IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1999, Seite 80 ff.
REPORT
Handwerker, zeigt mehr Mut!
Wie das Planungsbüro Trieb mit Sachverstand vor Gericht einen Sachverständigen aushebelte
Gerichte haben über das Recht des einen und die Schuld des anderen zu entscheiden. Meist kommt es vor, daß beide Parteien Zugeständnisse machen müssen und ein Vergleich geschlossen wird. Bei einem Prozeß vor dem Oberlandesgericht in München war es anders. Dem HLS-Planer Peter Trieb aus Mühldorf, einer kleinen Stadt auf einer Halbinsel am Inn, wurde in einem zweijährigen Prozeß in allen Punkten Recht zugesprochen. IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Detlev Knecht hat Peter Trieb in Mühldorf besucht.
Der Sachverhalt im einzelnen: Anfang 1988 kaufte Dr. R. ein Kaufhaus in Burghausen (zwischen Passau und Rosenheim, direkt an der österreichischen Grenze). Es sollte zu einem exklusiven Einkaufszentrum mit Hotel umgebaut werden und noch am Ende desselben Jahres eingeweiht werden. Dr. R. beauftragte Trieb aus Mühldorf mit der Planung der Heizungs-, Sanitär- und Lüftungsanlage. Der veranschlagte Zeitrahmen wurde eingehalten und im Herbst Eröffnung gefeiert.
Die Schlußrechnung jedoch wollte der damalige Auftraggeber, Dr. R., nicht zahlen, auch blieben Mahnbescheide ohne Wirkung. Nach zwei fruchtlosen Vollstreckungsbescheiden klagte Trieb seine Forderung beim Landgericht Traunstein ein.
Peter Trieb in seinem Büro. |
Dr. R. gab vor Gericht an, die Schlußrechnung sei verjährt, außerdem seien Mängel an der Anlage festzustellen, die der Planer Trieb zu verantworten habe. Im Februar 1996 fällte das Gericht das Urteil zu Gunsten Trieb: 1. Die Schlußrechnung sei nicht verjährt, 2. Trieb habe 31.000 DM zu wenig berechnet (so daß ihm noch 48.000 DM zustehen), 3. der Planer Trieb sei nicht verantwortlich für die Mängel an der Anlage. Trieb hatte vor Gericht gesiegt. Den Grund faßt er selbst zusammen: "Ich habe mich von der cholerischen Gegenseite nicht einschüchtern lassen. Statt dessen habe ich mich auf meine Sachkompetenz und gewissenhafte Arbeit, die ich seinerzeit abgeliefert hatte, verlassen."
Aber es kam anders als gedacht. Es schloß sich ein Rechtsstreit an, der mehr als zwei Jahre dauerte. Denn Dr. R. legte noch am selben Tag Berufung gegen das Urteil des LG Traunstein ein.
Ein Jahr später, im Februar 1996, gab es die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München. Es bestätigte das Urteil des LG Traunstein bzgl. der Honorarhöhe und kam nach der ersten Inaugenscheinnahme des technischen Sachverhaltes zu dem Schluß, daß das LG Traunstein ein korrektes Urteil gesprochen hat. Die drei vorsitzenden Richter rieten Dr. R. von einer Berufung ab, doch Dr. R. sah sich im Recht. Ein Sachverständiger wurde beauftragt: Prof. G., Lehrstuhlinhaber an einer renommierten Fachhochschule im süddeutschen Raum, Fachbereich Versorgungstechnik; ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Heizungstechnik. Ein Fachmann erster Klasse also und jemand, der sich bestens auskennt. So könnte man auf den ersten Blick meinen. Doch der Schein trügt.
War die Warmwasserbereitung korrekt geplant?
