IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2000, Seite 62 ff.



Produkte

Erfassen und verarbeiten von Verbrauchsdaten

Erfahrungen mit der Fernablesetechnik aus der Versorgungswirtschaft

Ralf Borchers*, Rainer Schneider**
Verbrauchsdaten von Heizungsanlagen, Strom, Gas und Wasser erfassen und auswerten - der Trend geht klar in Richtung Fernablesetechnik. Diese Technik wird in verstärktem Maße in der Versorgungswirtschaft bei den sog. Sondervertragskunden (Gewerbe- und Industriebetriebe) eingesetzt. Ihre Vorteile: Einsparung personalintensiver Ablesung vor Ort, zeitnahe, automatische Verbrauchsdatenerfassung über größere Distanzen, Management eines weit verteilten Kundennetzes sowie Arbeitserleichterung durch Automatisierung. Erfahrungen aus der Versorgungswirtschaft stellen die Frage der Übertragbarkeit der Fernablesetechnik in die Haustechnik und das Energiemanagement von Immobilien.

Wenn Heizung, Wasser oder Strom abgelesen werden sollen, kommt es häufig vor, dass die Mieter nicht anwesend sind. Aufwendiges Telefonieren ist notwendig, um schließlich einen Termin zu finden. Auch gibt es Ärger beim Kunden, weil der Servicemann zu spät kommt oder Ärger beim Servicemann, weil beim vorigen Kunden das Messgerät beschädigt war und erst repariert werden muss... Abhilfe können hier Fernablesesysteme leisten, die Verbrauchsdaten auf elektronischem Wege automatisch ablesen und verarbeiten können, ohne dass die Zähler vor Ort aufgesucht oder die Wohnung eines Kunden betreten werden muss. Die Fernablesetechnik wird inzwischen bei vielen Energieversorgern eingesetzt. Auch wenn technische Gründe den flächendeckenden Einsatz bei Haushaltskunden derzeit noch verhindern, setzt sich diese Technik immer mehr durch. Sie könnte auch neue Wege in der Haustechnik und im Energiemanagement von Immobilien aufzeigen.

Systemkomponenten

Ein Fernablesesystem baut auf zwei Anlagenpolen auf: Zähler und Leitstelle. Die Kommunikation zwischen Zähler und Leitstelle im Datenweitverkehr verläuft in der Regel über Telefon oder Funk. Mit dieser Technik können alle Verbrauchsarten wie Strom, Wasser, Gas, Wärme abgelesen werden. Um die Zählerdaten aufzunehmen, wird am Zähler selbst ein Modem installiert. Das Modem hat die Aufgabe, die Rohdaten vom Zähler über eine Schnittstelle aufzunehmen und zur Leitstelle zu übermitteln. Genormte physikalische Schnittstellen garantieren die markenübergreifende Kompatibilität mit den gängigen, am Markt vorhandenen Zählertypen. Das Modem, das wegen seiner entfernten Position zum Anwender als sog. "fernes" Modem bezeichnet wird, verfügt bei Bedarf über einen Datenspeicher, der Rohdaten aufnimmt und über eine bestimmte Zeit abrufbar aufbewahrt. Zur Übertragung der Daten zur Leitstelle stehen zwei Wege offen: Telefon oder Funk. Soll die Übermittlung über die Telefonleitung ausgeführt werden, erhält der Zähler zusätzlich einen eigenen Telefonanschluss. Im Falle der drahtlosen Kommunikation sendet ein spezielles Funkmodem die Daten zur Leitstelle. Die Montage eines Telefonanschlusses entfällt dann.

