IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2000, Seite 82 ff.
HEIZUNGSTECHNIK
Neue Möglichkeiten der Abgasableitung
Burkhard Kehm
Dass für die Abgasableitung über Jahrzehnte Schornsteine eingesetzt werden, ist sicherlich nicht neu. Neu ist allerdings, dass ein Bauteil, das aussieht wie ein Schornstein, nicht immer einer ist. Im Rahmen der Neufassung der Feuerungsverordnungen (FeuVo's) der Bundesländer wurden unter anderem die bauaufsichtlichen Schutzziele und die Begriffsdefinitionen neu gefasst. Danach wird bei Öl- und Gasfeuerungen nunmehr unterstellt, dass bei bestimmungsgemäßem Betrieb kein Rußbrand stattfinden kann.
Damit genügt es auch, dass die angeschlossenen Abgassysteme nur noch den von der Feuerstätte ausgehenden Abgastemperaturen widerstehen. Damit bauaufsichtlich eine klare Unterscheidung gegeben ist, spricht man deshalb von Abgasleitungen. Im Gegensatz dazu spricht man von Schornsteinen, wenn Feuerstätten für feste Brennstoffe angeschlossen sind und das Abgassystem rußbrandbeständig ausgebildet wurde. Die umfassendsten Definitionen sind in der FeuVo von Baden-Württemberg enthalten:
Bild 1: Abstandsmaße von Schornsteinen. |
Schornsteine / Abgasleitungen
Begriffsdefinitionen (Laut FeuVo BaWü):
Abgasanlage
Oberbegriff für Schornsteine und Abgasleitungen
Schornsteine
(laut FeuVo Bayern: Kamine) sind rußbrandbeständige Schächte, die Abgase aus Feuerstätten für feste Brennstoffe über Dach ins Freie leiten (Feuerwiderstandsdauer 90 Minuten).
Verbindungsstücke
sind Kanäle oder Leitungen, die Abgase aus Feuerstätten für feste Brennstoffe in Schornsteine leiten.
Abgasleitungen
sind Leitungen, die Abgase aus Feuerstätten für flüssige oder gasförmige Brennstoffe ins Freie leiten. Um eine Abgasleitung handelt es sich auch dann, wenn sie in der Bauart eines Schornsteins oder Verbindungsstückes hergestellt wird.
Abgasanlagen dürfen nicht zu Gefahren oder unzumutbaren Belastungen führen. Daher werden an sie Forderungen hinsichtlich der Gasdichtheit, Standsicherheit und des Brandschutzes gestellt. Aus den unterschiedlichen Betriebsbedingungen ergeben sich somit auch unterschiedliche Anforderungen an die Abgasanlage und an einzuhaltende Sicherheitsbestimmungen. Abgasanlagen für Öl- und Gas (Abgasleitungen) unterliegen wegen des nicht mehr vorausgesetzten Rußbrandes geringeren Anforderungen.
Die Anforderungen an den Brandschutz von Abgasleitungen für Öl- und Gas sind an die Brandschutzanforderungen gekoppelt, denen das jeweilige Gebäude unterliegt. Verhindert werden sollen sowohl Brandübertragungen aus dem abgasführenden Rohr als auch Brandübertragung über die Geschosse. Ziel ist es auch, im Brandfalle ausreichend Zeit für die Evakuierung des Gebäudes zu erhalten. Die folgenden Anforderungen dienen den vorgenannten Zielen.
Bild 2: Schächte für Abgasleitungen: links durch nicht brennbare Geschossdecken unterbrochen, rechts duchgehend.
Anforderungen an Schornsteine / Abgasleitungen
Abgasanlagen
- müssen nach lichtem Querschnitt und Höhe, soweit erforderlich auch nach Wärmedurchlasswiderstand und innerer Oberfläche, so bemessen sein, dass die Abgase bei allen bestimmungsgemäßen Betriebszuständen ins Freie abgeführt werden und gegenüber Räumen kein gefährlicher Überdruck auftreten kann.
Schornsteine
- müssen eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten aufweisen,
- durchgehend sein und dürfen nicht durch Geschossdecken unterbrochen werden.
- müssen Reinigungsöffnungen mit Schornsteinreinigungsverschlüssen (Bauregelliste) haben.
Schornsteine, die unter Überdruck betrieben werden, müssen innerhalb von Gebäuden
1. vollständig in vom Freien dauernd gelüfteten Räumen liegen,
2. in Räumen liegen, die § 3 Abs. 1 Nr. 3 entsprechen oder
3. der Bauart nach so beschaffen sein, dass Abgase in gefahrdrohender Menge nicht austreten können.
