IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/2000, Seite 104 ff.


RECHT-ECK


Neuheit im Versicherungsmarkt

Baugewährleistungs-Versicherung
Teil 1

RA Friedrich-W. Stohlmann

Die Vereinigte Haftpflichtversicherung, Hannover, hat in enger Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes erst vor kurzem als erste deutsche Versicherung ein Bedingungswerk für eine sog. Gewährleistungs-Versicherung aufgestellt und bietet den Betrieben des Bauhauptgewerbes den Abschluss derartiger Absicherungsmöglichkeit an.

Damit betritt die VHV absolutes Neuland, da es bisher eine solche Absicherungsmöglichkeit nicht gab. Dabei ist das Thema Baugewährleistung für den gesamten Baubereich von Bedeutung. Hauptproblem sind Mängel an der Bauleistung. Gemeint sind Mängel, die oft während der Bauzeit verursacht wurden, aber erst nach Abnahme hervortreten. Die mit solchen Mängeln verbundenen Schäden sind häufig umfassend und erfordern teure und zeitaufwendige Nachbesserungsarbeiten. Dies kann zu einer nicht unerheblichen finanziellen Belastung, sogar zum Konkurs des Unternehmens führen.

Bisher konnten diese Gewährleistungsverpflichtungen z.B. nur über Bürgschaften bzw. durch Einbehalte (Sicherheitseinbehalte) abgesichert werden. Diese Sicherungsformen sind mit einem hohen Maß an Eigenkapitalbindung für den Auftragnehmer verbunden und beschränken damit auch den Liquiditätsspielraum der Unternehmen. Die Möglichkeit einer Absicherung in Form einer Versicherung bestand bisher nicht.

In Frankreich ist der Gewährleistungsbereich bereits seit 1978 durch die sog. "Decénnale-Versicherung" - eine Pflichtversicherung für die Bauunternehmer - abgedeckt. Die EU-Kommission beschäftigte sich bereits vor Jahren ebenfalls mit der Frage, ob eine Harmonisierung für den Bausektor über eine spezielle Richtlinie erforderlich und realisierbar ist. Die dafür einberufene "GAIPEC-Kommission" sollte Vorschläge für den Bereich Haftung, Abnahme und Gewährleistung erarbeiten. Eine entsprechende Richtlinie ist jedoch bis heute nicht ergangen, darüber wird in Brüssel weiter gebrütet.

Seit kurzem hat die VHV als Spezialversicherer der Bauwirtschaft in Zusammenarbeit mit den baugewerblichen Organisationen und aus der langjährigen Erfahrung mit den versicherten Bauunternehmen in Anlehnung an die in Frankreich praktizierte Versicherungsform ein neues Deckungskonzept entwickelt, das sich auf den Gewährleistungsbereich der bauausführenden Unternehmer erstreckt.

Mit der Baugewährleistungs-Versicherung wurde eine neue Art der Versicherungsform geschaffen, mit der eine bisherige Deckungslücke - der Gewährleistungsbereich - versicherbar gemacht wird und mit dem den Bauunternehmen Spitzenrisiken abgenommen werden sollen.

Im Einzelnen:

Zu welchem Zeitpunkt tritt die Gewährleistungsversicherung ein?

Ansprüche aus der Gewährleistungsversicherung können nur nach durchgeführter Abnahme, also beim Vorliegen echter Gewährleistungsansprüche gegenüber der Versicherung geltend gemacht werden. Hier ist die rechtliche Situation zwischen BGB-Werkvertrag und VOB-Bauvertrag zu unterscheiden. Da die Ansprüche nach § 634 Abs. 1 BGB allerdings auch schon vor der Abnahme geltend gemacht werden können, ist die Trennung von Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen im BGB-Werkvertragsrecht etwas verwischt. Im Vordergrund des BGB-Werkvertragsrechts steht der Anspruch auf Nachbesserung. Der Mängelbeseitigungsanspruch nach der Abnahme ist noch kein Gewährleistungsanspruch sondern ein sog. modifizierter Erfüllungsanspruch. Der Auftragnehmer hat innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Frist den Mangel zu beseitigen. Unterlässt es der Bauunternehmer innerhalb der ihm gesetzten angemessenen Frist den Baumangel zu beseitigen, obwohl ihm mitgeteilt wurde, dass der Auftraggeber die Beseitigung des Mangels nach Ablauf der Frist ablehnen wird, so kann der Auftraggeber Wandlungs- oder Minderungsansprüche geltend machen (§ 634 Abs. 1 BGB), wobei im Baurecht der Wandlungsanspruch die Ausnahme darstellt.

Unter Minderung versteht man die Herabsetzung der Vergütung in dem Verhältnis des Wertes der mangelhaften Sache zu dem Wert der mangelfreien Sache. Aber auch im Werkvertragsrecht wird in der Regel nachgebessert, so daß entsprechende Aufwendungen zur Nachbesserung entstehen. Allerdings steht dem Auftraggeber neben dem Recht zur Wandlung oder Minderung ggf. auch noch ein Schadenersatzanspruch gemäß § 635 BGB zu, wenn die entsprechenden Voraussetzungen des § 634 BGB vorliegen und der Auftraggeber - was hinzukommen muss - den Mangel schuldhaft verursacht hat.

Der Schadenersatz wegen Nichterfüllung richtet sich auf Schadenersatz in Geld. Dieser Anspruch wegen Nichterfüllung umfasst Schäden, die der geschuldeten Bauleistung im Falle der Mangelhaftigkeit unmittelbar anhaften oder außerhalb des Werkes eintreten und eng und mittelbar mit ihr zusammenhängen. Ein Schadensersatzanspruch setzt ein Verschulden des Auftragnehmers voraus.

