IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/15/1999, Seite 42 ff.
SANITÄR-/HEIZUNGSTECHNIK
Facility Management:
Scheinbar gesicherte Positionen des Handwerks geraten ins Wanken
Dr. Bernd Kriegesmann* · Markus Thomzik**
Mit Facility Management verbinden die einen Marktverdrängung und zurückgehende Umsätze, für andere bedeutet es wirtschaftliches Wachstum. Wer nicht weiß, zu welcher Gruppe er sich zählen soll, erfährt mit der Lektüre dieses Artikels Aufschluß. Danach können benachteiligte SHK-Handwerksunternehmen aus ihrer scheinbaren Ausweglosigkeit herauskommen.
Organisierte Suboptimalität
So mancher private Eigentümer weiß ohnmächtig zu berichten, was es heißt, z.B. sein Badezimmer modernisieren zu lassen. Im Extremfall muß er noch immer von Installateur und Heizungsbauer, Elektrotechniker, Putzer und Fliesenleger, Schreiner und Maler Angebote einholen, mit ihnen Termine abstimmen, Leistungen überwachen und ggf. Gewährleistungsansprüchen hinterherlaufen. Viele Hausbesitzer fühlen sich überlastet.
Das ist nur ein Beispiel für zersplitterte "Zuständigkeiten" in der Anbieterlandschaft. Die Entkopplung von Leistungen zwischen, aber auch innerhalb der Planungs-, Erstellungs- und Nutzungsphase führt dazu, daß eine unwirtschaftliche Gebäudenutzung frühzeitig festgelegt wird. Darüber hinaus verursachen isolierte Teilleistungen, Überschneidungen und Angebotslücken erhebliche Koordinations- und Kontrollaufwendungen.
Bild 1: Die Bedrohung durch Systemanbieter. |
Angesichts derartiger Unzulänglichkeiten und getragen von massiven Wachstumserwartungen vollziehen sich in jüngerer Zeit unter dem Schlagwort Facility Management Formierungsprozesse rund um die Immobilie. Dabei geht es aus Kundensicht darum, über Systemleistungen komplexe Probleme zu lösen.
Ein Markt gerät in Bewegung
Bis dato sind es vor allem investitionsfreudige Großunternehmen, die auf diese neue Spielwiese drängen und sich lukrative Claims eines sich entwickelnden Marktes sichern wollen. Die "wohlgeregelte" Aufgabenverteilung rund um die Immobilie wird so aufgelöst. Branchenintern und branchenübergreifend entstehen völlig neue Anbieter und Beziehungen. Scheinbar gesicherte Positionen wie etwa im SHK-Handwerk geraten von vielen Betroffenen kaum bemerkt ins Wanken.
Wenn Unternehmen wie "DeTeImmobilien" oder "Siemens Building Technologies (SBT)" nicht mehr nur die Eigenbewirtschaftung der Konzernimmobilien übernehmen, wenn "Hochtief" oder "Rud. Otto Meyer" ihr Leistungsspektrum über klassische Branchengrenzen hinaus erweitern, weicht das die etablierte Szene auf. Klassische Handwerksbetriebe werden aus stabilen Geschäftsbeziehungen verdrängt oder in die ungeliebte Rolle des abhängigen Subunternehmers geschoben, was immer häufiger mit ruinösem Preisdruck verbunden ist.
Bild 2: Die Optionen auf dem Weg zum Facility Management Anbieter. |
Wer sich in diesem Umfeld auch als kleiner oder mittelständischer Betrieb einen Platz sichern will, hat Sach- und Dienstleistungskombinationen zu entwickeln, die Kundenbedürfnisse befriedigen. Nicht mehr nur die Frage, was man in traditionellen Gewerkegrenzen kann, sondern auch, was die Bedarfe der Kunden sind, steht im Mittelpunkt. Denn ihnen geht es beispielsweise nicht darum, Öl, sondern "Wärme" mit allen dazugehörigen Planungs-, Beratungs-, Installations- und Wartungsleistungen zu kaufen. In der Vergangenheit hat z.B. für ein Mehrfamilienhaus der eine Betrieb eine Heizungsanlage geplant, ein anderer installiert, ein nächstes Unternehmen das Heizöl geliefert und ein weiterer Akteur die Heizkostenverteiler abgelesen. Heute treten Anbieter auf den Plan, die diese Funktionen aus einer Hand anbieten. Die Kundenprobleme bestimmen die Systemleistungen auf einem zukünftigen Facility Management Markt.
