IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/1999, Seite 21 ff.


VERBÄNDE AKTUELL 


Hessen


Erdgastagung Wiesbaden

Innungsmitglieder informierten sich über Trends und Entwicklungen

Eine Erdgastagung im Verbandsbereich Hessen ist immer ein Informationsschwerpunkt im Jahresverlauf. Wiesbaden jedoch bot auch vom Ambiente des Kurhauses einen besonders glanzvollen Rahmen für die rund 120 Vertreter der Innungen, des Fachverbandes und der Ruhrgas AG sowie den Gästen aus Industrie und Großhandel.

Im Festsaal des Kurhauses begrüßte Bernd Huffziger, Leiter Verkaufsdirektion Mitte, Ruhrgas AG, die zahlreichen Teilnehmer. Die Bedeutung des Erdgases als Heizenergie werde in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Er rechnet mit einer weiteren Steigerung von derzeit 42% auf bis zu 50% im Jahr 2010.

Von Landesinnungsmeister Werner Scharf kam die Botschaft "Wandel in der Heiztechnik". In seiner Begrüßungsrede nannte er die Themen, die in der SHK-Branche in den nächsten Jahren für den Wandel stehen werden. Einmal sei es die Liberalisierung des Energiemarktes und zum anderen die ins Haus stehende Energie-Einsparungs-Verordnung (EnEV 2000).

Kurhaus Wiesbaden: Exclusiver Treffpunkt.

Politische Sichtweisen

Staatssekretärin Dr. Herlind Gundelach, Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, sagte in ihrer Grußbotschaft: "Energiepolitik und Umweltschutz ist nicht nur Selbstzweck, er muß sich an wirtschaftlichen Kriterien messen lassen." Aus diesem Grund sei für sie eine Umweltallianz ein zentrales Projekt. Kooperationsmodelle zwischen Energiewirtschaft, Kommunen und Handwerk sieht sie als unverzichtbar an, gemeinsames Handeln sei erforderlich.

Sie nannte in diesem Zusammenhang auch das ehrgeizige Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2010, vor dem Hintergrund der CO2-Verminderung, von z.Z. etwa 5% auf 10% zu steigern. Die Klimaschutzkonferenz, Bonn, werde wohl ohne die USA in die Offensive gehen müssen, da die US-Amerikaner auf ihrem derzeitigen Stand verharren. Ziel bleibe es, Kyoto plus fünf Jahre, umzusetzen.

Organisation: Perfekte Vorbereitung sorgte für einen guten Verlauf der Veranstaltung.

In Verbindung mit der Energieeinsparungsverordnung nannte sie die derzeitige Berechnung zu kompliziert und hält es für geboten, Wärmeschutzmaßnahmen und die Heiztechnik als gleichberechtigt einzubeziehen. "Die Bedenken der Verbände halte ich für berechtigt," da sie ein Ungleichgewicht zwischen der Bewertung von Strom und anderen Energien wie Erdgas und Öl sieht. Beim Vollzug dieser Verordnung hält sie eine Liberalisierung für erforderlich; es sollten Architekten, Planer und Fachhandwerker eingebunden werden.

Da die Förderung auf zukunftsorientierte Techniken ausgerichtet werden sollte, findet sie die Kampagne 2000 "Solar - na klar!", die von 1999 - 2001 als Förderprogramm laufen soll, als geeignete Maßnahme den Solarmarkt auszubauen.

Fachvorträge

Die Tagungsleitung und Moderation der Veranstaltung hatte Direktor Bernhard Funk, Leiter der Verkaufsdirektion Marketing, Ruhrgas AG, Essen.

Versorgungssicherheit

Dipl.-Ökonom Werner Nowak, Leiter der Abteilung Energiewirtschaft, Ruhrgas AG, referierte über das Thema "Die Gaswirtschaft an der Schwelle des 21. Jahrhunderts". Nowak verdeutlichte anhand von Tabellen und Grafiken die Entwicklung des Erdgases und stellte eine perspektivische Betrachtung des Anteils der Primärenergie im Jahr 2010 an. Erdgas sei zur Zeit einziger wachsender Energieträger und er rechne mit einem steigenden Anteil auf 25%. Mineralöl werde in diesem Zeitraum auf 37% abnehmen, Steinkohle nannte er mit 14%, Braunkohle mit 10%, Kernenergie 11% und bei sonstigen Energien wie Wasserkraft und Solarenergie rechnet er sogar nur mit etwa 3%.

Bei der Sicherheit der Gasversorgung gibt es nach Aussagen von Nowak keinen Grund zur Besorgnis. Erstens bilde das Bundesdeutsche Gasnetz eine gewisse Pufferzone mit entsprechenden Reserven, zweitens stehe über das europäische Versorgungs-Verbundnetz ein enormes Potential zur Verfügung und drittens seien Lieferverträge mit unterschiedlichen Förderländern abgeschlossen worden. Verträge, die diese Liefersicherheit gewährleisteten, reichten bis ins Jahr 2030. Diskussionen, die immer wieder über die weltweiten zur Neige gehenden Vorräte geführt würden, konnte der Referent zerstreuen. Nach seinen Einschätzungen reichen die heute bekannten und förderbaren Vorkommen bis ins Jahr 2060. Sonstige Reserven reichen nochmals für weitere 150 Jahre.

