IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/2000, Seite 28 ff.
SANITÄRTECHNIK
Richtiger Betrieb von geschlossenen Schnellfiltern in Schwimmbädern
Dipl.-Ing. Eberhard Wistuba Teil 2
Im ersten Teil dieses Fachaufsatzes wurden allgemeine Informationen zum Thema Filter in der Wasseraufbereitung diskutiert und die theoretischen Grundlagen zum Verständnis dargestellt. Dieser Teil wird das Thema abrunden. Der Bericht wird sich detailliert damit befassen, wie sich verschiedene Filtermaterialien beim Rückspülen in Abhängigkeit der Wassertemperatur strömungsmechanisch verhalten. Es soll dargestellt werden, wie sich die frei durchströmbaren "Netto-Filterflächen" für verschiedene Körnungen bestimmen und die notwendigen Spülgeschwindigkeiten abschätzen lassen.
Zusammenstellung der wichtigsten Gleichungen aus Teil I
Die drei nachfolgenden, für die weiteren Betrachtungen grundlegenden Gleichungen wurden ausführlich im Teil I beschrieben und werden hier nicht weiter erläutert.
h = h0 · exp(B(C+T) - B/(C+T0))
Gleichung 1, Temperaturabhängigkeit der scheinbar dynamischen Zähigkeit [12], wobei bei Wasser:
B = 511,6 [K], C = -149,4 [K], T0 = 273,12 [K], h0 = 17,91 · 10-4 [kg/(m · s)]
oder [Pa · s], T = Temperatur [K]
vstoke = 2 (r1 - r2) · g · r2/(9 · h)
Gleichung 2, Sinkgeschwindigkeit von kleinen Partikeln nach Stokes, gültig für laminare Strömungen (Re < 20), wobei: v = Strömungs-/Sinkgeschwindigkeit [m/sec], r1 = Dichte der Kugel [kg/m3], r2 = Dichte des Fluids [kg/m3], g = Fallbeschleunigung [m/s2], r = Radius Kugel [m], h = dyn. Viskosität [Pa x s]
Gleichung 3, Sinkgeschwindigkeit für turbulente Strömungen nach Newton, Re >20, wobei: cw = Widerstandskoeffizient, dimensionslos, in der Literatur [1,2] für Kugeln mit 0,47, nach unseren in Versuchen ermittelten und in den folgenden Gleichungen tatsächlichen Wert von 1,35 angegeben für 100< Re < 1,5 · 105
Experimente haben in Übereinstimmung mit der Theorie bewiesen, dass bei Reynoldszahlen größer 20 sich erstmals auf der Hinterseite des Filterkorns Wirbel bilden und ablösen. Bei noch höheren Reynoldszahlen (Re > 100) wird die Strömung hinter der Ablösestelle turbulent. Dies bewirkt natürlich einen höheren Widerstand, als den bei der laminaren Strömung. [3]
Weiter wird hier noch eine zusätzliche Gleichung von H.G. Moll [4] eingeführt, die als Bestimmungsgleichung hinreichender Spülgeschwindigkeiten für Kies und andere Filtermedien zum Vergleich herangezogen werden soll. Die Gleichung hat der Autor für kugelförmige Sand- bzw. Kieskörner ermittelt. Sie ist, nach seinen Angaben, auch für andere Filtermaterialien hinreichend genau.
Wir verwenden die Moll’sche Gleichung allerdings mit dem Unterschied, als dass wir die Viskosität nicht als konstant (n = 0,0115 cm2/s), sondern temperaturabhängig betrachten und diese noch leicht umformen:
Gleichung 4, Rückspülgeschwindigkeit nach Moll, wobei: ck = Spülgeschwindigkeit [m/s], r1 = Dichte der Kugel [kg/m3], r2 = Dichte des Fluids [kg/m3], dk = Durchmesser Kugel [m], n(T) = kinema. Viskosität [m2/s], temperaturabhängig
Mit diesen Gleichungen und der Definition der Reynoldzahl können nun für sämtliche Filtermaterialien typische, theoretische Kurvenscharen ermittelt werden.
