IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1999, Seite 98


INTERVIEW


Vitra

Der "global player" vom Bosporus will weiter wachsen

Fast unbemerkt hat der türkische Eczacibasi-Konzern über seine Tochtergesellschaft Ekom Sanitärmarketing GmbH in Deutschland mit der Marke Vitra rund zwölf Prozent Marktanteil bei der Sanitärkeramik (nach Stückzahlen) erobert. Dennoch ist der Markenname Vitra - ebenso wie Eczacibasi - hierzulande nur Insidern bekannt. Handelsware und streng vertriebswegorientierte Geschäftsabwicklung waren die Schlüssel zum Erfolg der ehrgeizigen Südländer. Jetzt soll unter dem Slogan "Wir machen Ihr Bad komplett", die Marke Vitra im deutschen Markt positioniert werden. Sanitärkeramik, Fliesen und Armaturen stehen ebenso im Plichtenheft wie Badmöbel und Accessoires. Erstmals äußerte sich Bülent Eczacibasi, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, in einem Exclusivinterview mit IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Günther Klauke gegenüber einer deutschen Fachzeitschrift - gemeinsam mit Deutschland-Geschäftsführer Zeki Safak Ozan. Der "global player" vom Bosporus will weiter wachsen. Eczacibasi: "Wir haben schon immer Interesse an Akquisitionen gehabt."

IKZ-HAUSTECHNIK: Ihre Unternehmensgruppe verzeichnete in den letzten Jahren starke Wachstumsraten. Sind Sie auch mit den vergangenen 18 Monaten zufrieden?

Eczacibasi: Zwischen 1994 und 1998 hat sich die türkische Wirtschaft an relativ hohe Wachstumsraten gewöhnt und gute Ergebnisse erzielen können. 1998 schaffte die Türkei "nur" noch ein Wirtschaftswachstum zwischen zwei und drei Prozent. Der Grund dafür liegt in einer Rezessionsphase, die keineswegs abgeschlossen ist und erstmalig in der jüngeren türkischen Geschichte auf fehlende Nachfrage zurückzuführen ist. Das Exportgeschäft läuft allerdings nach wie vor recht ordentlich, und wir freuen uns, daß die von Skeptikern vorhergesagte schwere wirtschaftliche Krise in Europa nicht eingetreten ist. Was unsere Unternehmensgruppe anbelangt, ist die Entwicklung positiv. 1998 haben wir mit insgesamt 7600 Mitarbeitern einen Konzern-Umsatz von 2,4 Milliarden Mark erreicht.

"Der deutsche Markt hat für uns Symbolcharakter"

Bülent Eczacibasi

IKZ-HAUSTECHNIK: Welchen Stellenwert hat für Ihr Unternehmen der deutsche Markt?

Eczacibasi: Um diese Frage zu beantworten sollte man unsere Kerngeschäftsbereiche Pharmazie, Konsumgüter und Baumaterialien gesondert betrachten. Bleiben wir bei den Baumaterialien, zu denen wir u.a. Sanitärkeramik, Fliesen und Armaturen zählen: Da spielt der deutsche Markt nicht nur aufgrund seiner Größe eine besondere Rolle. Deutschland hat für uns schon deshalb Symbolcharakter, weil wir dort mit der Entwicklung des Exportgeschäftes begonnen haben. Nach wie vor sind unsere Umsatzentwicklungen in Deutschland positiv, allerdings gibt es andere Zielmärkte, wie Großbritannien, die wir zukünftig intensiver bearbeiten werden.

Ozan: Das heißt allerdings nicht, daß der deutsche Markt für uns an Bedeutung verloren hat, sondern vielmehr, daß wir in anderen Ländern noch einiges aufzuholen haben.

IKZ-HAUSTECHNIK: In anderen Bereichen gibt es demnach keine Exportaktivitäten?

Eczacibasi: Wir sehen im Baumaterialienbereich die besten Zukunftsaussichten im Exportgeschäft. Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß wir in anderen Bereichen, etwa in der Pharmazie, einige wichtige Vereinbarungen mit deutschen Herstellern in Form von Lizenzverträgen seit langem abgeschlossen haben. Hier steht jedoch das Geschäft in der Türkei im Vordergrund. Als Exportmarkt hat Deutschland für uns vorrangig im Baumaterialienbereich Bedeutung.

IKZ-HAUSTECHNIK: Bisher haben Sie im deutschen Markt lediglich bei Sanitärkeramik einen relativ hohen Marktanteil erreicht und das über Handelsmarken. Wird das in Zukunft so bleiben?