Resümee: An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat das Erdgas eine gefestigte Marktposition.

Wandel: LIM Scharf sieht durch neue Verordnungen einen Wandel in der Heiztechnik.

Dominanzenergie

"Die Stellung des Erdgases im Markt - am Beispiel Hessen", erläuterte Dr. Klaus Zwintzscher, Prokurist und Verkaufsleiter, Gas-Union GmbH, Frankfurt. Er ließ zu Beginn seines Vortrags die hessische Gas-Szene ab 1969 Revue passieren; damals wurde noch das C-Erdgas aus Holland angeboten.

Doch seine These: "Es geht auch ohne Erdgas", wurde von einigen Teilnehmern verdutzt aufgenommen. Seine Behauptung basiert auf dem Dominanzbereich eines Energieträgers, und den besaß Erdgas nicht.

Folgethese: "Am Öl kommt keiner vorbei", aufgrund seiner Dominanz auf Land, im Wasser und in der Luft. Heute werde z.B. mit dem Erdgasfahrzeug versucht diesen Bereich für Erdgas auszubauen.

Kooperation: Dr. Gundelach setzt auf Kooperationsmodelle zwischen Energiewirtschaft, Kommunen und Fachhandwerk.

Hessische Entwicklungen zugunsten des Erdgases seien durch die Neubautätigkeit begünstigt worden. Bei ca. 9000 umzustellenden Anlagen wurden etwa 50% der Ölanlagen auf Erdgas umgestellt.

Heute gehe der Kundenwunsch bei Energieträgerwechsel hin zu alternativen Energien. Aber: Wenn man eine moderne, umweltgerechte und kostengünstige Lösung wolle, komme man an Erdgas nicht vorbei!

Erfolgsstory

Für den Leiter der Abteilung Marktpartner der Ruhrgas AG, Dipl.-Betriebswirt Dietrich Berthold, ist die "30jährige Geschichte des Erdgases in der BRD eine Erfolgsstory." Seit 1993, als die "Leitlinien für eine Zusammenarbeit zwischen den GVU und dem SHK-Handwerk" ausgearbeitet wurden, gab es eine Partnerschaft nach dem Motto: Gute Nachbarn, klare Grenzen! Hier gelte es anzusetzen, denn die große Chance in der Marktbearbeitung bestehe durch die Kundenbindung, da die Heizung für viele ein "low interest"-Produkt sei. Jetzt müsse es in der Partnerschaft heißen: Kernkompetenz ausnutzen. Die "Kundenorientierung wird (über) lebenswichtig." Guiseppe Tomaso di Lampedusas Spruch: "Es muß sich alles ändern, damit alles so bleibt wie es ist!", treffe den Kern.

Aktives Marketing: Dietrich Berthold hält es für unverzichtbar und führte "the erdgas collection" vor.

Der Gashausanschluß "ist der Schlüssel zur Mehrfachnutzung von Erdgas" und dies könne bis zur nostalgischen Gartenbeleuchtung gehen. Die Vision der Zukunft könne zum erdgasvollversorgten Haus führen.

Im Frühjahr 2000 werde ein neues Angebot in Richtung Fortbildung, Weiterbildung, Werbehilfen, Verkaufsförderung und Betriebsberatung erfolgen und dies schließe auch das Internet-Angebot mit ein, denn mittlerweile seien etwa 20% der SHK-Betriebe mit eigenen Seiten im Internet.

Er spreche sich für einen Dialog mit den Marktpartnern vor Ort aus, dieser Weg werde durch die Ruhrgas unterstützt und gefördert.

EnEV

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Richter, Universität Dresden, referierte zum Thema "Konsequenzen der Energiesparverordnung (EnEV 2000) für die Anlagentechnik." Für ihn sei der Referentenentwurf der EnEV z.Z. vielfältigen Änderungen und einem Ringen um Lösungen für die Anlagentechnik unterworfen. Ein Ziel der EnEV sei, auf Basis des NEH-Standards, eine Einsparung von zusätzlich 30% zu erreichen. Die Umsetzung der Verordnung, die er nicht vor 2001 sieht, bedeute für das SHK-Handwerk ein hohes Maß an Risiken und Herausforderungen, es biete aber auch Chancen.

Bei der ganzheitlichen Gebäudebetrachtung gebe es für die Klimatechnik die Besonderheit, daß die Klimatisierung beim Sommerbetrieb außen vor bleibe.