Beispiele
Nehmen wir als Beispiel ein Sandfilter mit Quarzsandfüllung und berechnen für die Korngröße 0,71 mm die notwendige Spülgeschwindigkeit (oder Sinkgeschwindigkeit) in Abhängigkeit von der Temperatur (vgl. Bild 1).
Bei einer Wassertemperatur von +10°C ist demnach eine Spülgeschwindigkeit von ca. 500 m/h notwendig. Bei 30°C warmen Spülwasser erhöht sich die notwendige Spülgeschwindigkeit bereits auf ca. 800 m/h. Betrachten wir nun die Korngröße 1,25 mm, bekommen wir ein ähnliches Bild. Bei 10°C benötigen wir 650 m/h, bei 30°C bereits 1070 m/h, eine annähernde Verdoppelung der Spülgeschwindigkeiten.
Bild 1: Sinkgeschwindigkeit für Partikel mit Nassdichte = 2,6 kg/l.
Das sind viel zu hohe Werte, werden Sie jetzt sagen. Wir spülen normalerweise mit maximal 60 m/h! Das übliche Dilemma zwischen Theorie und Praxis? Nein, sicherlich nicht. Betrachten wir uns die tatsächlichen Strömungsverhältnisse im Filter einmal etwas genauer.
Die Spülgeschwindigkeit 60 m/h bezieht sich auf die gesamte freie Filterfläche. Diese Fläche wird allerdings durch die Filterfüllung zu einem erheblichen Teil blockiert und ist viel kleiner.
Somit ist die tatsächliche Strömungsgeschwindigkeit im Filter höher. Um zu bestätigen, dass die oben genannte Näherungsformel tatsächlich realistische Werte ergibt, wollen wir nun untersuchen, wie groß die tatsächliche frei durchströmte Fläche in einem Sandfilter ist.
Dazu müssen wir folgende Vereinfachung treffen: Die geometrische Form der zu betrachtenden Filterpartikel wird als Kugel angenommen. Weiter setzen wir voraus, dass die einzelnen, jeweils senkrecht durchströmten Horizontalebenen des Filters, durch die Klassierung beim Rückspülen homogen geschichtet sind. Das heißt, es existieren nur Schichten gleicher Korndurchmesser bei dichtester Kugelpackung.
Vereinfachen wir nun die Kreisfläche des Sandfilters zu einer Quadratfläche so lässt sich für jeden Korndurchmesser eine maximal mögliche Anzahl n Körner ermitteln:
n = (L/d) · (L/sin · (p/3)) · (1/d)
n = Anzahl der Körner, L = Seitenlänge der zum Quadrat reduzierten Filterfläche [m], d = Korndurchmesser [m]
Bild 2: Frei durchströmbare Fläche von Filtern in Abhängigkeit der Korngrößen kugelförmigen Filtermaterials.
Aus dieser Näherungsgleichung kann die durch die Kugeln blockierte Fläche berechnet werden. Bild 2 stellt für verschiedene Korngrößen die resultierenden Netto-Filterflächen dar. Für Korngrößen bis 1 mm Durchmesser ergeben sich unabhängig vom jeweiligen Filterdurchmesser nahezu konstante Netto-Filterflächen in der Größenordnung von 9,3%.