Verbindungsstücke
müssen unmittelbar auf dem Baugrund gegründet oder auf einem feuerfesten Unterbau errichtet werden.
Verbindungsstücke, die unter Überdruck betrieben werden, müssen innerhalb von Gebäuden
1. vollständig in vom Freien dauernd gelüfteten Räumen liegen,
2. in Räumen liegen, die § 3 Abs. 1 Nr. 3 entsprechen oder
3. der Bauart nach so beschaffen sein, dass Abgase in gefahrdrohender Menge nicht austreten können.
Bild 3: Abstandsmaße von Verbindungsstücken. |
Abgasleitungen
müssen in Gebäuden in einem eigenen Schacht angeordnet werden. In den Aufstellräumen für Feuerstätten und über Dach ist der Schacht nicht notwendig.
Abgasleitungen, die unter Überdruck betrieben werden, müssen innerhalb von Gebäuden
1. vollständig in vom Freien dauernd gelüfteten Räumen liegen,
2. in Räumen liegen, die der Muster FeuVO § 3 Abs. 1 Nr. 3 entsprechen oder
3. der Bauart nach so beschaffen sein, dass Abgase in gefahrdrohender Menge nicht austreten können.
Mehrere Abgasleitungen
dürfen in einem Schacht geführt werden, wenn die Abgasleitungen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen, die zugehörigen Feuerstätten im selben Geschoss aufgestellt werden oder eine Brandübertragung zwischen den Geschossen durch selbsttätige Absperrvorrichtungen verhindert wird.
Luft-Abgas-Systeme sind zur Abgasabführung nur zulässig, wenn sie getrennte Luft- und Abgasschächte haben. An diese Systeme dürfen nur raumluftunabhängige Gasfeuerstätten angeschlossen werden, deren Bauart sicherstellt, dass sie für diese Betriebsweise geeignet sind.
Bild 4: Abstandsmaße von Abgasleitungen. |
Musterbauordnung (MBO) § 2, Abs. 3
Gebäude geringer Höhe
... sind Gebäude, bei denen der Fußboden keines Geschosses, in dem Aufenthaltsräume möglich sind, an keiner Stelle mehr als 7 m über der Gebäudeoberfläche liegt.
In BaWü (anderer Bezugspunkt!)
... sind es Gebäude, bei denen in jeder Nutzungseinheit in jedem Geschoss mit Aufenthaltsräumen mindestens eine zum Anleitern geeignete Stelle nicht mehr als 8 m über der Geländeoberfläche liegt. Gebäude ohne Aufenthaltsräume stehen Gebäuden geringer Höhe gleich.
In Berlin (BauO Berlin)
keine Definition für Gebäude geringer Höhe, nur für Hochhäuser...
In Hamburg
Es werden Gebäudeklassen unterschieden (1 - 4)
1. Gebäude geringer Höhe, in denen der Fußboden des obersten Geschosses nicht höher als 7 m liegt.
In Hessen
Definition zunächst wie MBO, dann
...sie werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt (Gebäudeklassen A - G und Hochhäuser).
Gebäude geringer Höhe sind Gebäude der Gebäudeklassen A E.
In Rheinland-Pfalz und im Saarland
Definition zunächst wie MBO, dann:
...sie werden in folgende Klassen eingeteilt (Gebäudeklassen 1 - 4).
Gebäude der Gebäudeklasse 1 bis 3 sind Gebäude geringer Höhe, wobei in Rheinland-Pfalz: in denen der Fußboden ... mehr als 7,0 m über der Geländeoberfläche liegt.
Im Saarland: in denen der Fußboden ... an der zum Anleitern bestimmten Stelle nicht mehr als 7,0 m über der Geländeoberfläche liegt.
Bild 5: Kennzeichnung einer Abgasleitung nach DIN 18160, Entwurf. |
Schächte für Abgasleitungen
müssen innerhalb von Gebäuden eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten haben, in Gebäuden geringer Höhe von mind. 30 Minuten.
Die Schächte dürfen durch nicht brennbare Geschossdecken unterbrochen werden (Ausnahme: In Hamburg muss der Schacht durchgehend sein).
Abluftschächte
An Reinigungs- und Kontrolltüren werden im Aufstellraum der Feuerstätte keine Anforderungen an den Brandschutz gestellt. Bei oberen Reinigungen in anderen Geschossen müssen sie wie Schornsteinreinigungsverschlüsse ausgeführt werden, da eine Brandwiderstandsdauer L90 gefordert wird.