Von wesentlicher Bedeutung war die Beantwortung der Frage, ob die Warmwasserbereitung für das Hotel vom Planer seinerzeit regelgerecht ausgelegt worden war. Im Erdgeschoß sollte das Lebensmittelgeschäft C. einziehen, das auf Grund etlicher Kühltheken viel Wärme abführen würde. Diese Wärme sollte zur Vorerwärmung des Warmwassers genutzt werden und war von Trieb nach Abstimmung mit seinem Auftraggeber mit in die Planung einbezogen worden, schließlich lief der Mietvertrag des Lebensmittelgeschäftes auf 20 Jahre. Die Deckung der Spitzenlast sollte ein 500 Liter Warmwasserbereiter übernehmen, der über den Heizkessel beschickt wurde. Mehr als drei Jahre funktionierte dieses System, bis das Lebensmittelgeschäft C. Konkurs anmeldete, der Mieter wechselte und ein Drogeriemarkt seine Tore öffnete. Ohne Kühlaggregate, denn Creme, Zahnpasta und Haarschampoo brauchen nicht gekühlt zu werden. So wurde die Anlage zur Vorerwärmung des Brauchwassers im Kesselhaus abgetrennt, ohne die Leistung der Warmwasserbereitung für das Hotel zu erhöhen. Es kam - wie es kommen mußte - zur Unterversorgung. Zwei Jahre später (1995) wurde die Anlage der Warmwasserbereitung nachgerüstet; seit dem läuft die Anlage nach Aussage der Betreiberin (die Tochter des Auftraggebers Dr. R.) einwandfrei.
Im März 1997 war Ortstermin im Kaufhaus in Burghausen. Anwesend waren der "Sachverständige" G., Auftraggeber Dr. R., Betreiberin Sch., Heizungsbaubetrieb E. und Planer Trieb. Bei der Begehung sollten mehrere Punkte begutachtet werden, die im Februar 1997 in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG München nicht geklärt werden konnten. So z.B. die Frage, ob bestimmte Luftkanäle und Heizungsleitungen isoliert waren, ob eine Speichervorrangschaltung eingebaut wurde und ob die Warmwasserbereitung ausreichend ist.
Sieben Monate später, im Oktober 1997, liegt das "Gutachten" von Prof. G. vor. Trieb dazu auf die Frage, was er von den Ausführungen des Gutachters halte: "Ich dachte, mich trifft der Schlag, als das Gutachten vor mir lag. Nimmt man die Punkte heraus, in denen Prof. G. mir Recht gibt, ist das gesamte Gutachten von vorn bis hinten falsch und entspricht nicht den Tatsachen." Eindeutige Worte. Wie sich herausstellte, sollte Trieb Recht behalten.
"Mit Sachverstand habe ich mein Recht durchgesetzt." Peter Trieb. |
Der Professor für Versorgungstechnik kommt auf 52 Seiten zu dem Schluß:
- die besagten Lüftungskanäle sind nicht isoliert, ebenso die Heizungsleitungen,
- eine Warmwasservorrangschaltung existiert nicht,
- die Warmwasserbereitung ist nicht ausreichend dimensioniert (Planungsfehler).
Trieb nahm Stellung und sandte im Januar 1998 seine Ausführungen dem Gericht zu. Darin heißt es, die Isolierung der Lüftungskanäle und der Rohrleitung sei Angelegenheit zwischen dem ausführenden Unternehmen E. und seines Auftraggebers Dr. R. Das räumte Prof. G. später ein. Schließlich endete die Leistung des Planers Trieb mit der Abgabe der Ausschreibungsunterlagen, in denen die umstrittene Wärmedämmung enthalten war. Ein weiterer eklatanter Fehler von Prof. G. liege schon darin, daß er die sicherheitstechnische Ausrüstung des Wärmeerzeugers überprüft habe, obwohl sie nicht Gegenstand der Beauftragung war und daß die Warmwasservorrangschaltung nachweislich ausgeschrieben sei. Übereifer und Nachlässigkeit liegen beim Gutachter offensichtlich dicht beieinander.
Im Mai 1998 legt Prof. G. auf Anforderung des OLG München ein ergänzendes Gutachten vor, in dem er seine Aussagen bzgl. der Dimensionierung der Warmwasseranlage versucht zu retten. Vielleicht ahnt der Professor bereits zu dieser Zeit, daß er es mit einer Gegenseite zu tun hat, die ihm auf praktischer Seite überlegen ist, und das ohne Gegengutachter.