Facility Management als neue Konzeption der Gebäudebewirtschaftung
Facility Management (kurz FM genannt) ist eine Konzeption der Gebäudebewirtschaftung, die sich auf den kompletten Lebenszyklus einer Immobilie bezieht, also von der Planung und Erstellung über die Nutzung bzw. Umnutzung, Umbauten bis hin zum Abriß.
Insgesamt wird i.d.R. nicht der gesamte FM-Leistungsraum nachfragewirksam, sondern nur Teilausschnitte. Schließlich ist die Mehrzahl aller zur Zeit in Frage kommenden Facility-Management-Objekte bereits errichtet. Eine entsprechende Systemleistung bezieht sich dann auf die Optimierung der Nutzungsphase.
Konfrontiert man diesen FM-Leistungsraum mit den traditionellen Leistungen rund um die Immobilie, zeigt sich, daß die Teilleistungen im wesentlichen bereits erbracht werden, bisher aber eine historisch gewachsene Abschottung unterschiedlicher Anbieter vorliegt. Über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie ist so ein System der schlecht organisierten Suboptimalität entstanden. Daß in diese starren Branchenmuster Bewegung kommt, wird durch massive Wachstumserwartungen getragen und durch Outsourcing-Tendenzen in Industrie und öffentlicher Verwaltung genährt.
Angesichts eines verlockenden Milliardenmarkts versuchen dabei alte und zunehmend neue Anbieter aus den unterschiedlichsten Ursprungsbranchen das lukrative Wachstumsfeld Facility Management zu besetzen und sich zu etablieren. Dabei wird der Sicherheitsdienstleister zum Konkurrenten des Gebäudereinigers, das Versorgungsunternehmen zum Konkurrenten des SHK-Handwerks oder der Gebäudeausstatter zum Konkurrenten des Immobilienverwalters. FM entwickelt sich zum Kampfplatz für eine Vielzahl von Sach- und Dienstleistungsanbietern.
Der Positionskampf hat begonnen
Stadtwerke konzentrieren ihr Neugeschäft auf das Geschäftsfeld Facility Management, Bauunternehmen werden Generalunternehmer, Immobilienverwalter oder Vermieter übernehmen nun Reinigungsleistungen, Wartung, Instandhaltung und Renovierung. Die hierauf spezialisierten Handwerksbetriebe der Elektro-, Sanitär-, Heizung-, Klimagewerke bleiben künftig außen vor oder werden auf eine "Handlangerrolle" reduziert, wenn sie lediglich die Angebotslücken eines FM-Komplettanbieters als abhängiger Nachunternehmer schließen.
Nach Meinung von Experten können diese Entwicklungen, verglichen mit der seit längerem diskutierten Problematik der Bauvergabe für öffentliche Aufträge (funktionale Ausschreibung) tiefgreifendere Auswirkungen auf die Rolle des Handwerkes haben, wenn man sich weiterhin nur auf die angestammten Tätigkeiten in tradierten Strukturen beschränkt (Bild 1). Es klafft eine erhebliche Lücke zwischen den tatsächlichen Reaktionen vieler Betriebe und den hochdynamischen Veränderungen in den traditionell abgeschotteten Branchensegmenten rund um die Immobilie. Insgesamt bleibt das Handwerk, von Ausnahmen abgesehen, weitgehend regungslos.
Kooperation als Chance
Gerade diese Veränderungen lassen es sinnvoll erscheinen, mit aktualisierten und erweiterten Kompetenzen der jeweiligen Ursprungsbranche in neue Segmente vorzudringen, ohne sich auf klassische, traditionelle Teilleistungen zu beschränken. Dabei geht es nicht darum, eine Teilleistung gegen eine andere auszutauschen, sondern vielmehr um die Kombination von Wissen, Erfahrungen und Fertigkeiten über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie.
Die Frage bleibt, wie man sich z.B. als SHK-Betrieb in diesem Umfeld positioniert. Anbieter isolierter Teilleistungen verfügen zwar über spezifische Kernkompetenzen, doch die Stärken in Einzelbereichen reichen in der Regel nicht aus. Die Erstellung von Systemleistungen erfordert eine Zusammenführung unterschiedlichster Kompetenzen, evtl. auch in völlig neuen Unternehmensformen.