Basiskonfiguration

Die Leitstelle, die die ankommenden Zähler-Rohdaten aufnimmt, besteht in der Basiskonfiguration aus einem Rechner, einem "nahen" Modem und einer Datenbank. Die Umgebung des PCs baut sich aus einem grafikfähigen Bildschirm, einer Maus, einem Drucker und den Schnittstellen zur Modemanschaltung auf. Die auf dem Rechner installierten Fernablese-Programme laufen unter Standard-Betriebssystemen wie Windows 95, 98 oder Windows NT. Als nahes Modem wird ein marktübliches Standardgerät verwendet. Ein analoger Telefonanschluss ist im Allgemeinen ausreichend. Für die Datenbank kann in Einplatzsystemen oder kleinen Netzwerken mit bis zu drei Nutzern die Standardsoftware "Access" verwendet werden. Für größere Netzwerke empfehlen sich leistungsfähigere Programme. In dieser Datenbank werden die Rohdaten abgelegt und Zählern bzw. Kunden zugeordnet. Die gespeicherten Verbrauchsdaten können in der Leitstelle abgerufen und über spezielle Programme z.B. zu Abrechnungen an Kunden weiterverarbeitet werden.

Bild 1: Zählerfernablesesystem: Basiskonfiguration und Erweiterungsmodule.

Nutzerspezifische Anpassung

Je nach Zahl der Messstellen ist ein solches Zählerfernablesesystem hard- und softwaremäßig erweiterbar und ausbaufähig. Es kann auf die Kundenbedürfnisse nach Maß zugeschnitten werden. Die Konzeption des Systems in verschiedene Module erleichtert die Anpassung an die Größe und die spezifischen Strukturen des Kundennetzes z.B. eines Energieversorgungsunternehmens. Die Zählerdaten können zudem in Verarbeitungsprogramme übertragen werden, die daraus die Abrechnungen für die Kunden erstellen. Erweiterte Sicherheitsstandards und Schnittstellen, die es ermöglichen, Fremddaten zu importieren oder eigene Daten in Fremdsysteme zu exportieren, können zusätzlich genutzt werden. Die weitgehende Verwendung von Standardprodukten aus dem Hard- und Softwarebereich garantiert den hardwareunabhängigen Betrieb und erleichtert die Integration in die bestehende EDV-Organisation des Nutzers.

Datenschutz und Betriebssicherheit

Um zu verhindern, dass die Daten in falsche Hände geraten, müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Neben spezieller Sicherheitssoftware gewährleistet ein "Passwortschutz", dass ausschließlich ein befugter Personenkreis Zugang zu den Daten bekommt. Gleiches gilt, wenn über Fernparametrierung Einstellungen an den Zählermodems geändert werden. Sicherheit heißt aber auch versorgungstechnische Sicherheit der Übertragung. Da das System während eines Massenabrufes in der Regel nachts oder im unbeaufsichtigten Betrieb gefahren wird, empfiehlt es sich, aus Gründen der Betriebs- und Störsicherheit, eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) in Bereitschaft zu halten. Sie soll sicherstellen, dass die Integrität der Datenbank erhalten bleibt und alle während des Abrufes offenen Verbindungen ohne Datenverlust geschlossen werden können.

Automatischer Datenabruf

Den automatischen Abruf der Rohdaten vom Zähler übernimmt der Abruf-Manager im Programm, der den Abruf-Job an ein Abruf-Modul übergibt, das wiederum den Verbindungsaufbau, Zählerdatenabruf etc. organisiert. Zählerdaten und Statusinformationen z.B. über Störungen werden an den Abruf-Manager zurückgegeben. Dem Abruf voraus geht eine gegenseitige Identifizierung von Leitstelle und Zählermodem. Übertragungsprotokoll und Plausibilitätskontrollen in den entsprechenden Programmen überprüfen die Richtigkeit der Übertragung und weisen gegebenenfalls auf Lücken oder Ausfälle im Datentransport hin.

Bild 2: GSM-Funkmodem.