Die Wandlung bedeutet Rückgabe des Werklohns gegen Rückgabe der mangelhaften Leistung, was im Baubereich eher theoretischer Natur ist, soweit eine Verbindung der erbrachten Leistung mit dem Bauwerk erfolgt.

Gewährleistung gemäß § 13 VOB/B

Nach dem Anspruchssystem des § 13 VOB/B steht die Mängelbeseitigung/Nachbesserung im Vordergrund. Erst in zweiter Linie - für verbleibende Mängel - ist eine Entschädigung des Auftraggebers in Geld durch Schadenersatz oder Minderung vorgesehen. Im Gegensatz zu den Vorschriften des BGB geht der Mangelbeseitigungsanspruch nicht ohne weiteres in einen Wandlungs- oder Minderungsanspruch über, sondern nur in drei abgegrenzten Fallgruppen: Der Unmöglichkeit der Nachbesserung, der Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten im Verhältnis zum Mangel und bei anderen Gründen, die eine Nachbesserung als unzumutbar erscheinen lassen.

Der Anspruch auf Nachbesserung im Sinne des § 13 Nr. 5 VOB/B

Dieser richtet sich auf Beseitigung aller Mängel, die während der Verjährungsfrist hervortreten und die auf eine vertragswidrige Leistung des Unternehmers zurückzuführen sind. Diese Mängelbeseitigung muss der Unternehmer auf seine eigenen Kosten durchführen. Voraussetzung ist weiter, dass der Auftraggeber vor Ablauf der Verjährungsfrist diese Mängelbeseitigung schriftlich verlangt. Durch den im Vordergrund der VOB/B-Regelung stehenden Nachbesserungsanspruch sollen geschaffene Werte in erster Linie erhalten und das Bauziel mangelfrei erreicht werden. Bei der Regelung des § 13 Nr. 5 VOB/B handelt es sich um eine vertragliche Sonderregelung. Daher richtet sich die Gesamtfrage der Nachbesserung nach diesem besonderen Vertragsverhältnis.

Gegenstand der Baugewährleistungs-Versicherung

Nach dem Bedingungswerk bietet der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für Gewährleistungsansprüche aus der Erbringung mangelhafter Bauleistungen gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) und/oder der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) auf Mängelbeseitigung im Rahmen der aufgrund eines Werkvertrages übernommenen Gewährleistungsfristen, höchstens jedoch fünf Jahre nach Abnahme (§ 638 BGB).

Für welche Gewährleistungsansprüche wird Versicherungsschutz gewährt?

Maßgeblich ist, dass der Mangel erst nach der Abnahme auftritt. Nicht von der Baugewährleistungs-Versicherung umfasst sind Mängel, die bereits vor der Abnahme bekannt geworden und bei denen es der Bauunternehmer schuldhaft unterlassen hat, diese innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist im Erfüllungszeitraum zu beseitigen.

Dagegen besteht für folgende Gewährleistungsansprüche durch die Baugewährleistungs-Versicherung Versicherungsschutz:

- Nachbesserung (§ 633 BGB, § 13 Nr. 5 VOB/B)

- Minderung (§ 634 BGB, § 13 Nr. 6 VOB/B)

Dabei sind die Kosten versichert, die für die erforderliche Mangelbeseitigung aufgewendet werden müssen. Dabei handelt es sich aber um die Selbstkosten ohne Risiko und Gewinn, soweit der nachbesserungspflichtige Unternehmer die Mängel selbst abstellt. Weitergehende mögliche Schadenersatzansprüche des Auftraggebers, wie z.B. der Anspruch auf entgangenen Gewinn, sind von dieser Versicherung nicht umfasst, da diese nur bei einem Verschulden des Unternehmers vom Auftraggeber geltend gemacht werden können.

Welche Gewährleistungsfristen sind für die Baugewährleistungs-Versicherung maßgebend?

Der Versicherungsschutz umfasst Gewährleistungsansprüche, die innerhalb einer Frist bis zu maximal fünf Jahren nach Abnahme geltend gemacht werden. Die Baugewährleistungs-Versicherung orientiert sich hierbei an den weit gefassten Fristen des BGB, die für Arbeiten an Bauwerken fünf Jahre nach Abnahme betragen. Die Gewährleistungsfristen der VOB/B betragen in der Regel zwei Jahre. Die Baugewährleistungs-Versicherung deckt damit die für den Baubereich maßgeblichen Fristen ab.

Umfang des Versicherungsschutzes

Die Leistungspflicht des Versicherers umfasst:

- Die Prüfung des Versicherungsfalles.

- Die Befriedigung begründeter Gewährleistungsansprüche gegen den Versicherungsnehmer durch Zahlung einer Entschädigung an den zur Nachbesserung verpflichteten Unternehmer - aber ohne Gewinn und Risikozuschlag.

- Die Abwehr unbegründeter Gewährleistungsansprüche gegen den Versicherungsnehmer.

Wichtig erscheint dabei, dass neben der Prüfung des Gewährleistungsanspruchs der Versicherer auch die Abwehr unberechtigter bzw. übersetzter Gewährleistungsansprüche betreibt. Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über den Anspruch zwischen dem Versicherten und dem Anspruchsteller oder dessen Rechtsnachfolger, wird der Versicherer bei der Auswahl des Rechtsanwaltes unterstützend tätig und führt auf seine Kosten den Rechtsstreit im Namen des Versicherten. Die Aufwendungen für den Rechtsstreit werden nicht auf die Deckungssumme angerechnet.

In der IKZ-HAUSTECHNIK 8/2000 wird dieser Artikel fortgesetzt, insbesondere werden Hinweise zu den Ausschlüssen, zur Prämie, zu Fragen der Unterbrechung der Gewährleistungsfristen etc. gegeben.


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