IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/2000, Seite 67 ff.


INTERVIEW


Grund zur Hoffnung

Hans Joachim Leydecker blickt optimistisch in die Zukunft. Der BDH-Präsident knüpft seine Haltung an die Möglichkeiten, die der SHK-Branche durch den forcierten Austausch veralteter Heizungstechnik sowie eine stärkere Durchsetzung des Marktes mit regenerativen Energien vorgezeichnet sind. Dennoch klagte Leydecker im Gespräch mit IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Günther Klauke zu verbessernde Rahmenbedingungen von der Politik ein und drängt energisch auf eine Markt-Liberalisierung. "Ohne diese", so der Junkers Manager unmissverständlich, "wird der SHK-Markt zukünftig schwieriger!"

IKZ-HAUSTECHNIK: Zwingen die politischen Forderungen nach CO2-Minderung sowie Energieeinsparung die bewährten hydraulischen Heizsysteme in Teilbereichen, etwa bei kleinem Wärmebedarf, in die Knie?

Leydecker: Natürlich werden auch Niedrig- oder Nullenergiehäuser ihre Anwendung finden. Betrachtet man allerdings den Heizungsmarkt in seiner Gesamtheit, so wird es lange Zeit dauern, bis dieser Bereich bedeutende Marktanteile erreicht. Trotzdem verfolgen wir das Thema sehr aufmerksam. Allerdings ist es nicht mit der Heizung allein getan. Zur Zeit gibt es zwei gegenläufige Entwicklungen: Heizwärmebedarf runter — Warmwasserbedarf rauf. Die Situation ist daher keinesfalls kritisch für die Heizungsbranche.

IKZ-HAUSTECHNIK: Muss nicht speziell der Bereich "Wärmebedarf runter" auch unter dem Gesichtspunkt der Wärmedämmung betrachtet werden?

"Die geforderte CO2-Minimierung lässt sich nicht alleine im Neubau realisieren!"

Leydecker: Richtig. Wir sind froh darüber, heute zwischen der Heizungsindustrie und der Dämmindustrie, trotz der teilweise unterschiedlichen Interessenslage, über eine vernünftige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu verfügen. Zwischen BDH und GDI besteht Konsens darin, dass nur ein ausgewogenes Angebot verschiedener Maßnahmemöglichkeiten dem Betreiber einer Anlage Optimierungsmöglichkeiten bietet. Wir sind allerdings eindeutig der Meinung, dass die geforderte CO2-Minderung mit Verordnungen, die sich ausschließlich auf den Neubau beziehen, nicht zu erreichen ist. Neben anderen Organisationen verfolgt auch der BDH das Ziel, verstärkt Bestandsveränderungen herbeizuführen. Nur so lassen sich die angestrebten CO2-Minderungsziele realisieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie stellen Sie sich das vor, es gibt doch einen Bestandsschutz?

Leydecker: Sicherlich, auf der anderen Seite wird es psychologischen Druck geben wenn die Energieeinsparverordnung da ist. Auch schon Vorläufer, wie wir jetzt in Berlin sehen, könnten zu Hausklassifizierungen führen. Dann wird der Druck nicht über die Verordnungswege kommen, sondern über die Benutzer. Nach der Gebäudecharakteristik klassifizierte Nebenkosten lassen nämlich nicht nur Mieter genauer hinschauen, sondern auch potenzielle Immobilienkäufer.

IKZ-HAUSTECHNIK: Entsteht nicht auf der anderen Seite bei einem solchen Szenario verstärkter Druck durch elektrisch betriebene Systeme? Immerhin kann bei solchen Anlagen mit Attributen wie "keine Wartungskosten" oder "geringes Investitionsvolumen" geworben werden.

"Wird der Primärenergieverbrauch richtig betrachtet, muss die SHK-Branche keinen Vergleich scheuen!"

