IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1999, Seite 75 ff.


REPORT/INTERVIEW


Das Bad - der Deutschen "liebstes Kind"?

Ob Wahlergebnisse, Arbeitslosenzahlen oder Konsumverhalten, alles und jedes wird heutzutage von Forschungsinstituten frühzeitig unter die Lupe genommen. Trotz der Gefahr einer Fehleinschätzung (gelegentlich irren auch Meinungsforscher - wie sonst ist zu erklären, daß keines der renommierten Institute zu Beginn des Jahres 1998 einen Wahlsieg der Rot/Grünen-Koalition für möglich hielt) gewinnen vor allem Umfragen zum Konsumverhalten für Unternehmen eine immer größere Bedeutung. So auch die Nachfrage nach Sanitärkeramik und Badarmaturen.

Die Studie

Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1987 und 1997 sowie den Prognosen bis zum Jahre 2010 kommt die Pestel-Studie zu interessanten Ergebnissen hinsichtlich des Bedarfs an Badkeramik und Sanitärarmaturen. Während die Gesamtbevölkerung in Westdeutschland zwischen 1987 und 1997 von 61,2 Mio. auf 66,7 Mio. (9% Zuwachs) stieg, verzeichnete der Osten zwischen 1988 und 1997 einen Rückgang von 16,7 Mio. auf 15,4 Mio. Einwohner (-7,7%)! Betrachtet man die erwachsene Bevölkerung (23 Jahre und älter), so ergab sich im Beobachtungszeitraum in Westdeutschland gar ein Wachstum von 12,3% und in Ostdeutschland ein Rückgang um lediglich 1%. Bis zum Jahre 2010 erwartet man im Westen weiterhin einen schwach (+1,4%) zunehmenden Anteil der erwachsenen Bevölkerung und im Osten eine um 4,9% zunehmende erwachsene Bevölkerung.

Starke Zuwächse um 12,8% gab es zwischen 1987 (26,3 Mio.) und 1997 (29,7 Mio.) auch bei der Anzahl der Haushalte in Westdeutschland. Gleichzeitig wurden dem Wohnungsbestand in Ostdeutschland zwar 830000 neue Wohnungen zugeführt, aber der Gesamtbestand erhöhte sich zwischen 1988 und 1997 dennoch nur um ca. 320000 Wohnungen. Bei der Prognose bis 2010 geht die Pestel-Studie von einem weiterhin wachsenden Haushaltsbestand aus (+6,6% in Westdeutschland und +7,4% in Ostdeutschland). Man erwartet gleichzeitig allerdings eine abnehmende Haushaltsgröße.

Diese und weitere Zahlen führen zu dem Schluß, daß bis 2010 in Westdeutschland ein Gesamtbedarf von ca. 3 Mio. Wohnungen und in Ostdeutschland ein Gesamtbedarf von ca. 640000 Wohnungen besteht. Die Fertigstellungsprognose erwartet in Westdeutschland (Ostdeutschland) ca. 3,3 Mio. (1,7 Mio.) Wohnungen bis zum Jahr 2010, von denen bis zum Jahr 2005 bereits 2,4 Mio. (1,05 Mio.) fertiggestellt sein sollen. Und zwar: ca. 1,4 Mio. (485000) in Form von Einfamilienhäusern, ca. 380000 (137000) in Form von Zweifamilienhäusern und ca. 650000 (431000) Wohneinheiten im Geschoßwohnungsbau.

Fertigstellungsprognose Westdeutschland

  • Im Zeitraum 1998 bis 2010 wird es ca. 3,3 Mio. Wohnungsfertigstellungen geben.
  • Hiervon werden rund 2,4 Mio. Wohneinheiten bis zum Jahr 2005 fertiggestellt sein
  • 1361500 WE in Form von Einfamilienhäusern
  • 380 000 WE in Form von Zweifamilienhäusern
  • 650 000 WE im Geschoßwohnungsbau

Fertigstellungsprognose Ostdeutschland

  • Im Zeitraum 1998 bis 2010 wird es ca. 1,7 Mio. Wohnungsfertigstellungen geben.
  • Hiervon werden rund 1,05 Mio. Wohneinheiten bis zum Jahr 2005 fertiggestellt sein.
  • 485 000 WE in Form von Einfamilienhäusern
  • 137 000 WE in Form von Zweifamilienhäusern
  • 431 000 WE im Geschoßwohnungsbau

Durch den starken Einbruch im Geschoßwohnungsbau prognostiziert die Studie daher für Mehrfamilienhäuser erhebliche Rückgänge der nachgefragten Mengen an Sanitärkeramik und Badarmaturen in allen Kategorien. Bei Ein-/ Zweifamilienhäusern erwartet man durch die hohe Nachfrage sowie einen steigenden Anteil zweiter und dritter Badezimmer eine kontinuierliche Zunahme der Nachfrage nach Standardqualität. Für Westdeutschland geht die Prognose auch bei mittleren Qualitäten bis zum Jahr 2003 von einer Zunahme aus. Leicht steigend soll die Zunahme bei hohen Qualitäten bis zum Jahr 2003 ausfallen, ehe sie in Westdeutschland abbricht und in Ostdeutschland stagniert.


