IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/2000, Seite 83 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Ein "Abschreibungsmodell" durchleuchtet

Michael Bandering

Die Neuregelung durch das "Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002" vom 24. März 1999 bedeutet das Aus von Abschreibungsmodellen bisheriger Prägung, sodass sich Verlustzuweisungsgesellschaften umorientieren und vor allem neue Anlegerkreise erschließen müssen. Da sich das alte Strickmuster in seinen Grundzügen aber nicht verändern wird, ja kann, stellen wir ein konkretes Beispiel der letzten Erscheinungsform vor, wurden doch zum Zeitpunkt der Beitragsabfassung noch keine Neukonzeptionen angeboten. Übrigens kann man sich sogar noch in diesem Jahr in ein "Altmodell neue Bundesländer" einkaufen und noch nicht beanspruchte Sonderabschreibungen geltend machen, soweit ein Fonds die Voraussetzungen für Ost-Sonderabschreibungen noch in 1998 oder früher erfüllt hatte. Wie lukrativ aber ist denn ein solches "Abschreibungsmodell" für den Anleger in Wirklichkeit?

Zwei Verkaufsargumente

Mit "Immobilien waren schon immer gut" spricht man eine Geldanlageform an, die sich - wie die Vergangenheit lehrt - (meist) durch Solidität und Attraktivität auszeichnet. Und "legal Steuern sparen" lässt jeden gebeutelten Steuerzahler das Herz im Leibe springen.

Gegenstand unseres Beispielfalles

Laut Verkaufsprospekt soll ein Altbau aus der Jahrhundertwende in Ostdeutschland für die Fondsgesellschaft Schlau*) GmbH & Co. KG erworben, von Grund auf saniert und schließlich mit einem noch zu erstellenden Anbau vermietet werden. Vorgesehen sind Wohnungen, Praxis- und Ladenräume. Das Projekt wurde mit 81.300.000 DM kalkuliert. Zu deren Finanzierung suchten die Initiatoren Anteilseigner für die Fondsgesellschaft mit einer Einlage von insgesamt 57.280.000 DM (je weitere 10.000 DM steuerten Initiator Joh. Schlau bzw. Treuhänder Karl Klug bei); die Lücke von 24 Mio DM sollte durch ein Hypothekendarlehen geschlossen werden.

Der Mitteleinsatz im Detail

Das Projekt wurde Ende 1997 begonnen und binnen Jahresfrist fertiggestellt. Aus Transparenzgründen stellen wir in nachstehender Mittelverwendungsrechnung 1997/98 die Gesamtausgaben den anteiligen Ausgaben gegenüber, die auf den Zeichner eines 50.000-Mark-Anteils entfallen:

  1. Was den Anteilseignern unbekannt war: Der Altbau war von den Initiatoren bereits in 1995 um 10,5 Mio (9162)**) DM erworben worden, doch schlug die vorgesehene Vermarktung fehl (!), und der Fonds übernahm ihn um 13,3 Mio DM, womit die Initiatoren bereits aufgelaufene Zinsen und Nebenkosten mit immerhin 2,8 Mio (2443)**) DM den Fondsanteilseignern aufbürdeten.
  2. Mit der Durchführung der Modernisierungs- und Neubauarbeiten wurde die Joh. Schlau Planungsges. mbH & Co. KG als Generalübernehmer (GÜ) betraut. Der GÜ wiederum vergab den Auftrag an einen Generalunternehmer, der Joh. Schlau Bauges. mbH & Co. KG, die sich ihrerseits ihr genehme Subunternehmer für Teilgewerke wie bspw. Elektro- oder Fliesenarbeiten verpflichtete. Die Höhe der Dienstleistungsvergütungen an Generalüber- und -Unternehmer sind unbekannt.
  3. Die Höhe der Zwischenfinanzierungskosten ist wohl überwiegend mit Zinssätzen am oberen Rand - wie bei derartigen Vorhaben üblich - zu erklären, ist doch vorab das Eigenkapital einzusetzen, sodass Zwischenfinanzierungszinsen erst im späteren Verlauf anfallen. Eine weitere Erklärung bietet eine nur zögerliche Vermarktung der Fondsanteile, wodurch dem Fonds Eigenkapital zum Teil verspätet zufloss.
  4. Erfahrungsgemäß unterzieht der Anleger die Höhe der Dienstleistungshonorare keiner kritischen Würdigung, sind sie doch Bestand der sofort absetzbaren Werbungskosten - und wegen möglichst hoher Verlustzuweisungen engagiert man sich schließlich in einem solchen Fonds. Folglich nutzen Fonds-Initiatoren diesen "Freibrief" meist weidlich aus. Das beweisen die happigen Dienstleistungshonorare, die übrigens selbst branchenbezogen als überzogen anzusehen sind.
  5. Die Joh. Schlau Garantieges. mbH & Co. KG mit einem Gesellschaftskapital von 50.000 DM (GmbH) und 10.000 (KG) garantierte dem Fonds die Zuführung ausreichender Anteilseigner - eine nicht alltägliche Konstruktion - und kassierte dafür die stolze Summe von knapp 7 Mio DM. Ob und in welcher Höhe der Garant aus seiner Verpflichtung in Anspruch genommen wurde, ist Außenstehenden naturgemäß unbekannt.
  6. Für eine behäbige Besorgung der erforderlichen Fremdmittel von nominell 2.667.000 DM zu 4,5% Zins +1,5% Anfangstilgung***) bei 90% Auszahlung (Konditionsbindung 10 Jahre) sowie der ergänzenden Zwischenfinanzierung benötigt ein Fachmann insgesamt kaum mehr als eine Arbeitswoche - gegen ein Honorar von 250.000 DM.
  7. Auf die Dauer von fünf Jahren garantiert die Joh. Schlau Garantieges. mbH & Co. KG dem Fonds und damit den Anlegern Mieteinnahmen in der projektierten Höhe. Da sich die geplanten Mieten am oberen Ende des Marktpreises orientierten, musste der Mietgarant bereits für mehrere leerstehende Einheiten einstehen: Für zwei Wohnungen, eine Praxis und beide Läden.
  8. Ab 1999 ist auf die Dauer von 50 Jahren eine jährliche Ausschüttung von je 2.293.000 (2001)**) DM vorgesehen; sie zu ermöglichen dient die Liquiditätsreserve von 4 850 000 (4232)**) DM. . .
    Neben ihrem Kapitalanteil von 5.7280.000 DM hatten die Anleger mit 2.864.000 (2500) DM**) weitere fünf Prozent aufzubringen, die die Vermittler als Provision kassierten. Das heißt, dass (überhöhte Dienstleistungshonorare und Agio ("weiche Kosten") zusammen nicht weniger als 25% des Eigenkapitaleinsatzes verschlingen - für die Initiatorengruppe Schlau/Klug ein hochattraktives Geschäft; einschließlich der oben angesprochenen Verlustübernahme aus dem geplatzten Ursprungsvorhaben werden es gar runde 30 (!)%.

Verlustzuweisung (Werbungskosten) 1997/98

Die steuerlich relevante Verlustzuweisung beträgt für beide Jahre zusammen 30.996.000 (27.047)**) DM, davon 19.904.000 (17.368)**) DM für Abschreibungen (die sich im Verhältnis 10:90 auf die Jahre 1997 und 1998 verteilen), Finanzierungskosten (Zwischenfinanzierung 2.135.000 DM, Disagio 267.000 DM) und der Rest von 8.690.000 (7583)**) DM für Zahlungen an die Initiatoren.

Die Rechnung ab 1999

Allerdings fallen die jährlichen Abschreibungen in 1999 auf 3.216.000 (2806) **) DM und ab 2008 auf jährlich 444.000 (387)**) DM zurück, war doch das Abschreibungsvolumen lediglich zeitlich vorverlegt worden. Problematisch die Finanzierungsrechnung ab 1999: Lassen sich nämlich Wohnungen und Läden zu den vorgesehenen Preisen nicht vermieten, bieten sich nur zwei Alternativen an: Hohe Mietnachlässe zu akzeptieren oder die Räume unvermietet vergammeln zu lassen (eine besondere Gefahr bei unvermietbarem Gewerberaum) und dadurch höheren Instandhaltungsbedarf zu provozieren. Dieses Problem verdeckt lediglich die freilich Ende 2003 auslaufende Mietgarantie - wenn nicht schon vorher der Garant selbst zahlungsunfähig wird - und der Anteilseigner somit schon früher damit konfrontiert ist. Zudem sieht der Finanzplan der Initiatoren im 5-Jahres-Turnus eine je 7,5%ige Mieterhöhung vor, obschon bereits heute Spitzenmieten verlangt werden und daher Räume unvermietet blieben.

Unsicherheit beschert auch der prognostizierte Zins für das Anschlussdarlehen nach Ablauf der 10jährigen Zinsbindung: Während der langjährige Zinsdurchschnitt bei rund 8,25% liegt, unterstellen die Initiatoren für die gesamte Restlaufzeit nur 7,75% Zinsbelastung.

Die kalkulierten Bewirtschaftungskosten aber beweisen einmal mehr, dass sich die Initiatoren Pfründe schaffen wollten. So erhalten der Initiator für seine Verwaltungstätigkeit 4% der Mieteinnahmen, der Treuhänder 0,5% und der Steuerberater 1,5%. In dem auf 50 Jahre angelegten Finanzplan sind zunächst 2% und ab 2007 4% der Mieteinnahmen für Instandhaltung veranschlagt; dagegen sieht man keine Vorsorge für im Laufe von 50 Jahren doch mal erforderliche Großreparaturen vor, wodurch ein "geschöntes" Ergebnis ausgewiesen werden kann.