Leydecker: Jede Branche kennt ihre Ziele. Und so lange keine unlauteren Aussagen verbreitet werden, kann man das auch nicht verbieten. Maßgebend an den Kernaussagen der Energieeinsparverordnung muss der Primärenergieverbrauch sein. Wenn dieser nach den physikalischen Gesetzmäßigkeiten betrachtet wird, muss die SHK-Branche keinen Vergleich scheuen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ausgehend von Übergangsfristen, die durch die Gesetzgebung legitimiert sind, befürchten Branchenkenner im Jahr 2004 eine angespannte Situation bei der Erneuerung von Wärmeerzeugern. Sehen Sie das auch so?

Leydecker: Durchaus. Wir müssen in Zukunft verhindern, dass in irgendwelchen Vorschriften ungeeignete Übergangsregelungen enthalten sind. Es ist immer schwierig, Kunden eine solche Situation klar zu machen, denn warum soll man sich um etwas kümmern, wenn noch jahrelang Zeit bleibt? Zukünftig gilt es klare Ziele durch kontinuierliche Vorgehensweisen zu erreichen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie agiert der BDH, um die Situation zu entzerren?

Leydecker: Es gibt reichlich gute Gründe, schon vor dem Zwangstermin aktiv zu werden. Dies versuchen wir durch geeignete Informationen den Kunden zu vermitteln. Wir werden im Einvernehmen mit Fachhandwerk, Fachhandel und Industrie unsere Kräfte bündeln.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was bedeutet das im Klartext?

Leydecker: Mehr koordinieren, Geldmittel zusammenfassen und konzentrierter vorgehen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Einzelne SHK-Landesverbände sind, teilweise gemeinsam mit dem Schornsteinfegerhandwerk, ebenfalls um den frühzeitigen Austausch veralteter Heiztechnik bemüht. Unterstützen sie diese Vorgehensweise?

Leydecker: Ja. Meines Erachtens müssen wir alles unterstützen, was zu einer verbesserten Kommunikation in Richtung Endverbraucher führt. Die Richtung heißt ganz eindeutig: Modernisierung des Bestandes.

IKZ-HAUSTECHNIK: Auch das abgelaufene Kalenderjahr endete für die SHK-Branche mit einem Minus. Wie sehen Sie die Zukunft?

"Es fehlt ein steuerlicher Honigtopf!"

Leydecker: Differenziert man die Segmente, dann lässt sich über Plus oder Minus trefflich streiten, denn es gibt Bereiche, die ein ausgezeichnetes Wachstum von knapp zehn Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr aufweisen. Betrachtet man den Jahresverlauf aus der Sicht der Heizungsindustrie, so kann man das erste Halbjahr 1999 als katastrophal bezeichnen. Im zweiten Halbjahr hat der Warenfluss wieder etwas angezogen. Das heißt also der Pessimismus, den wir noch im Juni 1999 hatten, konnten wir etwas ablegen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Worauf führen Sie das zurück?

Leydecker: Es gab über zwei bis drei Jahre eine deutliche Investitionszurückhaltung. Diese Phase neigt sich ihrem Ende zu und wir können erfreut auf einen guten Jahresbeginn zurückblicken.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie blicken demnach positiv gestimmt in die nähere Zukunft?

Leydecker: Anhaltende Zurückhaltung sorgt im Nachgang in der Regel für einen erhöhten Bedarf. An diesem Punkt sind wir angekommen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Mit den Rahmenbedingungen in Deutschland ist es trotz alledem nicht zum Besten gestellt?

Leydecker: Es fehlt ein steuerlicher Honigtopf. Bundesfinanzminister Eichel würde sich einen Gefallen tun, wenn er eine verstetigte Investitionsabschreibung einführen würde. Wie man so was sehr unkompliziert durchführen kann, haben uns die Franzosen gerade vorgemacht. Ganz nebenbei wird durch derartige Maßnahmen auch noch der florierende Wirtschaftszweig "Schwarzarbeit" wirksam bekämpft.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sprechen die Mehrwertsteuerabsenkung für handwerkliche Leistungen in unserem Nachbarland an?