Nach Meinung Richters wird sich "die Auseinandersetzung der Zukunft um die Lüftung drehen." Der Einfluß der Nachlüftung auf die Raumauskühlung beim NEH sei wesentlich. Nach Untersuchungen, die an der Uni Dresden durchgeführt wurden, sei eine dezentrale Heizleistungsreserve bei der Nachlüftung notwendig, da sonst die Raumtemperatur innerhalb einer zumutbaren Zeit nicht erreicht werden könnte.

Lüftung: Nach Prof. Richter wird sich die Auseinandersetzung der Zukunft um die Lüftung drehen.

Das Nutzerverhalten bedinge einen gewissen Komfort, eine Heizreserve, sonst werde der Eigentümer oder Mieter anderweitig nachrüsten. Bei zu geringer Lüftung drohe auf jeden Fall Schimmelpilzbildung, dies müsse berücksichtigt werden. Nach einer Erhebung bilde sich der Schimmelpilz vor allem in Ruhe- und Schlafräumen und nicht wie oft vermutet in Naßräumen, Bädern oder Küchen.

Fazit: "Unter den Bedingungen des NEH werden wir auch mit der Fensterlüftung leben müssen, denn wir müssen mit der Nutzer-Befähigung umgehen." Die wirtschaftlichste Lösung sind Lufteinlässe in der Außenwand und eine zentrale Ablüftung, die allerdings sensorgesteuert, bedarfsgerecht arbeiten sollte. Devise muß sein: "Nicht Energiesparen um jeden Preis."

Kostensenkungspotentiale

Dr. Heiner Hüppelshäuser, Leiter der Abteilung haushaltliche Gasanwendung, Ruhrgas AG, Dorsten, sprach über den Ansatz der "Kostensenkungspotentiale in der Gas-Hausinstallation." Zielsetzung sei die Kostensenkung im gesamten Bereich der Gasanwendung, das schließe die Bereiche der Ortsverteilung, des Hausanschlusses und der Gas-Hausinstallation mit ein. Im Bereich Ortsnetz nannte er die Innovation der Felsrad-Grabenfräse und das Georadar-System zur Ortung von Leitungen. Eine kompakte Mehrsparten-Hauseinführung und die Hausanschlußstation - Haustechnikzentrale in Modulbauweise - gehörten ebenso zur Kosteneinsparung, wie ein neues System der Gasleitung, Absicherung und Verlegung. Einen wesentlichen Punkt bei der Hausinstallation bilde die Gassteckdose.

Ein entsprechendes Praxisprojekt laufe derzeit bei einem Neubau eines 12-Familienhauses in Solingen. Mit einer allgemeinen Zulassung für das System rechne man bis zum Frühjahr 2000. Die erwartete Kostensenkung werde mit 25% kalkuliert. "Wir müssen gemeinsam mit dem Fachhandwerk Kosten senken, sonst haben wir keine Chance gegen Strom."

Gaswärmepumpe

"Wärmeerzeuger für das Niedrigenergiehaus - Die Diffusions-Absorptionswärmepumpe", ein Thema, das durch Dr. Jürgen Sterlepper, Leiter der Abteilung Entwicklung/Gasheizkessel, Buderus Heiztechnik GmbH, erläutert wurde.

Bei der DAWP handelt es sich nach Aussagen von Sterlepper um ein geräuschloses Aggregat mit hermetisch verschlossener Gesamthülle. Mit einer Heizleistung von 3,6 kW, (Kühlleistung 1,2 kW) soll die DAWP zur Grundlastabdeckung eingesetzt werden. Der Normnutzungsgrad soll bei diesem Gerätetyp bei 132% liegen. In Verbindung mit einem 120 Liter Warmwasserspeicher und einem ergänzenden 11 kW Brennwertgerät zur Abdeckung der Heizspitzen, soll es in Häusern mit NEH-Standard eingesetzt werden.

Insgesamt gibt es 100 Versuchsanlagen, 70 in den Niederlanden und 30 in der BRD. Die erste Anlage wurde in Haaren/NL im November 1998 eingebaut und soll in einem Feldtest, der zwei Heizperioden umfassen soll, die Meßdaten für eine eventuelle Serienfertigung liefern. Die Kosten der Anlage einschl. Brennwertgerät werden mit Mehraufwendungen von ca. 30% angegeben.

"Solar - na klar!"

Ein Thema, das sich die SHK-Branche nicht nehmen lassen sollte, denn "Solar - na klar!" in Hessen könnte neue Märkte öffnen. Thermische Solarenergie werde derzeit in Hessen mit 2000,- DM verlorenem Zuschuß gefördert. Um diesen Markt auch kompetent bedienen zu können, wird ein entsprechendes Seminar zur Qualifizierung angeboten. Das Seminar umfaßt für SHK-Fachleute zwei Tage Theorie und einen Tag Praxis.

Eine Abendveranstaltung der Ruhrgas AG im Festsaal des Kurhauses rundete den informationsreichen Tag ab und gab Gelegenheit zu intensiven Diskussionen.


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