Gleichzeitig dürfen sich die Initiatoren genüsslich zurücklehnen; denn sie haften nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit - Vergehen, die sich in Tateinheit in der Praxis nur denkbar selten beweisen lassen. Andererseits weist das Vertragswerk darauf hin, dass der Anleger Verlustanteile selbst dann zu tragen hat, wenn diese den jeweiligen Kapitalanteil übersteigen: das heißt, er hat gegebenenfalls aus freiem Eigenkapital zuzuschießen.

Vor diesem Hintergrund droht ein wesentlicher Gesichtspunkt fast unterzugehen: die Verkäuflichkeit eines Anteils. Da für einen Verkauf kein funktionierender, börsenähnlicher Markt genutzt werden kann, hat sich der Anleger grundsätzlich selbst um einen Interessenten umzusehen. Doch wer kauft sich schon einen Anteil, dessen "Steuervorteile" schon ein Anderer eingeheimst hat? Der auch kaum bereit ist, überhöhte Erwerbskosten des Anlegers zu übernehmen? Der in ein wohl am Bedarf etwas vorbeigeplantes Projekt einsteigen soll? Und der erst wieder jemand finden muss, um erworbene Anteile seinerseits an den Mann oder die Frau zu bringen?

Zudem bringt die jüngste rückwirkende (und daher verfassungswidrige) Verlängerung der "Spekulationsfrist" auf zehn Jahre ein weiteres Problem: Bei einem Anteilsverkauf innerhalb von zehn Jahren verliert der Anleger de facto rückwirkend die einstigen Abschreibungsvorteile, die ja eigentlich Investoren zu Investitionen in den neuen Bundesländern anreizen sollten. So gesehen fragt sich weiter nach dem Sinn des neuen § 2 b EStG, der die Aktivität von Verlustzuweisungsgesellschaften beschneiden soll.

Fiskalische Konsequenzen von Verlustzuweisungsmodellen

Zwar führen die hohen Honorare, die die Initiatoren einstreichen, zu entsprechenden Werbungskosten beim Anleger, also zu Steuerausfällen, andererseits wiederum zu analogen steuerpflichtigen Einkünften initiatorenseits, sodass sich Steuerausfälle und Steuermehreinnahmen in etwa die Waage halten. Weiter bewirken Sonderabschreibungen lediglich eine teilweise Vorverlagerung von Abschreibungen, jedoch keine Erhöhung des Abschreibungsvolumens selbst. Wenn also Politiker mit dem Schlachtruf "Reiche durch Verlustzuweisungsmodelle nicht noch reicher machen!" durch die Lande ziehen, enttarnen sie sich folglich als sachlich inkompetent und/oder als reine Neidschürer.

Gleichzeitig ignoriert man einen Aspekt in der Diskussion völlig: Verlustzuweisungsmodelle gerade im Immobilienbereich führten zu einer Bautätigkeit in den neuen Bundesländern, die ohne steuerliche Anreize ausgeblieben wäre. Sie schufen nicht nur neue Wohn- und Gewerberäume; sie dämpften einen Mietpreisauftrieb.

Und ein weiterer, keinesfalls zu unterschätzender Gesichtspunkt: Sie schufen Beschäftigung im Bau- und Baunebengewerbe, sodass dadurch nicht nur die Arbeitslosenkassen entlastet wurden sondern darüber hinaus dem Staat Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben zuflossen.

Heute müssen bereits viele Kapitalanleger ihre einst hochgepriesene Beteiligung als Flop erkennen, der sie freilich nicht ganz unverschuldet trifft. Denn eine Geldanlage aus ausschließlich steuerlichen Motiven hält nur in den seltensten Fällen einer wirtschaftlichen Feuerprobe stand.

Verlustzuweisungsmodelle der nächsten Generation

Wie bereits eingangs erwähnt, werden Angebote mit verändertem Etikett nicht ausbleiben; degressive und Denkmalschutz-Abschreibungen drängen sich geradezu als Alternativen auf. Die Initiatoren von Morgen aber werden mit denen von Gestern identisch sein - und ihr Bestreben, ihr Angebot wieder mit hohen "Dienstleistungshonoraren" zu verknüpfen. Die Rechnung bezahlt freilich wieder der Anleger


*) Name jeweils geändert

**) Die Klammerzusätze beziehen sich jeweils auf einen 50.000-DM-Anteil

***) Wegen des hohen Alters der Altsubstanz verlangte offenbar die endfinanzierende Bank anstelle des üblichen Anfangstilgungssatzes von 1% einen erhöhten Tilgungssatz von 1,5%.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]