Leydecker: Ja. Ein simpler Vorgang mit Mehrfachnutzen. Ein Handwerksbetrieb schreibt jetzt auf seine Rechnung nur noch 5,5 % Mehrwertsteuer für die Dienstleistung. So einfach ist das. Damit hat der Endkunde kein Interesse mehr, Schwarzarbeit zu forcieren und und und.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie befürworten eine solche Adrenalinspritze für den gesamten Baubereich in Deutschland?

"Die Entscheidungsgewalt des Kunden wird steigen!"

Leydecker: Natürlich, es muss nur einfach zu handhaben und EU-konform sein.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wissen Sie schon etwas über die Auswirkungen der französischen Maßnahmen?

Leydecker: Nach unserem Kenntnisstand zieht die Konjunktur im Nachbarland seit der Einführung der Mehrwertsteuersenkung für Dienstleistungen im Handwerk im September des vergangenen Jahres kräftig an. Kurzum: Zur Nachahmung empfohlen.

IKZ-HAUSTECHNIK: In welchen Bereichen liegen nach Ihrer Meinung die Zukunftschancen für Industrie und Fachhandwerk in Deutschland?

Leydecker: In der vollen Breite dessen, was machbar ist. Zunehmend wird allerdings die Entscheidungsgewalt des Endkunden steigen. Wer die Musik bestellt und bezahlt, will selbst mehr über Technik und Produkte entscheiden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie soll ein Handwerksbetrieb bei der Vielzahl der Produkte diesem Anspruch gerecht werden?

Leydecker: Jeder Unternehmer muss sich über die Ausrichtung seines Unternehmens im Klaren sein, seine Zielgruppe(n) genau definieren und seine verlässlichen Partner in Industrie und Fachhandel finden. Vor diesem Hintergrund bieten sich beinahe zahllose Möglichkeiten erfolgreich aktiv zu sein. Umweltfreundliche Technologien, Service und Kundendienst sind nur einige Schlagworte die zeigen, welches betriebliche Entwicklungspotenzial vor uns liegt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Als ein Zukunftsthema wird häufig integrierte Gebäudetechnik im weitesten Sinne, also bis hin zum facility management genannt. Ein Thema für die Branche?

Leydecker: Natürlich. Nur habe ich große Zweifel, ob die Branche diese Chance aufgreift.

IKZ-HAUSTECHNIK: Worin begründen Sie die?

Leydecker: Man beschäftigt sich ganz einfach nicht damit.

IKZ-HAUSTECHNIK: Harte Worte . . .

Leydecker:. . . die ich gerne an einem Beispiel begründe. Sprechen wir einmal nicht von industriellen Einsatzgebieten oder dem Objektgeschäft, sprechen wir einmal vom privaten Mehr- oder Einfamilienhaus. Da überlässt die SHK-Branche seit Jahren anderen Absatzmittlern sämtliche Aktivitäten. Begriffe wie "vernetzte Wohnung" werden wie Fremdworte behandelt, während andere Branchen die damit verbundenen Möglichkeiten aufgreifen. Aus meiner Sicht vergibt man eine große Zukunftschance.

IKZ-HAUSTECHNIK: Eher in dem von Ihnen beschriebenen "kleineren Bereich" oder auch darüber hinaus?

Leydecker: Sowohl als auch. Wenn es der eine nicht umsetzt, machen es andere. Insgesamt ein sehr lukrativ erscheinendes Marktsegment, dass z.B. in England bereits perfekt abgewickelt wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Das FM-Geschäft oder das Haustechnik-Geschäft?