Für Industrie, Fachgroßhandel und Fachhandwerk liefern Studien dieser Art wichtige Hinweise auf das zu erwartende Käuferverhalten. Kaum Gutes verheißt der prognostizierte Anstieg der Nachfrage bei der Standardqualität, denn speziell in diesem Segment verfügen andere Vertriebsformen, wie die Baumärkte, bereits heute über hohe Verkaufsanteile. Über die Ergebnisse der Studie sprach Peter-Michael Wester, Produktmanager aus dem Hause Ideal Standard, mit IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Günther Klauke.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die von Ihnen in Auftrag gegebene Pestel-Studie erwartet bis zum Jahr 2010 deutlich weniger Wohnungsfertigstellungen im Geschoßwohnungsbau. Muß die Industrie zukünftig geringere Stückzahlen produzieren?

Wester: Diese Frage kann man mit einem klaren Nein beantworten. Zum einen hat uns Pestel eine zunehmende Verlagerung weg vom Neubau und hin zum Modernisierungs- und Renovierungsgeschäft aufgezeigt, wie das neue Marktpotential beschaffen sein wird. Die Bevölkerungspyramide wird nach oben hin bauchiger. Standortpräferenzen ändern sich und es gibt eine ständig steigende Nachfrage der über 30jährigen nach Wohneigentum in Form von Ein- und Zweifamilienhäusern. Dies wird die Qualität der Nachfrage in unserer Industrie nachhaltig beeinflussen. Um nochmals auf ihre Frage zurückzukommen: Die Stückzahlen werden sich zwar nicht mehr erhöhen, sich jedoch auf dem Niveau von 1998 einpendeln.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was macht man dann mit den in den letzten Jahren hemmungslos gesteigerten Fertigungskapazitäten?

Peter Michael Wester, Produktmanager bei Ideal Standard.

Wester: Von "hemmungslos" kann aus unserer Sicht keine Rede sein. Was Ideal-Standard betrifft, so haben wir unsere Kapazitäten in den letzten Jahren den sich drastisch geänderten Wettbewerbsbedingungen angepaßt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gleichzeitig nimmt die Zahl der Mitbewerber in Europa zu. Jüngstes Beispiel sind die Preiskämpfe der Telekommunikationsbranche. Ist ähnliches auch im SHK-Bereich zu erwarten?

Wester: Der Vergleich hinkt, hatten wir doch in unserer Branche schon immer ein Oligopol - und dies sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene. Die Telekom kam vom ruhigen geschützten Wasser in den volleren Teich, wir sitzen schon länger drin. Aber ganz im ernst: Logischerweise wird es im Zuge von Europäisierung und Harmonisierung zu Veränderungen in der europäischen Sanitärindustrie kommen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Erschwerend kommt hinzu, daß man einen Anstieg bei der Nachfrage von Standardqualität erwartet. Geringere Stückzahlen, verstärkter Verdrängungswettbewerb, mehr Standardqualität als hochwertige Ware; das drückt nicht nur auf die Preise sondern vor allem auf die Gewinne. Mit welcher Strategie werden Sie dieser Situation begegnen?

Wester: Sagen wir mal die Qualität der Standardqualität hat sich geändert. Wurde früher "billig" mit "häßlich" gleichgesetzt, so haben wir heute auch im unteren Preisbereich "designte" Produkte. Um im unteren Preisbereich mithalten zu können, wollen wir hier attraktiv gestaltete Produkte anbieten, die über Mengeneffekte wiederum niedrige Stückkosten ermöglichen. Dies geht natürlich nur dann, wenn für alle Marktpartner Wertschöpfung entsteht. Diese entsteht schon von der Produktseite, wenn man sich als Installateur bzw. Großhändler vom tristen Baumarkteinerlei absetzt und dem Endverbraucher interessante Alternativen bietet. Von der professionellen Vermarktung möchte ich jetzt mal gar nicht reden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ist die Serie SanReMo bereits ein Beispiel für diese Philosophie?

Wester: Eindeutig. Unsere Strategie bei SanReMo war vom ersten Moment der Produktentwicklung an ein für eine breite Zielgruppe hochattraktiv gestaltetes Produkt auf die Beine zu stellen. Dazu haben wir mehrere Designer gebrieft und uns dann für den sanitärerfahrenen Londoner Robin Levin entschieden. Von Anfang an klar war auch, die relativ günstige Preisstellung und die große Programmtiefe. Wie Sie wissen, haben wir zudem für unsere Marktpartner - selbst für ein Produkt in diesem Preisbereich - ein wie wir meinen hochattraktives Vermarktungspaket geschaffen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Mit dieser Serie liefern Sie quasi Qualität und Design der Mittelklasse zum Preis bisheriger Standardware. Ähnliches läßt sich auch bei den Armaturen beobachten. Was erwartet uns demnächst?

Wester: Der deutsche Markt ist nach wie vor bei Armaturen sehr qualitätsbewußt und dies ist auch gut so. Das setzt natürliche Grenzen, die wir alle derzeit noch nicht kennen. Der Einhebelmischer "Waschtisch chrom unter 50,- DM" tut sicherlich dem Markt gut, da er die Konsumenten vom noch billigeren Zweigriffmischer in diesem Segment wegholt. Alle verfügbaren Marktstudien, wie auch die von Ihnen zitierte Pestel-Studie belegen dies.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie lange können Industrie, Fachgroßhandel und Fachhandwerker in diesem Konzert mitspielen. Kostenlose Telefonate kann man bereits führen. Gibt es zukünftig auch kostenlose Badezimmereinrichtungen?

Wester: Wenn sie von der Telekommunikationsindustrie subventioniert werden, ja.


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