versorgung. Und die Tankdauer: Zwischen zwei und vier Minuten, also auch hier kein Problem. Wer sich für das Thema Erdgasfahrzeuge interessiert, sollte auch bei dem entsprechenden Gasversorger nachfragen, da es auch für NGV's (natural gas vehicles) Fördermittel gibt. Der günstige Preis für das kg Erdgas wird aufgrund des verminderten Steuersatzes erreicht, der erst kürzlich bis ins Jahr 2009 verlängert wurde.

So lässt sich gut kalkulieren und umweltfreunlich fahren, eben "blupowered".

www.fiat.de
www.hein.de
www.erdgasfahrzeuge.de
www.wfg-ag.de (Förderprogramme)
www.ikz.de


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