Eczacibasi: Es stimmt, daß wir durch Handelsmarken im deutschen Markt gewachsen sind. Zukünftig werden wir mit verstärkten Aktivitäten die Nähe zu den Entscheidungsträgern und den Endkunden suchen, um unsere eigene Industriemarke positionieren zu können. Ozan: Wir wissen, daß uns diese Marke bisher gefehlt hat. Zunächst haben wir jedoch großen Wert darauf gelegt, eine geeignete Basis vorzubereiten. Unser Auftritt zur ISH ’99 sollte als Signal in dieser Richtung verstanden werden.

Vitra: Von der Handelsmarke zum Markenhandel

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie werden zukünftig unter dem Markennamen Vitra aktiv?

Eczacibasi: Ja. Auf keinen Fall Eczacibasi.

IKZ-HAUSTECHNIK: Halten Sie das tatsächlich für ein Problem?

Eczacibasi: In Exportmärkten ja.

IKZ-HAUSTECHNIK: Obwohl Ihr Familienname über einen exzellenten Stellenwert verfügt? Bereits das Wirken Ihres Vaters begründete diesen Ruf und nicht umsonst sind Sie jahrelang als Sprecher des türkischen Arbeitgeberverbandes aktiv gewesen, dessen Vorstand Sie noch heute angehören. Einen, nennen wir es Imagetransfer, halten Sie nicht für möglich?

Eczacibasi: Natürlich werden wir nicht den Familien- oder Unternehmensnamen ändern. Wenn es um die Positionierung des Unternehmens im Ausland geht, genießen wir zum größten Teil die Stärke des Eczacibasi-Konzerns und die Stärke des Namens Eczacibasi. Das heißt aber nicht, daß auch die Produkte diesen Namen tragen müssen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie verfügen über insgesamt 37 Unternehmen, die z.B. als Vitra, Artema, Intema oder Ekom firmieren und in der Türkei unter diesen Bezeichnungen beispielsweise Fliesen, Sanitärkeramik (Vitra) oder Armaturen (Artema) produzieren und vertreiben. Bleibt es dabei?

Eczacibasi: Wir werden die Marke Vitra positionieren.

"Wir machen ihr Bad komplett"

Bülent Eczaciabsi

IKZ-HAUSTECHNIK: Und ausschließlich Sanitärkeramik anbieten?

Eczacibasi: Nein. Wir werden im Export zukünftig unser gesamtes Angebot unter dem Namen Vitra präsentieren. Mit kleinen, aber effektiven Schritten werden wir unseren Partnern alle Möglichkeiten eines Komplettbad-Herstellers anbieten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Also verschiedene Varianten von der Fliese bis zum Accessoire?

Ozan: Nicht ganz. Wir werden Schritt für Schritt maßgeschneiderte Lösungen inclusive aller Komponenten für unsere Partner präsentieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gegenwärtig ist "viel Bewegung" im deutschen SHK-Markt feststellbar. Macht Ihnen das Sorgen?

Eczacibasi: Nicht nur im deutschen SHK-Markt. Die Globalisierungsbestrebungen sind in beinahe allen Branchen nicht zu übersehen. Besonders gut können wir das im Pharmaziebereich beurteilen, der ja mit zu unseren Kernkompetenzen gehört. Bleiben wir im Bereich Baumaterialien, so ist es für uns von grundlegender Bedeutung, einen deutlichen Synergieeffekt zu erzielen. Bisher waren wir bei diesen Entscheidungen, die in der letzten Zeit publik wurden, nicht dabei. Diese Tatsache sollte aber nicht dahingehend mißverstanden werden, daß wir kein Interesse haben oder zukünftig nichts machen werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Rolle spielt in Ihren Überlegungen die Standortfrage?

Eczacibasi: Die positive Entwicklung unseres Unternehmens in den letzten Jahren ist ausschließlich auf unsere Erfahrungswerte und Anstrengungen z.B. in den Bereichen Technologie, Qualität, Kapazität und Produktivität zurückzuführen. Anders als bei vielen mitteleuropäischen Unternehmen spielt für uns die Standortfrage keine besonders wichtige Rolle. Mit unseren Erfahrungswerten in der Türkei sind wir nach wie vor sehr zufrieden.

"Wir streben im Bereich Baumaterialien/Sanitärtechnik die Position eines "global player" an."

Bülent Eczacibasi

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Themen spielen denn eine wichtige Rolle bei Ihren Überlegungen?

Eczacibasi: Wir kennen unsere eigenen Stärken ziemlich gut. Bei unseren Überlegungen im Hinblick auf Kooperationen, welcher Art auch immer, müßten sich diese Stärken mit denen der anderen Seite ergänzen. Als Kernthemen spielen in diesem Zusammenhang Vermarktung und Vertrieb für uns eine besondere Rolle. Andererseits sehen wir speziell auf der Produktions- und Technologieseite unsere Stärken. Immer wird jedoch die Marke Vitra im Mittelpunkt bleiben. Darauf werden wir keinesfalls verzichten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sagten zuvor mit Ihren Standortanalysen in der Türkei sehr zufrieden zu sein. Dennoch bauen Sie in Irland erstmals in Ihrer Unternehmensgeschichte außerhalb der Türkei ein Werk - in diesem Fall ein neues Fliesenwerk. Wurde damit die Abkehr von der bisherigen Strategie eingeläutet?