Auf der Absatzseite erwarten Kunden komplette Problemlösungen. Wenn der traditionelle Handwerksbetrieb als Anbieter einer isolierten Teilleistung nicht über die nötigen Kompetenzen verfügt, eine Facility-Management-Systemleistung zu formieren, kann er diese grundsätzlich
- im Alleingang,
- durch Beteiligungen oder Akquisition und
- durch zwischenbetriebliche Kooperation aufbauen oder aber
- in kleiner werdenden Marktnischen verharren.
Mögliche Entwicklungsrichtungen
Aus einzelwirtschaftlicher Sicht können drei Richtungen eingeschlagen werden, um sich in Kooperation oder im Alleingang auf dem Markt für Facility Management neu zu positionieren (Bild 2).
- Die horizontale Erweiterung des Leistungsbündels durch die Übernahme von Teilleistungen, die mit den bisherigen Funktionen verwandt sind. So könnte z.B. ein Anbieter der SHK-Technik künftig das technische Gebäudemanagement mehrerer gebäudetechnischer Anlagen eines Objektes (Heizung, Lüftung, Aufzug etc.) über ein integriertes Gebäudeleitsystem abdecken bzw. in einer Kooperation von Betrieben adäquater Gewerke das Leistungsangebot zu einer marktwirksamen Bedarfsgruppe ergänzen.
- Die vertikale Erweiterung des Leistungsbündels durch die Übernahme von Teilleistungen, die der jeweiligen Funktion vor- bzw. nachgelagert sind. Für einen Handwerksbetrieb der Elektroinstallation besteht hier z.B. die Möglichkeit, künftig evtl. mittels Kooperation mit Ingenieuren eine Systemleistung anzubieten, die von der Planung bis zum Betrieb inklusive Instandhaltung reicht.
- Die laterale Erweiterung des Leistungsbündels durch die Übernahme völlig neuer Aufgaben. Ein Angebot läßt sich z.B. dahingehend erweitern, daß es z.B. Hausverwaltungs- oder Umzugsdienste übernimmt, die außerhalb des angestammten Geschäftsfeldes in einem bisher von einer eigenständigen Branche dominierten Bereich liegen.
Erst vereinzelt werden auch aus dem Handwerk derartige Optionen des FM-Konzeptes genutzt: Das traditionelle Angebot des Sanitär- und Heizungsbaus hat z.B. ein Pionier mit Dienstleistungen derart ergänzt, daß diese inzwischen 80% des Umsatzes ausmachen. Dabei umfaßt der Rundumservice für schlüsselfertiges Bauen von Immobilien neben der Projektierung die Koordination sämtlicher beteiligter Baugewerke als Generalunternehmer, die Steuerung und Regelung der Haustechnik über computergesteuerte Gebäudeleittechnik, einzelne Teilleistungen des technischen, kaufmännischen und infrastrukturellen Gebäudemanagements bis hin zu innovativen Contracting-Konzepten der Wärmelieferung.
Im Gegensatz zu solchen Pionieren nehmen Großteile klassischer Anbieter aus der Handwerkswirtschaft die Entwicklungen zu Facility Management Systemlösungen nur bruchstückhaft wahr. Sie verharren in schrumpfenden Marktnischen und bieten klassische Teilleistungen aus ihrer Ursprungsbranche an.
Es bleibt abzuwarten, ob das Handwerk ausreichend gerüstet ist, um bereits abgewanderte Marktnischen zurückzugewinnen und an diesem neuen, zukunftsträchtigen Marktfeld Facility Management teilhaben zu können.
L i t e r a t u r :
[1] Staudt, E.; Kriegesmann, B.; Thomzik, M.: Facility Management: Der Kampf um die Marktanteile beginnt. Frankfurter Allgemeine Buch; Frankfurt/M. 1999.
*) Kriegesmann, Bernd, Dipl.-oec., Dr. rer. oec.: Geschäftsführer des Institut für angewandte Innovationsforschung (IAI) Bochum e.V.
**) Thomzik, Markus, Dipl.-oec.: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Innovationsforschung (IAI) Bochum e.V.
[Zurück] [Übersicht] [www.ikz.de]