Jetzt wird auch deutlich, dass die im Vorfeld berechneten Spülgeschwindigkeiten sehr realistisch sind. Denn eine auf 10% reduzierte, frei durchströmbare Netto-Filterfläche bedeutet eine tatsächliche Spülgeschwindigkeit, die um den Faktor 10 höher liegt als die auf den gesamten Querschnitt bezogene Spülgeschwindigkeit.
vtats = vspül · 1/(An · 100)
Näherungsgleichung 5, tatsächliche Spülgeschwindigkeit vtats von Filterpartikeln gültig für alle Temperaturbereiche, wobei vspül = Spülgeschwindigkeit bez. auf den Filterquerschnitt, An = Nettofilterfläche [%] = f (Filterdurchmesser und Korndurchmesser)
Zur Veranschaulichung betrachten wir ein Filter mit 2 m Durchmesser und berechnen die frei durchströmbare Fläche bei Körnern mit 0,7 mm Durchmesser. Hier ergibt sich eine Filterfläche von 3,14 m2 und eine durch die Filterkörner blockierte Fläche von 2,85 m2. Dies entspricht einer Nettofläche von 0,29 m2 (3,14 m2 Filterfläche · 9,3%). Werden die Korndurchmesser größer, beispielsweise bei den Stützschichten, ergeben sich natürlich größere Nettoflächen. Für die praktische, schnelle Auslegung der tatsächlichen Spülgeschwindigkeit kann der Faktor 10 als hinreichend genau herangezogen werden.
Somit können mit Gleichung 4 die eigenen Ansätze nach Stoke und Reynold auf die Nettofläche normiert werden. Die daraus resultierenden, tatsächlich in den einzelnen Filterschichten auftretenden Strömungsgeschwindigkeiten liegen jetzt in den uns bekannten Bereichen. Unbeeinflusst bleibt die Gleichung von Moll.
So sind in den Bildern 3, 4 und 5 die tatsächlichen Sinkgeschwindigkeiten nach eigenen Ansätzen und dem modifizierten Ansatz nach Moll für die drei häufigsten Filtermaterialien dargestellt: Quarzkies (Nassdichte 2,6 kg/l), Korn-Aktivkohle 1-3 mm/Everzit Spezial (Nassdichte 1,1 kg/l) sowie Korn-Aktivkohle 3-5 mm/Filteranthrazit H/N.
Bild 3: Normierte Sinkgeschwindigkeit für Partikel mit Nassdichte = 2,6 kg/l.
Als Nassdichte verstehen wir die tatsächliche Dichte der gewässerten, also "nassen", Filtermaterialien. Speziell bei hochporösen Stoffen wie Korn-Aktivkohlen und auch Filterkohlen auf Braunkohlebasis unterscheidet sich dieser Wert erheblich von den Dichteangaben der Hersteller. Da von den meisten Herstellern leider keine Angaben zu den Nassdichten gemacht werden, haben wir diese selber empirisch ermittelt. Diese Werte können je nach verwendetem Rohmaterial stark variieren.
Betrachten wir zunächst das Filtermaterial Quarzsand, da uns hier die meisten empirischen Erfahrungen vorliegen (Bild 3). Bei Korngrößen von 0,71 mm errechnen wir nach Newton Sink- bzw. Spülgeschwindigkeiten von 48 m/h bei 10°C Spülwassertemperatur und bereits 75 m/h bei 30°C Wassertemperatur. Dies wird durch unsere praktische Erfahrung bestätigt. Vergleichen wir dagegen diese Werte mit denen nach Moll, so ergeben sich hier bei gleichen Spültemperaturen wesentlich niedrigere (10 m/h bei 10°C und 25 m/h bei 30°C) Spülgeschwindigkeiten. Erst bei Korndurchmessern ab ca. 1,5 mm nähern sich die Ergebnisse nach Moll, der im Übrigen vom wirksamen Durchmesser der Filtermaterialien ausgeht, unseren Werten an.
Der Bereich unserer Ansätze nach Stoke fällt hier, wir hatten darauf bereits im Teil I hingewiesen, erst bei Korngrößen unter 0,3 mm ins Gewicht und ist deshalb nicht weiter von Interesse.