Eczacibasi: Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Wir haben immer schon Interesse an Aquisitionen im Ausland gehabt und auch mehrfach Gespräche getätigt. Allerdings haben sich bei unseren Analysen für die Eczacibasi-Unternehmen bisher nie Mehrwert-Vorteile durch evtl. Firmenkäufe oder Beteiligungen herauskristallisiert. Unser Engagement in Irland zeugt davon, daß in diesem Fall die Rahmenbedingungen stimmen.

IKZ-HAUSTECHNIK: In welcher Größenordnung werden Sie in Irland tätig?

Eczacibasi: Wir werden in Irland zunächst jährlich etwa eine Million Quadratmeter Fliesen produzieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie konzentrieren Ihre Aktivitäten derzeit in drei Kompetenzbereichen. Was wird die Zukunft bringen?

Eczacibasi: Unabhängig von Grenzen fällt der Konkurrenzfähigkeit in allen Zielmärkten die höchste Priorität zu, natürlich ohne Innovation, Kreativität, Qualität und Zuverlässigkeit zu vernachlässigen. Dabei gilt es nicht nur den Mehrwert bei den Produkten zu sehen, sondern in allen Geschäftsbereichen auch bei der Dienstleistung.

IKZ-HAUSTECHNIK: Können Sie den Begriff "konkurrenzfähig" genauer definieren?

Eczacibasi: Je nach Geschäftsbereich kann dieser Begriff etwas anderes bedeuten. Nehmen Sie als Beispiel die Pharmazie, dann spricht man bei der Entwicklung eines einzigen Medikamentes nicht selten über Investitionskosten in Milliardenhöhe. Wir betreiben dort lieber eine Art Nischenmarketing. Anders jedoch im Bereich Baumaterialien/Sanitärtechnik. Dort streben wir die Position eines "global player" an, wir werden also wachsen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Türkei wird in Deutschland als "unsicher" bezeichnet. Macht das Ihr Export-Engagement schwieriger als für westeuropäische Unternehmen?

Eczacibasi: Bezogen auf den Fremdenverkehr mag es so etwas geben, als Industrieunternehmen können wir eine Unsicherheit nicht bestätigen. Unsere Aktivitäten sind dennoch schwieriger als z.B. zwischen deutschen und niederländischen oder italienischen Handelspartnern. Mein Eindruck ist, daß zumindest im Handelsverkehr und im kulturellen Bereich zwischen den westeuropäischen Ländern keine Schranken mehr vorhanden sind. Man ist sich sozusagen "näher". Wir haben uns schon vor langer Zeit vorgenommen mit Leistung zu überzeugen, um als "vollwertiger" europäischer Partner akzeptiert zu werden. Auf der Handelsebene ist uns das gelungen. Der jetzt angestrebte Markenauftritt dient als weiterer kleiner Schritt auch dazu, verarbeitende Fachbetriebe und die Verbraucher von der Leistungsfähigkeit, Qualität und Zuverlässigkeit eines türkischen Unternehmens zu überzeugen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Wünsche begleiten Sie als einen der bedeutendsten türkischen Unternehmer in das nächste Millennium?

Eczacibasi: Derzeit ist es am wichtigsten, in der Türkei eine kontinuierlich gesunde wirtschaftliche Lage zu schaffen. Wir haben über die Positionierung einer Marke in einem Markt gesprochen, auch die Türkei als Land müßte sich neu positionieren, um potentiellen Investoren ein sicheres Gefühl zu vermitteln. Gerade in der derzeitigen Globalisierungsphase müssen die Menschen Vertrauen haben, dazu ist Stabilität eine zwingend erforderliche Komponente.


Eczacibasi-Gruppe

Daten und Fakten


Bülent Eczacibasi

ist seit 1995 Vorstandsvorsitzender der Eczacibasi Holding AG. Unter anderem bekleidet er das Amt des Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Türkischen Vereins der Industriellen und Geschäftsleute "TÜSIAD", dessen Vorstandsvorsitzender er auch von 1991-93 gewesen ist. Ebenfalls Vorstandsvorsitzender war er in der Gründungsphase der türkischen "Stiftung für Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, "TESEV". Bülent Eczacibasi wurde am 25.10.49 in Istanbul geboren. Das Abitur absolvierte er auf der Deutschen Schule in Istanbul. Nach seinem Studium an der "University of London" (Imperial College of Science and Technology) hat er den Magister Meistergrad als Chemie-Ingenieur an dem "Massachusetts Institute of Technology" erworben.


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