Schornsteine
müssen
- von Holzbalken und von Bauteilen entsprechender Abmessungen aus brennbaren Bauteilen einen Abstand von mind.
- 2 cm haben (in Bayern ist zu einschaligen Schornsteinen ein Abstand von mind. 5 cm einzuhalten).
- von sonstigen Bauteilen aus brennbaren Bauteilen einen Abstand von mind. 5 cm einhalten.
- Zwischenräume zwischen Abgasanlagen und angrenzenden Wänden sind in Baden-Württemberg mit nicht brennbaren Baustoffen geringer Wärmeleitfähigkeit zu füllen (in anderen Bundesländern ist der Zwischenraum gut zu belüften).
- Zu Bauteilen, die geringfügig anliegen (z.B. Fußleisten, Dachlatten), ist kein Abstand erforderlich,
- Zu Bauteilen aus nicht brennbaren Baustoffen ist kein Abstand einzuhalten, statisch tragende Bauteile dürfen auf nicht mehr als 50 °C erwärmt werden, oder es müssen ggfs. die Sicherheitsbeiwerte erhöht werden.
- Zwischenräume in Decken- und Dachdurchführungen müssen mit nicht brennbaren Baustoffen mit geringer Wärmeleitfähigkeit ausgefüllt werden.
- Zu Fenstern ist ein seitlicher Abstand von 20 cm einzuhalten.
Verbindungsstücke
- Verbindungsstücke müssen von Bauteilen aus brennbaren Baustoffen einen Abstand von 40 cm haben.
- Wenn die Verbindungsstücke mit mind. 2 cm nicht brennbaren Dämmstoffen ummantelt sind, genügt ein Abstand von 10 cm.
- Wenn sie durch Bauteile aus brennbaren Baustoffen führen, müssen die Verbindungsstücke in einem Schutzrohr im Abstand von 20 cm (in BaWü: 25 cm) geführt werden oder
- in einem Umkreis von mind. 20 cm (in BaWü: 25 cm) mit nicht brennbaren Baustoffen mit geringer Wärmeleitfähigkeit ummantelt sein.
Abgasleitungen:
- Außerhalb von Schächten ist bei Abgasleitungen ein Abstand von 20 cm zu brennbaren Baustoffen einzuhalten.
- Es genügen 5 cm Abstand, wenn die Abgasleitungen mit mind. 2 cm nicht brennbaren Dämmstoffen ummantelt sind, oder wenn die Abgastemperatur der Feuerstätten nicht mehr als 160°C betragen kann.
- wenn sie durch Bauteile aus brennbaren Baustoffen führen, müssen sie mit einem Schutzrohr im Abstand von 20 cm versehen werden, oder
- in einem Umkreis von mind. 20 cm mit nicht brennbaren Baustoffen mit geringer Wärmeleitfähigkeit ummantelt sein, oder
- 5 cm Abstand haben, wenn die Abgastemperatur der Feuerstätte nicht mehr als 160°C beträgt oder Gasfeuerstätten eine Strömungssicherung haben.
- Geringere Abstände sind zulässig, wenn an den Bauteilen aus brennbaren Baustoffen keine höheren Temperaturen als 85 °C auftreten können.
- An Gebäuden muss ein seitlicher Abstand zu Fenstern von mind. 20 cm eingehalten werden.
Bild 6: Kennzeichnung eines Schornsteins nach DIN 18160, Entwurf. |
Materialeigenschaften
Neben den geänderten Installationsvorschriften resultiert aus den neuen Bauvorschriften auch eine Vielzahl von Möglichkeiten für verwendungsorientierte Materialeigenschaften. Zum Beispiel sieht die europäische Normung für Abgasanlagen folgende Temperaturklassen vor: T80, 120, 160, 200, 250, 300, 350, 400, 600.
Daneben wird unterschieden in Unterdruck, Überdruck und hohen Überdruck sowie in die Anwendung in Nass-/bzw. Trockenbetrieb und für die jeweiligen Brennstoffe. Weitere Klassen für Frost-/Tau-/Wärmedurchlasswiderstand und den Montageort (Innen/Außen) sind vorgesehen.
Ein Kunststoffrohr aus PP würde daran orientiert nun die in Bild 5 stehende Kennzeichnung tragen:
Eine Abgasleitung aus dreischaligen Schornsteinbauteilen mit Keramik wäre wie in Bild 6 zu kennzeichnen:
Doch nicht nur aus dem Bereich der Hersteller von Abgasanlagen können Produkte kommen. Auch die Gasgeräterichtlinie und die Maschinenrichtlinie können als Basis für die Erteilung eines Ü- bzw. CE-Zeichens dienen.
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