Fünf Monate später, im Oktober 1998, nimmt Planer Trieb Stellung zum ergänzenden Gutachten. Ein weiteres Mal macht er das Gericht auf Fehler in allen Gutachten von Prof. G. aufmerksam. Und weil die drei Richter nicht nur etwas von Rechtsprechung verstehen, sondern auch die Zusammenhänge einer Heizungsanlage und Warmwasserbereitung kennen, wird Prof. G. aufgefordert, ein Zusatz-Gutachten (die lfd. Nr. 3) zu erstellen. Im Februar dieses Jahres dann räumt Prof. G. ein, die Warmwasserbereitung sei ausreichend groß genug geplant. Behauptet jedoch, die Warmwasserbereitung würde heute nicht ausreichen. (Obwohl doch Betreiberin Sch. ausgesagt hat, es gäbe keine Unterversorgung.) Er begründet dies mit Hilfe der Mathematik, indem er Herstellerunterlagen und Lehrbücher heranzieht; er rechnet so lange, bis er das gewünschte Ergebnis hat.
Einen Monat später liegt die Stellungnahme Triebs auf seinem Tisch, die beweist, daß Prof. G. einen falschen Rechenweg eingeschlagen hat und so zu dem paradoxen Ergebnis kommt, die heutige Anlage stelle die Warmwasserbereitung für das Hotel nicht sicher. Völlig entgegengesetzt zu den Aussagen der Betreiberin Sch.
Im Mai dieses Jahres muß Prof. G. in seinem 2. Ergänzungsgutachten (die lfd. Nr. 4) einräumen, die Planung aus der Feder Triebs ist in Ordnung und entspricht den geltenden Normen und den anerkannten Regeln der Technik. Ein großer Sieg für Trieb und eine große Schlappe für Prof. G. Der Lehrstuhlinhaber für Versorgungstechnik wurde gezwungen, Stück für Stück, von Gutachten zu Gutachten, seine Fehler aus seiner ersten Ausführung zuzugeben. Doch dies war nur möglich, weil sich Trieb nicht hat einschüchtern lassen und vor allem, weil er sicher war, vor 11 Jahren eine korrekte Planungsleistung abgegeben zu haben. Ein gelernter Heizungsbauer, heute Planer, hat es geschafft, mit seinem technischen Wissen einen habilitierten Professor vor Gericht auszuhebeln.
Ein Einzelfall? Nicht wiederholbar? Für Trieb ein leichter Fall, weil von Anfang an das Recht auf seiner Seite stand? Diese kurzen Fragen lassen sich nicht mit einem ebenso kurzen ja oder nein beantworten. Es steckt mehr dahinter. Ausdauer, Zähigkeit und das Wissen um seine Stärken (und Schwächen) haben Trieb den Sieg eingefahren. Und auf Grund dessen muß dies kein Einzelfall in Deutschland bleiben. Vor rund 15 Jahren hatte Trieb einen Fall vor Gericht gewonnen, ohne einen eigenen Sachverständigen einzuschalten - Sachverstand hat er genug. Den Prozeß hat er gewonnen, gegen einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. In seiner mehr als 35jährigen Tätigkeit hat also Trieb zwei Prozesse geführt - und beide gewonnen.
Trieb appelliert an alle Heizungsbaubetriebe "mehr Mut zu haben, mit Sachverstand gegen gerichtliche Gutachten vorzugehen." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Am 22.6.1999 urteilte das OLG München, der Klage Triebs wird stattgegeben.
Dieser Prozeß ist zu Ende, es schließt sich ein nächster an: Trieb klagt gegen Prof. G. Denn durch das falsche Gutachten ist ihm ein finanzieller Schaden entstanden. Und dafür soll er haften, wie jeder andere auch, der durch sein Handeln einen Dritten schädigt.
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