Drahtlose Datenübertragung

Als Alternative zur festnetzgestützten Übermittlung greifen Energieversorger in immer stärkerem Maße die Möglichkeit der Datenübertragung per Funk auf. Dazu wird ein entsprechendes Funkmodem auf der Zählerseite eingebaut, welches das GSM-Mobilfunksystem nutzt. In Deutschland stehen dafür die Netze D1, D2 und E-Plus zur Verfügung, wie man sie üblicherweise für das Telefonieren mit dem Handy nutzt. Die per Funk gesendeten Verbrauchsdaten werden ebenso über ein marktübliches Modem in der Leitstelle lesbar gemacht wie die per Telefonkabel übermittelten Daten.

Fernüberwachung erhöht Reaktionsfähigkeit

Der Einsatz der Fernablesetechnik bietet auf den zweiten Blick die Möglichkeit, Anlagen auf Distanz zu überwachen. Beim Stillstand einer Heizungsanlage z.B. kann sofort über den Wartungsdienst eingegriffen werden. Die betroffenen Mieter werden die rasche Reaktion zu schätzen wissen. Wasserwerker beispielsweise sind sofort im Bilde, wenn der Pegel in Trinkwasserhochbehältern Hoch- oder Tiefpunkte über- oder unterschreitet. Die Leistungsfähigkeit eines Fernablesesystemes in puncto Wartung beschränkt sich auf die frühzeitige Erfassung und Erkennung von Fehlern und Störungen. Sie ermöglicht damit einen umgehenden Einsatz "handwerklicher" Wartung. Eine komplette elektronische Steuerung und Wartung z.B. von Heizungsanlagen oder anderen technischen Anlagen könnte dann von spezifischen Programmen übernommen werden. Diese "Fernsteuerung" ist zumindest unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen vor allem für großtechnische Anlagen überlegenswert.

Wirtschaftlichkeit

Die Installation und der Betrieb dieser Technik haben ihren Preis. Deshalb spielt die Wirtschaftlichkeit bei den Überlegungen zum Einsatz eines Fernablesesystems eine entscheidende Rolle. Es arbeitet insbesondere dort wirtschaftlich, wo Energieversorger viele Kunden betreuen, oder der liberalisierte Energiemarkt zu einem regional weit verteilten Kundennetz führt. Sicherlich kein Einsatzfeld ist unter der derzeitigen Kostensituation eine Wohnimmobilie mit der jährlichen Ablesung nur einer Versorgungsart, z.B. Strom. Bei den meisten Haushaltskunden sind in derzeit in der Regel auch keine elektronisch auslesbaren Zähler vorhanden, die einen Einsatz der Fernablesetechnik ermöglichen. Erfahrungen aus der Energiewirtschaft zeigen jedoch, dass diese Technik in der Zukunft in verstärktem Maße die derzeitigen technischen und wirtschaftlichen Grenzen in der Haustechnik sprengen kann. Insbesondere bei engeren, z.B. monatlichen, Messintervallen mehrerer Versorgungsarten, beispielsweise Strom und Wasser und Wärme, bei unterschiedlichen Stromlieferanten der Mieter, Wechsel von Bewohnern, die zur Abrechnung eine Zwischenablesung benötigen, könnte der Einsatz der Fernablesetechnik wirtschaftliche Lösungen anbieten.

Fazit

Aus dem Blickwinkel der Erfahrungen der Versorgungswirtschaft bietet die Fernablesetechnik durch Einsparung personalkostenintensiver Einzelablesungen, der automatischen, zeitnahen Ablesung von Verbrauchsdaten ohne Betreten von Wohnungen oder Immobilien große Vorteile. Für einen flächendeckenden Einsatz in der Haustechnik kann diese Technik Ideen und Modelle liefern, deren Verwirklichung in der Zukunft eng an die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gebunden sind.


*) Ralf Borchers, Wackenhut Datentechnik GmbH, Karlsruhe
**) Rainer Schneider (Markt-Intakt, Karlsruhe


* B i l d e r :  Wackenhut Datentechnik, Karlsruhe


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]