IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1999, Seite 68 f.


SOLAR


Solartechnik und solare Architektur

Synergien nutzen

Manfred Hegger*

Was hat die Solarkampagne mit Architektur zu tun? Auf den ersten Blick läßt sich der Zusammenhang nicht deutlich erkennen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar: Das Problem vieler Solarprojekte liegt in ihrem eindimensionalen, vorrangig technischen Charakter. Sie sprechen die Vernunft an, wecken aber kaum Emotionen.

Auf Dächern wie notgelandet wirkende Kollektoren mögen gut gemeint und äußerst effizient sein, aber sie werden nicht unbedingt als schön empfunden. Positive Gefühle entwickelt der Betrachter kaum. Architektur kann hier unterstützen und verbessern: Sie vermittelt persönliche, emotionale und rationale Erfahrungen zugleich. Der Mensch erfährt Räume und Gebäude aus verschiedenen, aber untereinander verbundenen Blickwinkeln: physisch, intellektuell und emotional. Doch nur, wenn alle Aspekte zugleich angesprochen sind, entsteht eine positive Wechselbeziehung zwischen einem Objekt und seinem Betrachter.

Weiterer Fortschritt in der Solartechnik ist erreichbar, wenn sie Emotionen hervorruft. Die Produkte der Solartechnik sind heute nachweislich gut und ausgereift. Oft fehlt ihnen jedoch das "gewisse Etwas". Die Lösung: Solares Bauen bringt eindeutig Freude und ist nicht nur ausschließlich vernünftig. Wenn die Produkte der Solartechnik ästhetisch ansprechend sind, Begeisterung auslösen und Begehren wecken, werden sie noch erfolgreicher.

Viergeschossiger Wandkollektor als Südfassade des Gründerzentrums Hambau in Hamm-Heessen (Architekten: Hegger Hegger Schleiff HHS Planer + Architekten BDA)

Ein Ansatzpunkt zur Verbesserung der Solartechnik aus architektonischer Sicht ist der Kollektor. Er muß einen sichtbaren Bezug zu seiner Funktion herstellen. Er muß die in ihm schlummernde Energie, die Wärme, die er erzeugt verdeutlichen. Ein eleganter gläserner Röhrenkollektor zeigt dies besser als ein metallgerahmter tiefschwarzer Blechkasten.

Farben, Oberflächen, Details sind wichtig. Besonders die Präzision der Ecken und Kanten, an denen sich das Auge zuerst festmacht. Das ist nicht nur eine Frage des Designs und der damit verbundenen Emotionen, sondern auch der Zweckmäßigkeit: Aufliegende Rahmen erzeugen unerwünschte Schmutzfahnen und Ablagerungen. Für die Optimierung der Produkte gibt es noch viele ungenutzte Spielräume.

Gleiches gilt für die Verwendung der Solartechnik am Bau. Auf geneigten Dächern aufgeständerte oder an Fassaden festgeschraubte Kollektoren, optimal zur Sonne ausgerichtet, beeinträchtigen das Bild so mancher Häuser. Sie sind zudem teuer, weil sie nur eine Funktion erfüllen: Energie erzeugen. Eigentlich können diese Bauteile aber viel mehr. Sie sind schließlich wasserdicht konstruiert und können damit zugleich Funktionen der Dachdeckung oder der Fassadenbekleidung übernehmen.

Weiterentwicklungen werden Lösungen hervorbringen, die Mehrfachnutzung von Bauteilen anstreben. Es ergeben sich positive synergetische Effekte und Kostenreduzierungen. Zum Beispiel: Kollektoren werden zu integrierten Bestandteilen der Dachdeckung. Sie sind im optimalen Fall Dachdeckung und Wärmekraftwerk des Gebäudes zugleich. Auch als Fassadenbauteile sind sie denkbar, integriert in die Oberflächengestaltung der Außenwände, aber auch als vollständige Fassadenbekleidung. Darüber hinaus können sie als Blendschutz oder Sonnenschutz dienen: geneigt oder nahezu horizontal über beschatteten Flächen, vertikal als raumbildende Elemente. Als Überdachungen bilden sie wettergeschützte Außenräume. Schließlich spricht nichts dagegen, Kollektoren als Brüstungen oder Absturzsicherungen von Treppen, Gängen oder Balkonen zu verwenden — vorausgesetzt, die verfügbaren Produkte versprechen ein optisch ansprechendes Äußeres.

Solartechnik und solare Architektur haben eine große Zukunft, wenn wir sie in unseren Alltag integrieren können: zu unserem Nutzen in den täglichen Gebrauch, zur wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Energieerzeugung, zu unserer Freude und Begeisterung. Hierzu kann Architektur auf vielen Ebenen, von der Produktgestaltung bis zur Integration in das Stadtbild, einen ganz wesentlichen Beitrag leisten.


* Prof. Manfred Hegger
Bund Deutscher Architekten
Habichtswalder Str. 19
34119 Kassel


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