Für Sandfilter sind also die Spülgeschwindigkeiten nach Newton zu ermitteln: Beispielsweise ergibt sich für Korngrößen von 1,0 mm und einer Spülwassertemperatur von 20°C eine erforderliche Spülwassergeschwindigkeit von ca. 70 m/h (beim Abszissenwert: 1,0 mm, Parallele zur Ordinate, im Schnittpunkt mit Newton 20°C Parallele zur Abszisse ergibt ca. 70 m/h).
Muss man mit 30° spülen, erhöht sich hier die erforderliche Spülgeschwindigkeit um fast 30% auf ca. 90 m/h!
Bild 4: Normierte Sinkgeschwindigkeit für Partikel mit Nassdichte = 1,25 kg/l.
Betrachten wir als nächstes Filtermaterial mit Nassdichten von 1,25 kg/l wie z.B. Aktivkohle oder Filteranthrazit H und N (Bild 4). Auch hier können wir feststellen, dass die Spülgeschwindigkeiten typischer Füllungen nach Newton zu ermitteln sind.
Bei Korngrößen von 1 mm errechnen wir danach Spülgeschwindigkeiten von ca. 22 m/h bei 10°C Spülwassertemperatur und ca. 36 m/h bei 30°C. Auch hier liegen die nach Moll ermittelten Werte wesentlich niedriger und nähern sich erst ab 2,1 mm Durchmesser unseren Daten an.
Beispielsweise ergibt sich für Korngrößen von 1,0 mm und einer Spülwassertemperatur von 20°C eine erforderliche Spülwassergeschwindigkeit von ca. 28 m/h. Muss man mit 30° spülen, erhöht sich hier die erforderliche Spülgeschwindigkeit um ca. 27% auf ca. 36 m/h!
Bild 5: Normierte Sinkgeschwindigkeit für Partikel mit Nassdichte = 1,1 kg/l.
Filtermaterial mit Nassdichten von 1,1 kg/l wie z.B. Aktivkohle oder Filteranthrazit H und N sind in Bild 5 dargestellt. Wie bereits in den ersten beiden Beispielen stellen wir fest, dass die Spülgeschwindigkeiten typischer Füllungen nach Newton zu ermitteln sind.
Bei Korngrößen von 1 mm errechnen wir danach Spülgeschwindigkeiten von ca. 14 m/h bei 10°C Spülwassertemperatur und ca. 23 m/h bei 30°C. Auch hier liegen die nach Moll ermittelten Werte wesentlich niedriger und nähern sich erst ab 3 mm Partikeldurchmesser unseren Daten an.
Beispielsweise ergibt sich für Korngrößen von 1,0 mm und einer Spülwassertemperatur von 20°C eine erforderliche Spülwassergeschwindigkeit von ca. 18 m/h.
Zusammenfassung
Spülgeschwindigkeiten sind sehr stark von der Spülwassertemperatur abhängig. So ist bereits bei einer um 10°C erhöhten Spülwassertemperatur eine Erhöhung der Spülgeschwindigkeit bis zu 25% notwendig. Aus dieser Sicht ist es sowohl aus energetischen Gründen (denkbar ist eine Wärmerückgewinnung) als auch zur Schonung von Ressourcen sinnvoll, mit möglichst geringer Spülwassertemperatur das Filter zu spülen.
L i t e r a t u r a n g a b e n :
[1] Prof. Dr. Helmut Gerthsen, Kneser, Vogel, "Physik", 14. Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1982, S. 107 ff.
[2] F. Saas, Ch. Bouché, A. Leitner, "Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau", 13. Auflage, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1970, S. 321 ff.
[3] Veniamin G. Levich, "Physicochemical Hydrodynamics", Prentice Hall, Inc. Englewood Cliffs, N.J. 1962, S. 35 ff, S 80 ff.
[4] Moll, H.G. Über das Rückspülen von Mehrschichtfiltern, gwf-wasser/abwasser 121 (1980) H.1, S.15ff.
[Zurück] [Übersicht] [www.ikz.de]