Leydecker: Beides. Die Engländer sind, was Liberalisierung betrifft, uns in Deutschland um mindestens fünf bis sechs Jahre voraus. Beim Strom, beim Gas, beim Telefon, bei allem. Dort bilden sich inzwischen Organisationen heraus, die vernetzte Wohnungstechnik von A bis Z bieten. Der Chef eines solchen Unternehmens, das aus einer Gasfirma hervorgegangen ist, berichtete mir unlängst, man habe in zwei Monaten 75 000 Serviceverträge für Elektrogeräte neu abgeschlossen! Dort nehmen die Kunden den Gedanken "alles aus einer Hand" mit dem Ergebnis "eine, nicht siebzehn verschiedene Rechnungen" dankend an. Ein Prozess, der in Deutschland gerade erst beginnt. Die Folgen werden u. a. im Kampf um Kundenbindung sichtbar werden. Im Klartext: Die claims werden neu abgesteckt. Ein Trend, der auch vor der vermeintlich heilen deutschen SHK-Welt nicht Halt machen wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Apropos claims: Halten Sie ähnliche Vorgehensweisen wie zwischen dem US-amerikanischen Sanitär-Hersteller Kohler und dem Baumarktriesen OBI auch auf den Heizungsbereich für übertragbar?

"Die SHK-Branche vergibt eine große Chance. Man beschäftigt sich nicht mit integrierter Gebäudetechnik!"

Leydecker: Das ist eine Frage der Ausbreitung und wie jeder aus der Branche seine Unschuld verliert. So wie ich OBI kenne gibt es klare Prinzipien, sonst kommt ein Produkt nicht ins Regal. Gerade bei OBI setzt man auch auf die Fachkompetenz des Verkäufers. Falls man also den Einstieg in den Heizungsmarkt plant, dann tut man das nur mit Fachverkäufern und mit Fachhandwerkern. Für diesen Fall stellt sich die Frage, ob die Handwerkerschaft verhindern kann, dass Teile von ihnen sich dort anbietet. Ich sage, da werden sich welche finden. Und warum auch nicht? In Frankreich laufen ca. vier Prozent des Marktes über diese Schienen und es stört niemanden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Nicht umsonst ist das Sprichwort "Wehret den Anfängen" auch heute noch weit verbreitet. Bei Artikeln aus dem Sanitärbereich hat auch alles mal klein angefangen.

Leydecker: Man darf doch ein Segment nicht dadurch verteidigen, dass man alle beschimpft, die es anders machen. Vielmehr gilt es, Leistungen zu erbringen, die segmentgerecht sind. Dann wird diese Leistung auch anerkannt, nachgefragt und genutzt. Abschotten geht nicht, dazu ist die Welt zu rund. Die SHK-Branche hängt immer noch einem technischen Abschottungsprinzip nach, auch von Seiten der Industrie. Da sitzen dann Leute am Tisch, die wollen den deutschen Markt abschotten und sind zu 60 % im Ausland tätig. Irgendwo ist das unlogisch.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gern werden den Deutschen derzeit die Arbeits- und Organisationsprinzipien in anderen Ländern als leuchtende Beispiele präsentiert. Bei genauerer Betrachtung sind die avisierten Vorteile kaum oder gar nicht erkennbar.

Leydecker: Oh doch. Zwar kann die Qualität der Bauleistung z. B. in Belgien, nicht unmittelbar auf deutsche Ansprüche übertragen werden, aber abseits technischer Fragen können wir dennoch viel lernen. Immerhin bringt man in den Niederlanden und in Belgien eine Koordinierung der Handwerksleistung zu Stande, die zu enorm verkürzten Bauzeiten führt. In diesem Bereich ist noch eine ganze Menge zu tun. Denn wer richtig plant, muss nicht dreimal am Tag beliefert werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie befürworten eine völlige Liberalisierung des Marktes?

Leydecker: Ja, Liberalisierung hat immer dazu geführt, dass Absatzkanäle aus Verbrauchersicht optimiert wurden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Gefahr eines Preisverfalls sehen Sie dabei nicht?

Leydecker: Warum? Liberalisierung eines Marktes heißt doch nicht zwangsläufig billig. Bei dem was ich unter Liberalisierung verstehe, entstehen für die Profischiene keine Nachteile. Ganz im Gegenteil. Die Profis heben sich erfolgreich von den Billiganbietern ab. Wer gibt schon gerne zu, dass er von drei Angeboten das billigste genommen hat. Selbst beim Auto muss noch ein Spoiler drauf und ein Navigationssystem rein.


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